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Moleskine heute, eine Kultmarke.  Photo by W. Stock

Dieses Notizbuch ist Kult. Retro. Gerade in den Zeiten der Digitalisierung, des iPads, der papierlosen Flüchtigkeit erlebt dieses Notizheft eine heftige Renaissance. Es ist ein wohlfeiles Statussymbol von Reflektiertheit und Nachhaltigkeit.

Und dieses Notizbuch has a story to tell. Es ist das Büchlein der Intellektuellen, der Schriftsteller und der Künstler. Ein Paris in der Westentasche.

In solch ein kleines schwarzes Lederbüchlein haben Bruce Chatwin, Pablo Picasso und auch Ernest Hemingway geschrieben. Mehr geht nicht. Das ist die Erhebung in den Adelsstand für ein stinknormales Notizbüchlein.

Was steckt hinter dem Erfolg des Moleskine? Die Ausstattung zeigt sich trotz kleinem Preis liebevoll: liniertes Papier, Lesebändchen, kräftiger Kartonumschlag, eine Falttasche am Ende, Fadenheftung und ein Gummiband zum Schließen. Das Format, robust und praktisch, besonders auf Reisen.

Der Moleskine ist eine Erfolgsgeschichte. In seinem Buch Traumpfade beschreibt Bruce Chatwin 1986, er würde in kleinen Pariser Schreibwarenläden moleskine schwarze Notizhefte kaufen, wobei moleskine im Französischen ein Kunstleder meint.

Jedoch der letzte Hersteller, ein kleines Familienunternehmen in Tours, habe nach dem Tod des Besitzers seine Produktion eingestellt. Le vrai Moleskine n’est plus sagt der Schreibwarenhändler aus der Rue de l’Ancienne-Comédie traurig zu Bruce Chatwin gewandt. Das Moleskine schien tot.

Eine italienische Designerin macht sich ein Jahrzehnt später in Paris auf die Suche nach dem Moleskine, findet aber keine. Auf ihre Anregung stellt 1997 der kleine Mailänder Verlag Modo & Modo 5.000 Büchlein zur Probe her und sie werden ein Verkaufsschlager. Die Wiedergeburt war gelungen. Heute verkaufen sich Millionen, weltweit.

Solch ein Notizbuch scheint ein wenig aus der Zeitgefallen, läuft es doch der Digitalisierung des Lebens konträr.Doch gerade hier kann das handgeschriebene Notibuch seinen Charakter ausspielen. Es ist individuell, es ist persönlich in einem Meer des Unpersönlichen. Während ein digitales Medium nur Standard abbilden kann, kehrt der Nutzer des Moleskine sein Inneres nach Außen. Er hält sein Leben fest, Erinnerungen und Erlebnisse, nicht flüchtig, sondern in Form eines Tagesbuches oder einer Notizsammlung. Aus einem Objekt wird Subjekt. Das Moleskine schreit: Hier bin ich. ICH. BIN. EINE. PERSÖNLICHKEIT.

Das Moleskine ist nicht flüchtig im Ozean der Datenflut, sondern eine feste Grossse im Leben seines Nutzers. Die Gegenständlich des Mediums speist sich aus dem Persönlichkeit seines Schreibers.

Die Frage aller Fragen: Hat Ernest Hemingway wirklich ein Moleskine genutzt? Nun, die berühmten Fotos zeigen es nicht. Auf dem einen, nach der Jagd in Afrika, schreibt er am Holztisch versunken in einen DIN-A4 großen Block.

Da es die Marke Moleskine eigentlich erst seit 1997 gibt, sind die Geschichten mit Ernest Hemingway und den anderen ein hübscher Marketing-Gag. Der Meister aller Klassen notiert in kein Moleskine, wohl aber in ein ähnliches Notizbuch. Hemingway schreibt: You belong to me and all Paris belongs to me and I belong to this notebook and this pencil. Du gehörst zu mir und ganz Paris gehört mir und ich gehöre diesem Notibuch und diesem Bleistift.

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