Auf den Fersen von Ernest Hemingway

Schlagwort: Baskenland Seite 1 von 2

Ernest Hemingway: Eis essen in Bermeo

Ernest Hemingway macht Rast im Fischerdorf Bermeo und freut sich auf ein Eis. Im Oktober 1959. Foto: Valerie Danby-Smith.

Im Oktober 1959 brechen Ernest Hemingway, sein Freunde Bill Davis und A. E. Hotchner, sowie die neue Sekretärin Valerie mit dem Lancia auf zu einer Rundreise durch Spanien. La Barata nennt er ironisch den Wagen, den Billigen, denn es ist schon anstrengend genug halb Spanien mit seinen schlechten Straßen abzugrasen. Billig ist hier nichts: Das italienische Luxusauto ist der Hingucker, wo immer der Schriftsteller auftaucht.

Der Italiener Mario Casamassima ist der Chauffeur. Auf das Baskenland freut der amerikanische Autor sich besonders. Freunde kommen ihm in den Kopf und Erinnerungen werden wach. Auf dem Weg nach Bilbao macht die Reisegruppe den Schlenker zur baskischen Küste. Nach Mundaka, wo Ernest das Grab seines Vertrauten Padre Andrés Untzaín besucht. Auch im Nachbarort Bermeo machen sie halt. 

Bermeo ist ein kleines Fischerdorf, das nicht im Visier der touristischen Planer steht. Der Ort mit den engen Gassen und steilen Wegen hat weitgehend seinen ursprünglichen Reiz bewahrt. Die Bewohner sind nicht gerade wohlhabend, viele sind nach Übersee ausgewandert. Und alle – die Exilanten und die Daheimgebliebenen – geben sich als feurige baskische Nationalisten zu erkennen. 

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Bermeo ist ein kleiner Fischerhafen, etwas abseits der großen Routen gelegen. Foto: W. Stock, 2024.

An der Hafenpromenade trifft die amerikanische Reisegruppe auf einen Eiswagen. Hemingway lässt anhalten, in Vorfreude auf ein kühlendes Eis nach all den Strapazen. Der Besuch des berühmten Nobelpreisträgers verbreitet sich im Lauffeuer durch den Ort. Ernesto steht derweil neben dem Handwagen der Helados de Pereira und lässt sich das Eis schmecken.

Die junge Sekretärin des Autors, Valerie Danby-Smith, hält die Szene mit ihrer Fotokamera fest. Helados de Pereira steht über dem kleinen Eiswagen. Hier gibt es Eis. Die Helados de Pereira findet man noch heute in Bermeo, fast sieben Jahrzehnte nach Hemingways Besuch. Es ist nun ein beständiger Kiosk im Hafen, wo es nicht nur Eis, sondern auch Süßigkeiten zu kaufen gibt. 

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Pereira an der Hafenpromenade hat es zum festen Kiosk gebracht. Foto: W. Stock, 2024.

Der Besuch des Nobelpreisträgers ist selbst nach 65 Jahren in den Köpfen der Bewohner präsent. „Die Spanierin auf dem Foto heißt Teodora“, verrät uns eine Frau, der wir den Schnappschuss von damals zeigen. „Ich kannte sie gut, sie lebte in der Nachbarschaft.“

Und auch der Eiswagen von ehedem existiert heute noch. Der Handwagen konnte – Hemingway sei Dank – vor der Müllkippe und dem Vergessen gerettet werden. Liebevoll ist er über die Zeit restauriert worden. Der Wagen befindet sich nach wie vor

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Jai Alai – Ernest Hemingway liebt den Pelota-Sport

Ernest Hemingway mit seinen baskischen Freunden fachsimpeln auf Finca Vigía über das Pelota-Spiel.

Schon seit den 1920er Jahren wusste Ernest Hemingway um das Ballspiel Pelota. In seinem Geburtsort Chicago gab es den Rainbow Garden, eine Anlage, die sich ganz diesem baskischen Nationalsport verschrieben hatte. Lokale Pelota-Spieler wie Erdoza, El Fenómeno und Atano sind ihm ein Begriff, er hat ihre Wettkämpfe gesehen. Bei einem Besuch des Frontón Cancha im Jahr 1927 in San Sebastián verfällt Ernest endgültig dem baskischen Ballspiel.

Während seiner 21 Jahre auf Kuba besucht der US-Autor oft den Frontón Jai Alai, an der Kreuzung der Calle Concordia mit der Lucena. Der Frontón ist eine populäre Wettkampf-Halle in Havanna, die der Volksmund auch als Palacio de los Gritos, als Palast der Jubelschreie, kennt. In dieser langgezogenen Sporthalle geht es lauthals her, denn dort werden die Meisterschaften ausgetragen. 

José María Iparraguirre hat 1853 Gernikako Arbola – der Baum von Guernica – komponiert, ein Lied, das zur inoffiziellen baskischen Nationalhymne wurde. Der Baum steht für den Freiheitswillen und die Unabhängigkeit des Baskenvolks. Und so wundert es nicht, dass auf Kuba Gernikako Arbola im Palacio de los Gritos vor jedem Pelota-Spiel ertönt, ebenso wie in anderen Pelota-Spielstätten weltweit.

Der musikalisch begabte Ernest Hemingway hat die Hymne der Basken Dutzende Male gehört, zum Teil kennt er den Text. Miss Mary hat verraten, dass ihr Ehemann selbst in der afrikanischen Steppe des Öfteren dieses baskische Lied angestimmt hat.

Auf Kuba hat Ernest die Zeitschrift Cancha abonniert. Das mexikanische Heft trägt den Untertitel Revista Quincenal de Pelota Vasca. Das vierzehntägliche Magazin über das baskische Pelota-Spiel. In Cancha erklärt Hemingway im Jahr 1945 seine Faszination für den baskischen Nationalsport. Es sei ein großartiger Wettkampf, spektakulär und voller Passion. Dazu schnell und brachial, wie kein anderer Sport, den er kennt.

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Ernest Hemingway auf Kuba ist Abonnent der mexikanischen Pelota-Zeitschrift Cancha.

Ernest Hemingway kommt ins Schwärmen. Jai Alai is the format of pelota that attracts me most. Perhaps because it’s the one I’ve seen most times and among whose players are to be found my oldest and best friends. Seine besten und ältesten Freunde seien Pelotari und er habe unzählige Wettkämpfe beobachten können.

Jai Alai – auf Baskisch: fröhliches Fest – ist eine Variante des baskischen Pelota-Spiels, das Auswanderer aus Nordspanien auf die karibische Insel gebracht haben. Das Match beruht auf das Werfen des Balles gegen eine Wand. Anstatt eines Schlägers verwendet jeder Spieler eine schmale korbförmige Verlängerung an seinem Wurfarm, was eine

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Ernest Hemingway findet seinen Seelenfrieden am Jakobsweg

Hemingway 
Sanfermines
Jakobsweg
Ernest Hemingway sucht die Stille. Im Sommer 1959 nahe von San Ildefonso. Und er schreibt. Photo Credit: Ernest Hemingway Collection at the John F. Kennedy Presidential Library and Museum, Boston.

Pamplona im Juli ist die Hölle. Sonntagmittag, 6. Juli, explodierte die Fiesta. Anders kann man das nicht nennen. Der Amerikaner Ernest Hemingway wird von dieser Explosion gepackt, mit Fiesta hat er einen ganzen Roman darüber geschrieben. Die Sanfermines beginnen alljährlich am 6. Juli mit dem Chupinazo, am Mittag, wenn 12 Feuerwerksraketen vom Rathaus-Balkon abgeschossen werden. Und endet nach acht Tagen stets am 14. Juli um Mitternacht mit dem Klagelied Pobre de mí. Ach, ich arme Seele.

Nüchtern betrachtet, aber wer tut das schon, sind die Tage Mitte Juli in Pamplona seit dem Jahr 1324 eine Feierlichkeit zu Ehren des Heiligen Firminus. Man tanzte und trank unentwegt, und der Lärm nahm kein Ende – so fasst Ernest Hemingway das Fest zusammen. Acht Tage und Nächte mit morgendlichen Bullenläufen, Prozessionen, mit Musikkapellen, den Tänzen, mit den Umzügen der Gigantes und den Großköpfen der Cabezudos, dazu die Peñas, die Freundeskreise, die mächtig Radau machen. Und am späten Nachmittag die Stierkämpfe.

Die Sanfermines sind ein Mordskrach rund um die Uhr. Ein dröhnender Trubel, der in die Knochen geht. Ernest Hemingway gleicht den Rummel aus, indem er vor oder – noch lieber – nach der Fiesta die Geräuschlosigkeit in den nahen Pyrenäen sucht. Der Schriftsteller nimmt er sich eine Auszeit und fährt hinein in die Stille der Berge. Die Sierra de Abodi und das Valle de Aezkoa sind sein Ziel. Am Rio Irati und Rio Urrobi will er seiner Leidenschaft, dem Angeln, nachgehen.

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Bei Aribe ist der Irati noch ein kleiner Bergbach. Foto: W. Stock, 2024.

Hemingways Paradies fängt nur eine Autostunde nördlich von Pamplona an, dreimal hat sich der US-Autor in Burguete im einfachen Hostal Burguete einquartiert. Von hier ist es nicht mehr weit bis zur Selva de Irati. Bereits im benachbarten Aribe führt der Irati so viel Wasser, dass es zu einem Bergbach reicht. Das Wasser des Irati ist klar und quellrein, die Forellen warten und freuen sich auf Ernest.

Wir blieben fünf Tage in Burguete und angelten mit Erfolg. Die Nächte waren kalt, und die Tage waren heiß, und selbst in der Hitze des Tages wehte immer eine Brise. Es war heiß genug, dass es angenehm war, in einen kalten Bach zu waten, und die Sonne trocknete einen, wenn man herauskam und sich ans Ufer setzte. An einem Bach fanden wir eine Stelle, wo es tief genug zum Schwimmen war.

Es ist die Gegend unterhalb der Passwege, an der auch drei Wanderrouten des Camino de Santiago verlaufen. Dieser Streckenabschnitt des Jakobswegs gilt als einer der schönsten. Sowohl der Camino Francés, als auch der navarrische Jakobsweg und der Camino Aragonés führen durch die abgeschiedene Natur am Fuße der Westpyrenäen.

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Am Monasterio Roncesvalles geht eine der schönsten Strecken des Jakobswegs vorbei. Foto: W. Stock, 2024.

Das gotische Monasterio Roncesvalles kennt Ernest Hemingway gut. Es liegt nur ein paar Minuten nördlich von seiner Unterkunft in Burguete. In dem ehemaligen Augustinerkloster Real Colegiata liegen die Gebeine des 1234 verstorbenen Königs Sancho El Fuerte. Heute dient das mönchlose Kloster als Rast- und Übernachtungsstation für die Pilger auf dem Jakobsweg. Man muss nur die Augen aufmachen vor der Schönheit der Schöpfung.

Der Weg kam aus dem schattigen Wald in die heiße Sonne. Vor uns lag ein Flusstal. Jenseits des Flusses war ein steiler Berg. Auf dem Berg ein Buchweizenfeld. Wir sahen ein weißes Haus unter ein paar Bäumen auf dem Hang. Es war sehr heiß, und unter ein paar Bäumen neben einem Wehr, das den Fluss kreuzte, machten wir halt.

Die Gebirgsgegend in Navarra Nafarroa beeindruckt mit seiner makellosen Unberührtheit, mit einem Meer aus Grün, den einsamen Waldgebiete, den saftigen Viehweiden und mit den zahlreichen kleinen Gebirgsbächen. Die Wander- und Pilgerwege durchlaufen winzige Ortschaft, mit nur wenigen Bewohnern. Ansonsten Wald und Flur, die urwüchsige Ordnung der Natur. Die Pyrenäenausläufer mit den dichten Hainen und den klaren Bächen erinnern ihn an den Schwarzwald, den er von einer Sommerreise im August 1922 kennt.

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Unterhalb von Arce Nagore weitet sich der Rio Urrobi zu einem breiten Gewässer aus und vereint sich mit dem Rio Irati zum stattlichen Speichersee Embalse de Itoiz. Foto: W. Stock, 2024.

Im Gebiet der nordspanischen Pilgerwege des Heiligen Jakobus findet Ernest Hemingway, der zeitlebens ein Suchender und seelisch Zerrissener gewesen ist, einen kleinen Frieden mit sich. Wie jede zwiegespaltene Persönlichkeit, die zwischen dunklem Schwarz und hellem Weiß springt, so muss er

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Ernest Hemingway und sein Seelenhirte Padre Andrés

Im Baskenland geht für viele der Blick übers Meer. Das Glück muss in der Ferne gesucht werden. So auch bei dem Priester Andrés Untzaín aus Mundaka. Skulptur in Bermeo. Foto: W. Stock, 2024.

Zum Freundeskreis des Schriftstellers auf Kuba gehört der baskische Priester Andrés Untzaín. Wegen seines schwarzen Priestergewandes ruft Ernest ihn liebevoll Don Black. Don Black stammt aus Mundaka, einem Küstenflecken 40 Kilometer nordöstlich von Bilbao. Es ist eines der ältesten Dörfer Spaniens, hier wird Andrés Untzaín im August 1895 geboren.

Nach seiner Priesterweihe übernimmt er die Kirchengemeinde von Kanala, das auf der anderen Seite des Rio de Mundaka liegt. Kanala, damals schrieb man es auf Spanisch als Canala, ist ein hübsches Fleckchen am Meeresarm der rauen baskischen Küste mit Blick auf den Naturschutzpark Reserva de la Biosfera de Urdaibai.

Bei Ausbruch des Bürgerkrieges 1936 steht der Pastor fest auf republikanischer Seite, er wird Militär-Kaplan des baskischen Saseta-Bataillons. El cura rojo – der rote Priester – so nennen ihn die Franco-Getreuen in der Region abfällig. Als die Putschisten im August 1937 das Baskenland einnehmen, flieht Padre Andrés zunächst nach Frankreich. Die Rache der Franquisten macht auch vor Kirchenautoritäten nicht halt. Viele Pfarrer und Nonnen werden erschossen oder ins Gefängnis geworfen.

Ende 1937 erreicht Andrés Untzaín Havanna, wo eine Schwester von ihm lebt. Auf Kuba wird der rote Priester von der dortigen Amtskirche mit Argwohn betrachtet und so setzt man ihn auf eine bitterarme und entlegene Kirchengemeinde, jene von Catalina de Guines und Melena del Sur. Im Jahr 1942 wird er Presbyter und leitet die Pfarrgemeinde von Guara, 40 Kilometer südlich der Hauptstadt. Bei seinen Schäfchen ist der Pastor, von kräftiger und großer Gestalt, überaus beliebt.

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Ein Freundestrio: Ernest Hemingway mit den Basken Juan Duñabeitia (links) und Padre Andrés Untzaín (mit Glas) auf Finca Vigía, Kuba 1947.

Der Kirchenmann bleibt ein baskischer Nationalist durch und durch. Als der Exil-Präsident des Baskenlandes José Antonio de Aguirre der Insel Kuba einen Besuch abstattet, mischt Padre Andrés an vorderster Front mit. Die Daheimgebliebenen spüren währenddessen die Unterdrückung in der Diktatur von General Franco. Ihre Sprache wird verboten, ebenso wie alle baskischen Symbole und die regionalen Parteien.

Padre Andrés Untzaín ist ein Priester, wie man ihn sich wünscht. Umgänglich, leise, offen, er mag den Wein und gutes Essen. Ein Gottesmann, ganz von dieser Welt. Oft besucht er den Frontón des Jai Alai, ohne Soutane, mit einer Zigarre im Mund, in der Hand einen Jaibol, einen Likör mit Wasser, Soda oder einen bloßen Refresco. Und der Priester schaut andauernd nervös auf seinen Wettschein.

Jeden Mittwochnachmittag kommt Don Black zur Finca Vigía. Mit den anderen baskischen Freunden –  den Brüdern Patxi und Julián Ibarluzea, Félix Areitio, bekannt unter dem Spitznamen Ermua, Paco Garay, Juan Duñabeitia – geht es feucht und fröhlich zu. Man isst reichlich, trinkt mehr als üblich, springt in den Pool, schwelgt in Erinnerungen und der Krieg gegen General Franco wird dann irgendwie doch noch gewonnen.

Ein wenig kommt Don Black die Rolle des Seelenhirten von Ernest Hemingway zu, manchmal auch die eines Beichtvaters. Der Schriftsteller ist kein gottesgläubiger Mensch, er ist vielmehr einer von jener Sorte Atheist, der andauernd von Gott redet. Kommt er neu in eine Großstadt, dann ist die Besichtigung der Kathedrale eine Selbstverständlichkeit.

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Padre Andrés Untzaín zu Besuch bei Ernest auf der Finca Vigía beim Fachsimpeln über das Pelota-Spiel.

Ernest Hemingway geht die Selbstgewissheit des Katholizismus ab, er bleibt zeitlebens ein Suchender. Jemand, der spürt, dass über den Gesetzen der Natur eine höhere Macht steht. Er möchte diese Autorität begreifen, sie entschlüsseln und in Kontakt mit ihr treten. Mit seinem Freund Andrés Untzaín kann der Schriftsteller über die Ideenwelt des Ignatius von Loyola philosophieren, die Ideenwelt der Jesuiten stößt bei beiden auf Interesse.

In seinem letzten Lebensjahr schreibt Ernest Hemingway in einem Brief an Malcolm Cowley über seine Freundschaft mit dem Priester. Auf Kuba sei Andrés Untzaín einer seiner drei besten Freunde gewesen. Deshalb habe er auch ein Dach für seine Kirchengemeinde gestiftet. Don Andrés, der Gemeindepfarrer auf Kuba, pflegte den Leuten zu sagen, dass er mein geistlicher Lehrer sei. Aber bei mir ist nichts zu gewinnen, außer beim Rennen.

Mit den Jahren auf Kuba mehren sich beim Pater die Probleme mit der Gesundheit. Er geht 1954 zurück in sein baskisches Heimatdorf. Als Pensionär, im Casino von Mundaka, überrascht ihn beim Kartenspiel ein Herzinfarkt. Andrés Untzaín stirbt im Oktober 1955 und wird seiner Heimaterde übergeben.

Als Hemingway im August 1959 in Bilbao weilt, macht er einen Abstecher nach Mundaka. Dort trifft der Nobelpreisträger

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Ernest Hemingway taucht ab in San Sebastián

Eine Bucht, wie vom Künstler gemalt. Die Bahía de la Concha vor San Sebastián. Foto: W. Stock, April 2024.

Der Amerikaner aus Chicago besitzt seit jeher ein Faible für das Meer und für die Städte am Meer. Sein Leben lang zieht es ihn hin zu seinem geliebten blauen Wasser. Einer seiner Lieblingsplätze am Meer liegt im Golf von Biskaya. Ein altes Foto aus dem Jahr 1927 zeigt Ernest Hemingway mit seiner zweiten Ehefrau Pauline in San Sebastián, am Strandabschnitt dieser Muschel-Playa. Er mag die Bahía de la Concha sehr, wie er in seinem Erstling Fiesta verrät.

Als ich aufwachte, war es halb fünf. Ich nahm meinen Badeanzug, wickelte ihn und einen Kamm in ein Handtuch, verließ das Hotel und ging die Straße zur Concha hinunter. Die Flut war etwa zur Hälfte hinaus. Der Strand war glatt und fest, der Sand gelb. Das ganze letzte Kapitel von Fiesta findet in San Sebastián statt.

Jake Barnes, der Protagonist und das Alter Ego Hemingways, kommt in die baskische Küstenmetropole und atmet durch. Nach dem siebentägigen Encierro in Pamplona genießt er an der Küste die Ruhe. Ganz im Einklang mit der Natur. Er schwimmt, er erkundet die Stadt. Alleine. Er taucht ab in diese mondäne Melange aus Spanien und Frankreich. Ihm tut sein Aufatmen gut nach dem krawalligen Wirbel der Sanfermines. Jake besucht die Parte Vieja der Stadt, den Puerto um die Landspitze herum und das Casino. Die Nachmittage verbringt er am liebsten im Café de la Marina.

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Ernest Hemingway und seine Ehefrau Pauline Pfeiffer im September 1927 am Strand von San Sebastián. Credit Line: Ernest Hemingway Collection. John F. Kennedy Presidential Library and Museum, Boston.

Es ist in San Sebastián, wo Ernest Hemingway im Jahr 1927 das Pelota-Spiel kennenlernt. Der US-Amerikaner wird zu einem begeisterten Anhänger dieses schnellen baskischen Ballspiels und oft findet man ihn in San Sebastián im Frontón Jai Alai, das allerdings im Jahr 1932 seine Pforten schließen musste.

Am Meer lässt sich exzellent speisen, das gute Essen gehört seit eh und je zur baskischen Identität. Das gastronomische Niveau liegt hoch im Norden Spaniens. Gegrillter Lachs mit Sauce béarnaise ist eine von Hemingways Lieblingsspeisen. Im Restaurant Azaldegui, das es heute nicht mehr gibt, hat der Schriftsteller die Regionalküche von San Sebastián, das heute auf Baskisch Donostia heißt, in vollen Zügen genossen.

Im Jahr 1953 trifft Ernesto im Café de la Marina seinen alten Freund Juanito Quintana aus Pamplona, der in der Calle de San Bartolomé eine Ferienwohnung besitzt. Ich ging unter den Bäumen um den Hafen herum zum Casino und dann eine der kühlen Straßen hinauf zum Café Marinas. Im Café spielte ein Orchester, und ich setzte mich draußen davor, genoss die frische Kühle an diesem heißen Tag und trank ein Glas Zitronensaft mit geschabtem Eis und dann einen Whisky mit viel Soda. Ich blieb lange vor dem Marinas sitzen und las und beobachtete die Leute und hörte der Musik zu.

Das Café de la Marina in der Calle Garibai 2 ist heute eine Eisdiele. Auch die Hotels, in denen Hemingway in den 1920er Jahren abstieg, gibt es nicht mehr. Das Hotel Biarritz und das Hotel Suizo sind nicht mehr da. Im Sommer 1959 steigt der Nobelpreisträger im Hotel María Cristina ab. Dieser Luxusbau, im Paseo República de Argentina 4, existiert noch heute. Ob es noch ein Gedenken an Ernest Hemingway gebe, frage ich an der Rezeption. Die Dame schüttelt den Kopf. Er ist Gast bei Ihnen gewesen, bohre ich weiter. Nein, nein, es gibt nichts.

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Innen ist das Hotel María Cristina ein kleiner Palast. Nach außen blickt die Luxusherberge auf das Kantabrische Meer und den Rio Urumea. Foto: W. Stock, April 2024.

Die Region agiert als Schauplatz des letzten Kapitels von Fiesta. Im Werk schwärmt er von der Bahía de Txingudi, der Bucht am französischen Ufer der Bidasoa-Mündung, die Grenzlinie zwischen Frankreich und Spanien. Selbst an einem heißen Tag hat San Sebastián immer etwas Frühmorgendliches. Das Laub an den Bäumen scheint nie ganz vertrocknet. Die Straßen wirken wie frisch besprengt. In manchen Straßen ist es auch an den heißesten Tagen immer kühl und schattig. 

San Sebastián strahlt etwas aus, wie alle Städte am Meer. Eine Offenheit nach draußen, mit vielen Veränderungen, die über den Ozean kommen. Eine Buntheit, die Lust aufs Leben macht. Zugleich allerdings verflüchtigen sich im regen Treiben die Erinnerungen und die Gebräuche. Im Gegensatz zur Provinz besteht eine größere Gefahr, dass man ein wenig nachlässig umgeht mit seiner Tradition.

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Das Wunder am Jakobsweg: Ernest Hemingway und das Piano von Burguete

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Burguete
Im schlichten Hostal Burguete hat Ernest Hemingway auf seinem Weg zum Rio Irati mehrmals übernachtet. Und während seines Besuches in dem Pyrenäendorf Burguete trägt sich Magisches zu. Foto: W. Stock, 2024.

Im Juli 1923 machen sich Hemingways Romanfiguren Jake Barnes und Bill Gorton mit dem Bus auf ins ländliche Hinterland von Pamplona, um im Bergbach Irati viele Bachforellen zu angeln. Das Ziel der beiden Freunde: der baskische Marktflecken Burguete. In seinem Erstling Fiesta aus dem Jahr 1926 erzählt der Amerikaner ausführlich über den Ausflug seiner Protagonisten in die Pyrenäen.

Die grüne Ebene dehnte sich. Sie war von Zäunen durchschnitten, und das Weiß der Straße schimmerte zwischen den Stämmen der Doppelreihe von Bäumen, die nach Norden hin die Ebene kreuzte. Als wir ans Ende der Anhöhe kamen, sahen wir die roten Dächer und weißen Häuser von Burguete vor uns in der Ebene aufgereiht und in der Ferne an der Flanke des ersten dunklen Bergs das graue, mit Metall verkleidete Dach des Klosters von Roncesvalles.

Die beiden Freunde finden Unterschlupf im Hotel Burguete, wo Hemingway 1924, 1925 und 1931 absteigt. Es ist einfaches Landgasthaus, heute heißt es Hostal Burguete. Welches Zimmer Hemingway zugewiesen bekommt, lässt sich nicht mehr zweifelsfrei nachvollziehen, zumal das Hotel in den 1930er Jahren aufgestockt worden ist. Es könnte die Kammer mit der Nummer 8 sein, heute ist es die Numero 23. Da Hemingway der einzige Gast gewesen ist, müsste es das beste Zimmer in der oberen Etage, mit Ausblick auf den Pyrenäenkamm gewesen sein.

Aus diesem Raum fällt der Blick auf das weiter nördlich gelegene Dorf Roncesvalles, dessen Augustinerkloster aus dem Jahr 1132 – die Real Colegiata de Santa María – den Pilgern des Camino de Santiago als Rast- und Übernachtungsstation dient. Der Marsch über die Pyrenäenpässe wird von den Jakobspilgern gerne genutzt, um die Küstenroute mit den vielen Flussüberquerungen zu vermeiden. In Roncesvalles laufen gleich drei Wanderstrecken des Jakobswegs zusammen, von hier sind es noch 700 Kilometer bis zur Grabeskirche des Apostels Jakobus in Santiago de Compostela. Gerne machen die Pilger auch im Hostal Burguete Rast, das 12 Doppelzimmer zur Übernachtung anbietet. 

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Bunte Landkarten zeigen im Hostal Burguete die Pilgerstrecke von Roncesvalles nach Pamplona, für die man zwei Tage braucht. Foto: W. Stock, 2024.

Marieta, die damalige Besitzerin des Hotel Burguete, beschreibt Hemingway in seinem Roman Fiesta durchaus mit einem feinen Schuss Spott. Heute wird das Hostal in der Calle San Nicolás 71 von Marietas Urenkel Iñaki Urdiduz geleitet. In Hemingways altem Zimmer hängt ein Portrait von ihm. Im Erdgeschoss gibt es ein Klavier, an das sich Bill setzt und spielt, so beschreibt es Ernest in Fiesta.

Wir wuschen uns, zogen Pullover an und gingen nach unten in den Speiseraum. Der hatte einen Steinfußboden, eine niedrige Decke und eichenvertäfelte Wände. Die Fensterläden standen alle offen, und es war so kalt, dass man seinen Atem sehen konnte. (…) In einer Ecke hinter den Holztischen stand ein Klavier, und Bill ging hin und begann zu spielen. „Ich muss mich warm halten“, sagte er.

Fiesta ist in weiten Teilen autobiografisch, wenn auch leicht verfremdet. Jedenfalls ist Ernest Hemingway wirklich in Burguete gewesen ist, allerdings mit Hadley. Wahrscheinlich ist es seine Ehefrau, die das Klavier gespielt hat, sie beherrscht das Instrument seit Jugendtagen. Das Klavier steht noch heute da, im Frühstücksraum mit der dunklen Holztäfelungen. Wenn man die Tastenklappe öffnet, kann man eine Gravur entdecken:

E. Hemingway
25 – 7 – 1923

Höchstselbst habe der Schriftsteller sich mit seinem Namen auf dem Korpus des Klaviers verewigt, sagt Iñaki. Mit einem spitzen Messer, selbst eingeritzt. Bei seinem ersten Besuch im Jahr 1923. Danach sei er nochmals drei weitere Male nach Burguete gekommen und habe im Hostal übernachtet.

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Ein wenig scheint der Radiergummi über die letzte Silbe beim Namen Hemingway am Klavier im Hostal Burguete gefahren zu sein.

Doch würde ein Amerikaner das Datum so schreiben? Wohl eher 7 – 25 – 1923. Und dann kommen weitere Zweifel. Ernest erster Besuch in Burguete ist für das Jahr 1924 belegt, mit seiner Ehefrau Hadley und zwei Freunden, dem Journalisten-Kollegen Bill Bird und dem Verleger Robert McAlmon.

Auch kommt einem das Piano aus dem Hostal Burguete wie ein richtiges Wunderding daher. Denn am 25. Juli 1923 ist Ernest Hemingway nachweislich in Paris gewesen. Irgendwie erscheint diese Gravur als ein Werk der Metaphysik. Als der US-Autor Robert F. Burgess das Hostal im Jahr 1997 besucht und die Gravur stolz gezeigt bekommt, reibt er sich verwundert die Augen.

E. Heminway
25 – 7 – 1923

steht da. Da konnte jemand Hemingways Name nicht richtig schreiben, sagt Robert zu Iñaki. Der Name Hemingway ist in der Tat

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Das Lieblingsgericht des Ernest Hemingway in Pamplona

Deftiges wie der Jamón Ibérico und Fritiertes mit den Galletas und all die variablen Croquetas kommen in Pamplona auf den Tisch. Foto: W. Stock, April 2024.

Jacob Barnes, Robert Cohn und die Freunde Bill, Mike und die verführerische Lady Brett Ashley bringen in Hemingways Debutroman Fiesta ihre Probleme und Traumata mit in das Baskenland. Gefühlschaos, Seitensprünge, Alkoholismus und Obsessionen. Man nennt sie die Verlorene Generation, wegen des Werte-Dammbruchs, verursacht durch den Ersten Weltkrieg. Alle Ideale sind im Pulverdampf der Schützengräben verglüht, neue Ideen, eine Sichtweise, neue Inspirationen werden verzweifelt herbeigesehnt.

Die Truppe wird geerdet in Pamplona. Nicht unbedingt die Protagonisten der Erzählung, jedoch ihr Verfasser. Die Zeit scheint wie angehalten in Pamplona. Man feiert, trinkt und isst, so wie man auch vor dreihundert Jahren gefeiert und gegessen hat. Da hetzt man dem Neuen und Unbekannten hinterher, und merkt dann irgendwann, es ist das Bewährte und Althergebrachte, das für den inneren Frieden sorgt. Die Stille der Natur, die alten Gebräuche, die angestammten Umgangsformen und die traditionellen Speisen.

Ernest ist von Paris verwöhnt, doch die baskische Gastronomie ist in Qualität und Vielfalt nochmals ein Stück näher der Natur. Und Ernest schwärmt von den Meeresschnecken, den Tintenfische, den Garnelen, von den Jungfisch-Aalen nach Bilbao-Art, von den Koteletts mit Paprika, von den Sardellen und dem gebratenen Lachs mit Sauce Béarnaise, vom Thunfisch und dem Steinbutt.

Kulinarisch hält Euzkadi, wie die Region heute heißt, nicht hinter dem Berg. Seine baskischen Lieblingsgerichte erwähnt er in Wem die Stunde schlägt und in Der gefährliche Sommer. Der Amerikaner mag die deftige baskische Küche. Ein estofado de toro, den cordero en chilindrón, ein paar magras de jamón con tomate, es ist kulinarisch seine Welt. Stiergulasch, Lamm in Paprikaschoten, mageren Schinken mit Tomaten. Dazu stets den guten Wein aus  Navarra.

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Das Ajoarriero Estilo Iruña mit pochiertem Ei ist für den schnellen Hunger vor einer weinseligen Fiesta. Foto: W. Stock, April 2024.

In der ehemaligen Casa Marceliano in der Calle Mercado sind heute Behördenbüros untergebracht. Das Restaurant musste im Jahr 1993 die Pforten schließen, nun arbeiten hier Beamte der Stadtverwaltung. Früher war dies eine klassische Taverne, direkt rechts neben der Kirche Iglesia de los Padres Dominicos. Der Amerikaner hat hier gerne zu Mittag gegessen.

Nachdem Hemingway während der Sanfermines von 1926 dieses Lokal entdeckt hat, wird es sein Favorit. Manchmal wird bis in die Morgenstunden gefeiert. Im Jahr 1953 schreibt er: In Pamplona hatten wir unsere geheimen Orte wie die ‚Casa Marceliano‘, wohin wir nach dem ‚encierro‘ zum Essen, Trinken und Singen gingen. Das Holz der Tische und Treppen ist so sauber und geschrubbt wie das Deck oder Teakholz einer Yacht, mit dem Unterschied, dass die Tische schrecklich mit Wein bekleckert sind.

Seit seinem ersten Besuch in der Casa Marceliano schwärmt der Amerikaner vom Bacalao al Ajoarriero, einem typischen Gericht aus Navarra. Es wird zu seinem Lieblingsgericht. Ein entsalzter, in Stücke zerkleinerter Kabeljau in einem Sud aus Tomaten, Paprika, Knoblauch, Zwiebeln, Olivenöl und Petersilie. Dazu pochierte Eier. Der Bacalao al Ajoarriero ist ein volkstümliches Eintopf-artiges Schnellgericht, ideal als kleine Mahlzeit in einer Gruppe von Freunden oder in Familie.

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Ein Himmelreich aus Vanille. Die Torrija im Café Iruña stellt so ziemlich jeden Nachtisch in den Schatten. Foto: W. Stock, April 2024.

Nun ist der herbe, fischige Geschmack nicht jedermanns Sache. Man muss danach die dominante Würze des Stockfisches gründlich löschen, mit rotem Hauswein aus Navarra beispielsweise, oder mit einer süßen Nachspeise aus der Region. Die Empfehlung kann hier lauten: Eine Torrija con helado de vainilla. Eine Tunkschnitte, ähnlich

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Im ‚Txoko‘ von Pamplona fühlt sich Ernest Hemingway wohl im Leben

Das Txoko auf der Plaza del Castillo von Pamplona. Foto: W. Stock, April 2024.

Von dieser Bar gibt es Dutzende Fotografien mit Ernest Hemingway, meist umrundet von Freunden und Bewunderern. Und man sieht einen glücklichen Schriftsteller aus Chicago, der auf der Terrasse der Bar Txoko von Pamplona sitzt und sich wohl fühlt im Leben. Diese Taverne befindet sich in der südlichen Ecke der Plaza del Castillo Nummer 20, dort wo die Calle Espoz y Mina auf den großen Platz einmündet.

Das Txoko steht unterhalb des ehemaligen Hotels Quintana, für den US-Amerikaner ist die Bar so etwas wie der vorgelagerte Speisesaal des Hotels gewesen. Auch Miss Mary verrät in ihren Memoiren How it was, dass im Txoko traditionell gefrühstückt wurde und es das Lieblingslokal von ihm gewesen sei. „Unser öffentliches Leben spielte sich in der Bar Choko ab, unter den Arkaden vor dem Hotel, das einmal Juanito Quintana gehört hatte.“

Im Spanischen heißt das Lokal Bar Choco, unter diesem Namen hat sie Ernest Hemingway in den Jahren 1953, 1956 und 1959 gekannt. Txoko auf Baskisch, die Basken sind stolz auf ihre Sprache. Zurecht, es ist ein kleines idiomatisches Juwel, von nur 700.000 Menschen im spanischen Norden gesprochen. Das Baskische ist in Europa die einzige isolierte Sprache, sie ist mit keiner anderen bekannten Sprachfamilie verbunden. Deshalb bleiben wir beim Txoko.

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Das Txoko, ein Favorit von Ernest Hemingway im baskischen Pamplona. Foto: W. Stock, April 2024.

Seit 1920 gibt es das Txoko. Berühmt sind die Picoteos, kleine Apetithäppchen, die anderswo Pintxos genannt werden. Croquetas, Calamar, Pollo con Salsitas, den Jamón Ibérico, Migas de Pastor, Calabacín, eine Zucchini mit Käse und Honig. Die Preise sind nicht zu teuer und nicht zu billig, wie jede gute Bar zieht sie die Menschen über alle Schichten und Geschichten an. Die Geschäftsleute, den Händler, den Touristen und auch die Pilger auf dem Jakobsweg.

Unter großen weißen Sonnenschirmen sitzen die Gäste und beobachten das Treiben auf der Plaza. Über dem Eingang prangt Café Bar Txoko, zwei breite Flügeltüren geben den Eingang zur Schänke frei. Auf der Karte tummeln sich, sagen wir, solides Mittelmaß. Das Txoko scheint eher eine Bar für den schnellen Cortado und den kleinen Tinto.

Ernest Hemingway ist noch präsent, wie kann es anders sein. Auch wenn diese Bar die Erinnerung an ihn langsam verblassen lässt. Viele Besucher kommen vorbei und bestellen das gleiche wie er. Sein Lieblingsgetränk sei der Vanilla Milkshake mit Cognac gewesen, meint der Wirt. Aha!

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Bocadillos und Picoteos gehören zu den Spezialitäten der Bar Txoko in Pamplona. Foto: W. Stock, 2024.

Im Jahr 1959, bei seinem letzten Besuch bei den Sanfermines, ist es für Ernesto, als erlebe er aufs Neue die 1920er Jahre: Das Land unverdorben vorzufinden und es noch einmal mit den Personen, die mich begleiteten, genießen zu können, machte mich so glücklich wie nie zuvor, und all die Menschenmassen und modernen Neuerungen in Pamplona waren bedeutungslos dagegen. 

Diese Reise zurück in die Jugend hat Ernest Hemingway in seinem Buch The Dangerous Summer – zu Deutsch: Gefährlicher Sommer – festgehalten. Er ist wieder da in Pamplona, sitzt auf der Terrasse des Txoko und ist

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Ernest Hemingway trägt Pamplona im Herzen – und umgekehrt

Alles dreht sich um den Stier in Pamplona. Und ein US-Schriftsteller spielt dabei eine tragende Rolle. Foto: W. Stock, April 2024.

Das Herz des Hemingway’schen Baskenlandes schlägt in Pamplona. Zwischen 1923 und 1959 hat er die Stadt zehnmal besucht, mit einer langen Pause von zwei Jahrzehnten nach dem verlorenen Bürgerkrieg. Ab 1953 ist der Schriftsteller dann wieder regelmäßig in Nordspanien. Der alljährliche Bullenauflauf der Sanfermines Mitte Juli bleibt ein heiliger Termin in seinem Kalender. Rund um die Plaza del Castillo spielt sich die Welt des Ernest Hemingway ab.

Pamplona – in der baskischen Sprache: Iruña ist die Hauptstadt der autonomen Region Navarra. Vieles hat sich in den letzten hundert Jahren zum Besseren verändert, anderes aus Hemingways Zeit ist leise verschwunden. Die Bar Torino, das Café Kutz, das Café Suizo, die Casa Marceliano in der Calle Mercado. Und das Hotel Quintana oder sein Lieblingsrestaurant Las Pocholas im Paseo Sarasate.

Das Café Iruña trotzt den Widrigkeiten der Zeitläufte. Besonders das Iruña ist ein Fixstern, wenn man seinen Hemingway-Weg in Pamplona ablaufen will. Es kann einen ziehen zur Calle Eslava Nummer 5, zu einer billigen Pension, wo er gewohnt hat als er es nicht so dicke hatte. Oder gleich zur Plaza de Toros, zu der in diesen Tagen ein Paseo Hemingway führt.

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In Pamplona werden die Tage, Stunden, Minuten und Sekunden bis zur Eröffnung des Spektakels im Juli herunter gezählt. Foto: W. Stock, April 2024.

Die Zeit scheint wie angehalten in Pamplona, auf eine merkwürdige Art und Weise retardiert. Die Basken sind ein eigenwilliges Volk, sehr auf Eigenständigkeit und Selbstbestimmung bedacht. Mit großem Stolz auf die eigene Sprache und Kultur. Als Volk, dessen Vorfahren überwiegend aus Fischern und Seefahrern entstammt, besitzen sie einen ausgeprägten Sinn für Unabhängigkeit und Störrigkeit. Charaktereigenschaften, die Ernest Hemingway nicht nur gefallen, sondern auch seinem eigenen Wertesystem entstammen.

Ernest Hemingway wirkt wie ein Magnet. Besonders die Amerikaner werden vernarrt in die Sanfermines. Berühmtheiten kommen. Orson Welles, Arthur Miller, Inge Morath, der Nobel-Kollege Derek Walcott. Und dieser New Yorker James A. Michener, der so schöne dicke Bücher schreiben kann. Tausende Besucher kommen im Juli nach Pamplona, viele aus Übersee. Manche in der Stadt jedoch sehen die Meriten des Amerikaners aus einem Vorort von Chicago kritisch.

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Paseo de Hemingway. Der Amerikaner bekommt in Pamplona seinen Flanierweg, der zur Stierkampf-Arena führt. Foto: W. Stock, April 2024.

Er sei dafür verantwortlich, aus dem Volksfest einen Bullen-Ballermann gemacht zu haben. Aus Jux hat man Ernest Hemingway im Juni 2023, zu seinem Hundertjährigen, den Prozess gemacht. Vor einem fiktiven Gericht, mit Ankläger, Verteidigung, Geschworenen und Richter. Sein Roman Fiesta sei dafür verantwortlich, dass Horden von Touristen einfallen und dem Volk das Volksfest vermiesen. Nein, nein, meint die Verteidigung, Hemingway habe Pamplona und seine Kultur in der Welt bekannt gemacht und die Wirtschaft angekurbelt. Das Votum der Jury fällt knapp aus. Ernesto wird freigesprochen.

Einig sind sich alle, eine bessere Werbefigur wie Hemingway kann es nicht geben. Zu Anfang des 20. Jahrhunderts ist Spanien Terra incognita gewesen, ein weitgehend unbekanntes Land am Rande Europas hinter den hohen Pyrenäen. Da muss erst ein US-Amerikaner kommen und schreiben über diesen Landstrich. Zum Glück kann er gut beobachten und tief einsteigen in die Kultur und Gepflogenheiten seines Gastlandes.

Solch ein Hemingway-Bummel durch Pamplona endet am besten an der Plaza de Toros, die im Jahr 1920 eingeweiht wurde. Am Ende der Gasse, die heute als Paseo de Hemingway seinen Namen trägt, thront eine Liebeserklärung in Stein. Vor dieser weltweit viertgrößten Stierkampf-Arena weiht

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Mittendrin und ein Teil davon – Ernest Hemingway im ‚Café Iruña‘ von Pamplona

Das Café Iruña in Pamplona, die gute Stube der Stadt. Foto: W. Stock, April 2024.

Wir tranken im ‚Iruña‘ unseren Kaffee, saßen in den bequemen Korbstühlen und schauten aus der Frische unter den Arkaden auf den großen Platz. Die Korbstühle sind, über hundert Jahren später, neu und immer noch bequem und die Plaza del Castillo nach wie vor noch gewaltig. Das Café Iruña in Pamplona spielt die heimliche Hauptrolle in Ernest Hemingways Erstling The Sun Also Rises. Denn dieses Café Iruña dient den Besuchern aus Übersee als Stützpunkt, von dem sie ausschwärmen in diese merkwürdige Sphären Nordspaniens.

Jacob Barnes und die Freunde kommen aus Paris, wir schreiben das Jahr 1923. Die quirlige Stadt an der Seine ist für einen Amerikaner eh schon die Vorhalle zum Paradies, doch das Baskenland mit einer rustikalen Archaik kann die Pariser Schüttelglas-Drolerie locker übertrumpfen. Nach nur ein paar Zugstunden werden die jungen Leute in einen isolierten Landstrich geworfen, in eine Terra incognita, die geheimnisvoll und sonderbar daher kommt.

So sieht unbekanntes Land aus. Jenseits der Pyrenäen pflegen die Bewohner mittelalterliche Riten und hetzen Bullen durch die engen Gassen der Altstadt. Stossgebete werden in einer knorrigen Sprache gen Himmel geschickt, und ganz normale Frauen und Männer tanzen wie außer Rand und Band zum Trommelwirbel, mit Kränzen aus Knoblauch um den Hals. Über die ganze Szenerie legt sich der Anflug eines ungewöhnlichen Zaubers.

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Die Zeit scheint wie gefroren im Café Iruña von Pamplona. Foto: W. Stock, April 2024.

Nach dem Essen gingen wir hinüber ins Iruña. Es war schon ziemlich voll, und als der Beginn des Stierkampfs nahte, wurde es noch voller, und die Tische wurden dichter zusammengeschoben. Ein dichtes Summen lag in der Luft, wie jeden Tag vor einem Stierkampf. Dieses Geräusch herrschte zu keiner anderen Zeit in dem Café, ganz gleich, wie voll es war. Das Summen hielt sich, und wir waren mittendrin und ein Teil davon.

Alles ist so ganz anders als in der bigotten Heimat. Und der Amerikaner Ernest Hemingway schreibt über all die Merkwürdigkeiten ein dickes Buch. Er verfasst einen Roman, der stilistisch ähnliches anrichtet wie die Jakobiner mit dem französischen Adel. The Sun Also Rises heißt das Werk, in Europa wird es übersetzt mit Fiesta. Die eigensinnige Verneigung des Mannes aus Chicago geht an das geerdete Pamplona. Und müsste man einen Baustein aus der Erzählung herausgreifen, die Wahl würde auf das Café Iruña fallen.

Am liebsten sitzt Hemingway draußen unter den Markisen des Iruña, bei einem Cognac und dem Kaffee. Und sein Blick schweift über die monumentale Plaza del Castillo von Pamplona. Mit einer Bibelstelle aus dem Prediger Salomo, Kapitel 1, Vers 5. beginnt Hemingway The Sun Also Rises. Das überrascht bei einem Atheisten wie ihm, es muss also etwas bedeuten. Oritur sol et occidit et ad locum suum revertitur ibique renascens. Die Sonne geht auf und geht unter und läuft an ihren Ort, dass sie wieder daselbst aufgehe. Eigentlich müsste The Sun Also Rises in der Übersetzung lauten: Die Sonne aber bleibt ewiglich. Darum geht es. Das „aber“ ist der Schlüssel.

Auch das Café Iruña, von Serafín Mata kurz vor den Sanfermines im Jahr 1888 eröffnet, besitzt diesen Hauch von Ewiglichkeit. Wie in einem Mikrokosmos vereint es Historie und Tradition des Baskenlandes. Von der Belle Époque bis heute scheint die Zeit wie gefroren. Marmortische, goldfarbene Säulen, Riesenspiegel, Emailleschilder, prächtige Leuchten im Jugendstil, die lang gestreckte Theke mit den Rollitos de Queso, den Patatas Bravas oder dem Jamón Ibérico. Im Café Iruña wird alles zusammen geführt. Das Alte und das Neue, die Stadt und das Land, Eleganz und Populäres, der Einheimische und der Fremde, der Millionär und der arme Schlucker.

Die Zeiten konnten dem Iruña wenig anhaben. Das Café hat Krieg und Despotie erlebt, Bombenschlachten und Terror – und doch steht

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