„Die gefährlichste aller Weltanschauungen ist die Weltanschauung der Leute, welche die Welt nicht angeschaut haben.“ Alexander von Humboldt.

Ernest Hemingway ist bekannt dafür, die ganze Welt mit einem Medien-Tamtam zu bereisen. Er lebt über 20 Jahre auf Kuba und schwärmt aus in alle Sphären von seinem tropischen Refugium Finca Vigía bei Havanna. London, Paris, Venedig, Pamplona – hoppla hopp. Und dabei volles Scheinwerferlicht. Seine Heimat USA sieht ihn natürlich auch ab und an, von New York bis San Francisco, von Chicago nach Key West.

Dieser geerdete Mann aus Oak Park kennt die Karibik gut, hat mehrmals Mexiko besucht, in Südamerika verbringt er fünf Wochen im peruanischen Cabo Blanco. Europa – immer wieder. Frankreich, Spanien, Italien, Deutschland, Österreich, die Schweiz, Bulgarien, die Türkei. Ostafrika kennt er von seinen mehrmonatigen Safaris. Und auch in China ist er gewesen.

Seinen Stationen nachreisen? Eine Schnapsidee! Man braucht eine gute Kondition und einen prallen Geldbeutel. Und massig Zeit. Denn nirgendwo kommt man zu einem Ende. Hat man eine Tür geschlossen, tun sich zwei neue auf.

Als pragmatischer Fremder kommt er zu Besuch. Der US-Amerikaner ist neugierig und der Blick auf seine Reiseziele wirkt undogmatisch. Seine Weltanschauung bezieht er vornehmlich daraus, dass er sich die Welt auch wirklich anschaut. Darin ist er den allermeisten seiner Kollegen und auch den anderen Menschen seiner Zeit Lichtjahre voraus. 

Der bärtige Amerikaner schleicht sich nicht als reportierender Dogmatiker heran, nicht als einer mit Vorurteilen, der sich seine Sicht auf die Dinge durch irgendeine zubetonierte Gesinnung verengen lässt. Ernest Hemingway streift vielmehr wie ein unbedarfter Kerl mit einer orgiastischen Lust aufs Erleben durch die Welt.

Das Meer und das Gebirge, dorthin zieht es ihn besonders. Ernest Hemingway liebt die erhabenen Berge, die endlosen Wälder und Wiesen, die langgestreckten Bachläufe, den schier unendlichen Ozean. Die unberührte Natur erinnert ihn an die eigene Jugend in Michigan, rund um den See, an die Jagdwochenenden mit dem Vater. 

Weit mehr als ein flüchtiges Sightseeing oder ein hastiges Abhaken von Sehenswürdigkeiten sind seine Reisen. Wochenlang kann er an einem Ort verweilen. Es verbirgt sich eine tief empfundene Sympathie hinter seinen Exkursionen. Man kann die Besuche fremder Länder und Kulturen bei einem Menschen mit solchem Tiefgang ruhig als Liebe bezeichnen. Es ist eine Zuneigung zu den Orten und Plätzen, die noch heute von den dortigen Bewohnern zurückgezahlt wird. Für alle und jeden sichtbar, der ihm nachreist.

Seine Reisen zeigen Wirkung auf sein Schreiben. Hemingways Erzählungen sind durch Recherche vor Ort verbrieft. Er ist kein Autor, der vom Pferd erzählt. Natürlich, ein wenig Aufplustern und Aufblasen. Große Reden schwingen und auf den Putz hauen, auch dies entspricht seinem Naturell. Allerdings mehr im wirklichen Leben als in seinem Werk. Den dicken Maxe macht er an der Theke, nicht zwischen den Buchdeckeln.

Für einen Schriftsteller ist der Amerikaner ein ziemlich aktiver Mann. Kein Knabe für den Poetenturm. Jedoch, es ist nicht nur das Reisen. Eine innere Haltung muss dazukommen. Die Entschlossenheit zum wissbegierigen Beobachten. Und bei einem wie Hemingway ist da noch lange nicht Schluss. Manchmal erfordert das Schreiben auch ein aktives Zutun. 

Viele Ziele hat er weltbekannt gemacht. Pamplona im Baskenland zum Beispiel. Merkwürdigerweise zieht es diesen entspannten Atheisten hin zu erzkatholischen Ländern und zu scheinbar retardierten Kulturen. Besonders Kuba, Spanien und Italien bleiben Regionen seines Herzens. Hier möchte Ernesto leben und wahrscheinlich mochte er hier auch sterben. Obwohl alles dann ganz anders gekommen ist.

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