Ernest Hemingway vor der Burg Manzanares el Real in der Sierra de Guadarrama, Spanien, 1959. Credit Line: Ernest Hemingway Collection. John F. Kennedy Presidential Library and Museum, Boston.

Der sonst eher kritische afroamerikanische US-Autor Ralph Ellison urteilte über den bärtigen Kollegen aus Oak Park: „When Ernest Hemingway describes something, believe him: He’s been there.“ Wenn Ernest Hemingway etwas beschreibt, man kann ihm glauben: Er hat es selbst erlebt.

Damit sind wir beim großen Aktivposten in Hemingways Werk. Seine Romane und Erzählungen sind wahr und authentisch. Alles selbst gesehen, alles selbst erlebt und vieles selbst erlitten. Er ist kein Fabulierer, der sich irgendeinen Plot aus den Fingern saugt. Er erfindet nichts oder will dem Leser irgendeinen Bären aufbinden.

Die grünen Hügel Afrikas hat er von nahem gesehen, im Spanischen Bürgerkrieg hat er mehrmals die Todesglocken läuten gehört, im Ersten Weltkrieg wäre es um ein Haar vorbei gewesen, nicht nur mit der Karriere als Schriftsteller. Und der alte Mann ist ein ihm bekannter Fischer aus Cojímar, jenem kleinen kubanischen Dorf, wo auch er sein Boot liegen hatte. Literarischer Hochstapelei, sie bleibt bei diesem Autor mit der Lupe zu suchen.

Ernest Hemingway ist keiner wie Karl May, der Ammenmärchen vom Wilden Westen zusammenphantasieren konnte, ohne jemals einen Cowboy gesehen zu haben. Dr. Karl May, ein angebliches Genie in Fremdsprachen, soll sich im Orient und Mexiko getummelt haben, dann im Wilden Westen Amerikas, bei den Apatchen seines indianischen Blutsbruders Winnetou. Dabei ist der Mann nicht groß über Radebeul hinausgekommen. Seine zahlreichen Erzählungen – alles ein hübscher Schwindel, ebenso wie sein Doktortitel. 

Nicht so unser Mann aus Oak Park. Die Liste der Länder, die Ernest Hemingway bereist hat, ist lang. Und zwar wirklich bereist, nicht nur mit dem Finger über den Globus. Mit Haut und Haaren eingetaucht in die fremde Welt. Der Amerikaner aus Chicago hat 21 Jahre auf Kuba gelebt, sieben Jahre in Paris. Italien und Spanien kennt er wie seine Westentasche. Dutzende Länder in Europa hat er kreuz und quer durchstreift. Afrika und Asien hat er besucht für viele Monate. 

Seine Erzählungen sind verbrieft. Ernest Hemingway ist kein Autor, der vom Pferd erzählt. Natürlich, ein wenig Aufplustern und Aufblasen. Große Reden schwingen und auf den Putz hauen, auch das kann er. Allerdings mehr im wirklichen Leben als in seinem Werk. Den dicken Maxe macht er an der Theke, nicht zwischen zwei Buchdeckeln.

Für einen Schriftsteller ist Ernest Hemingway ein ziemlich aktiver Mann. Fischen, Jagen, Boxen. Kein Knabe für den Poetenturm. Jedoch, es ist nicht nur das Reisen. Eine innere Haltung muss dazukommen. Der Wille zum neugierigen Beobachten. Und bei einem wie Hemingway ist da noch lange nicht Schluss. Manchmal erfordert das Schreiben auch ein aktives Zutun. 

Wenn die blutige Schlacht tobt, ergeben sich für einen Autor drei Optionen. Zuhause auf dem warmen Sofa über den Krieg zu berichten. Oder mit den Generälen vom Feldherrnhügel von weitem auf das Kampfgeschehen blicken. Oder sich mitten ins Getümmel stürzen, zum Pulverdampf und zu den vollgeschissenen Hosen. Ernest Hemingway, natürlich, gehört der Fraktion Numero 3 an.

Der Nobelpreisträger von 1954 legt Zeugnis ab, er ist Beobachter, Akteur und Chronist in einer Person. Die meisten Menschen nehmen nicht wahr, was um sie herum geschieht, meint der Kollege William Burroughs in seinen Einblicken Bericht aus dem Bunker richtig. Das ist meine wichtigste Botschaft an Schriftsteller: Haltet um Himmels willen eure Augen offen.

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