Ernest Hemingway steigt im Eden Hotel an der Budapester Straße 35 ab. Das Eden, im Zweiten Weltkrieg vollständig zerstört, ist eines der großen Luxushotels der deutschen Hauptstadt gewesen.

Dieses Berlin macht keinen guten Eindruck auf Ernest Hemingway. Kein Wunder, wenn man im quirligen Paris lebt. Zudem durchlebt Deutschland in den 1920er Jahren eine schwierige Zeit, die eine Katastrophe hat man hinter sich, die nächste wartet schon. Der verlorene Erste Weltkrieg wirft immer noch seine Schatten, die Deutschen sind verarmt und haben ihr Vermögen in den Kriegsanleihen des Kaisers verpulvert. Der Alltag bleibt beschwerlich, Geldverfall und Reparationsleistungen drücken auf die Nation.

Soziale Konflikte entladen sich, politische Kämpfe verlagern sich gewaltsam auf die Straße – es sind grauenvolle Jahre. Für Journalisten wiederum ist es eine interessante Zeit und Berlin eine interessante Stadt. Insgesamt reist Ernest Hemingway viermal in die deutsche Hauptstadt. Der Mann aus Chicago wird allerdings nicht warm mit der Metropole an der Spree, kein Vergleich zu Paris jedenfalls, zu düster alles, zu unerfreulich.

Erster Hemingway-Besuch
Am 30. März 1923 schickt der Toronto Star seinen Paris-Korrespondenten Ernest Hemingway für zehn Tage auf Deutschland-Reise. Über Offenburg, Frankfurt am Main, Mainz, Köln, Düsseldorf nach Berlin. Berlin ist eine vulgäre, häßliche, mürrisch verfallende Stadt. Nach dem Krieg stürzte sie sich in eine Orgie, die von den Deutschen als Totentanz betitelt wird. So wird Ernest Hemingway am 15. Dezember 1923 in einem Artikel für den Toronto Star schreiben. Nichts Ansprechendes oder Vergnügtes lässt sich im Nachtleben Berlins finden. Alles ist ganz und gar abscheulich.

Während in Paris der Champagner dazu dient, den beschwingten Alltag zu krönen, wird in Berlin Kokain genommen, um das ganze Elend zu verdrängen. In manchen Lokalitäten würden die Kellner das Koks bis an den Tisch liefern. Die Fröhlichkeit im Berliner Nachtleben sei aufgesetzt, anders als in der Metropole an der Seine. Wenn es eines Nachweises bedürfe, dass Deutschland den Krieg verloren hat, in Berlin kriege man es vor Augen gehalten. Nach wenigen Tagen ist der 23-Jährige wieder in seinem Paradies mit Namen Paris.

Zweiter Hemingway-Besuch
Im November 1927 reist Ernest mit seiner zweiten Ehefrau Pauline Pfeiffer für neun Tage nach Berlin, sie werden vom 3. bis 12. November in der deutschen Hauptstadt bleiben. Das Ehepaar übernachtet im Luxushotel Eden in der Budapester Straße. Ernest und Pauline besuchen das Sechstagerennen, er mag dieses Spektakel des Radsports, und sie treffen sich mit den Kollegen Sinclair Lewis und Ramon Guthrie. 

Ernest lernt den Galeristen Alfred Flechtheim kennen und die beiden werden Freunde. Die Zeitschrift Der Querschnitt, die von Flechtheim gegründet wurde, druckt seit 1925 Erzählungen und Gedichte des US-Amerikaners. In der Hauptstadt kauft der Kunstliebhaber Hemingway bei dem Kunsthändler eine Skulptur der Bildhauerin Renée Sintenis für 500 Mark, das Werk trägt den Titel Der Fußballspieler. 

Dritter Hemingway-Besuch
Am 10. November 1929 befindet sich Ernest Hemingway erneut in Berlin, er kommt mit dem Zug aus Paris. Im Schlepptau der Kollege Guy Hickok, er ist Paris-Korrespondent des Daily Eagle aus Brooklyn, und Gus Pfeiffer, Paulines steinreicher Onkel. Und wiederum sieht man den nun schon berühmten Schriftsteller beim Sechstagerennen im Berliner Sportpalast.

Hauptgrund der Reise sind diesmal Verhandlungen mit dem Verleger Ernest Rowohlt über die deutschen Rechte zu A Farewell to Arms, das auf Deutsch In einem andern Land heißen wird. Ein Hauen und Stechen entwickelt sich beim Aushandeln der Tantiemen. Rowohlt bietet einen Vorschuss von 200 Dollar, Ernest Hemingway möchte 400 Dollar.

Den Vorschuss zahlt er schließlich bei der Galerie Flechtheim an und erwirbt ein avantgardistisches Gemälde von Paul Klee. Monument in Arbeit. Am 17. November fährt das Trio zurück nach Paris.

Vierter Hemingway-Besuch
Ernest Hemingway, inzwischen in Key West ansässig und auf Stippvisite in Paris, weilt am 1. September 1931 in Berlin. Die Uraufführung von KAT, der Theaterfassung seines Bestsellers In einem andern Land, möchte er mit seiner Anwesenheit beehren. Carl Zuckmayer und Heinz Hilpert haben den Roman für die Bühne adaptiert.

Wiederum wohnt der Schriftsteller im Eden Hotel. Carl Zuckmayer schreibt in seinen Memoiren Als wär’s ein Stück von mir über Hemingway: „Er war schon bei der Ankunft betrunken, trug eine flache Whiskyflasche in der Rocktasche.“ Von der Aufführung kriegt er nicht viel mit, er döst vor sich hin und fällt auch nicht weiter auf, außer wenn er an seiner Whiskyflasche nippt.

Gegenüber Käthe Dorsch, sie spielt die weibliche Hauptrolle, fällt Hemingway aus der Rolle, als er in der Pause in ihre Garderobe geführt wird. Wieviel kostet That Girl für eine Nacht?, brabbelt er mit besoffenem Kopf und bietet der Schauspielerin einen Schluck aus der Pulle an. Zum Glück versteht die berühmte Schauspielerin das obszöne Gelalle des Amerikaners nicht.

Nach der Theateraufführung wird Ernest Hemingway von einem Regie-Assistenten in ein Taxi verfrachtet. An der Bar des Hotel Eden säuft er weiter. Und Carl Zuckmayer kann nur noch verwundert anmerken: „Dann fuhr er, im gleichen Zustand, in dem er gekommen war, wieder nach Paris zurück.“

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