Die Schriftsteller John Dos Passos und Ernest Hemingway haben einiges gemein, anderes trennt sie. Über viele Jahrzehnte blieben sie in Freundschaft verbunden, mit Höhen und Tiefen.
John Dos Passos, vom Jahrgang 1896, Sohn eines wohlhabenden Rechtsanwaltes portugiesischer Abstammung, stammt wie Hemingway aus Chicago. Beide, nur drei Jahre liegen zwischen ihnen, werden erfolgreiche Autoren. John DosPassos mit seinem Manhattan Transfer aus dem Jahr 1925, einem Großstadtroman mit symphonischer Wucht. Das Werk, einer der besten Romane überhaupt, gilt heute als ein Höhepunkt der klassischen Moderne Amerikas.
Ebenso wie Ernest Hemingway ist John Dos Passos ein neugieriger Weltenbummler. Im Orient Express bereist er die Türkei, Persien und den Irak. Er kommt nach Mexiko, Frankreich, nach Italien, Griechenland, nach Russland.
In Spanien wohnen Hemingway und Dos Passos, der dem Ideal eines sozial-romantischen Sozialismus anhängt, im selben Hotel, wo John auch seine berühmte Reportage Room and Bath at the Hotel Florida schreibt. Wenn man heute Dos Passos gesammelte Werke Travel Books & other Writimgs, 1916 – 1941 liest, bemerkt man auf jeder Seite die Klasse dieses Autors. Hier bohrt sich ein belesener und gebildeter Mann tief in die Lebenssicht seines Gastlandes ein. Sicher, so prägnant und auf den Punkt zu schreiben wie Hemingway, das kann Dos Passos nicht, aber wer vermag das schon?
John Dos Passos reist viel und er schreibt viel. Reportagen, Essays, Gedichte. Dos Passos ist von umfassender Bildung, er malt sehenswerte Aquarelle und interessiert sich für Architektur. Das mag ihn ein wenig von Ernest Hemingway unterschieden, der sich meist nur oberflächlich auf das Fremde einlässt, dem die Exotik oft nur als Staffage dient und nicht um den eigenen Horizont zu erweitern. Und im Grunde genommen schreibt Hemingway ja auch nicht über andere, sondern letztendlich immer über sich selbst.
Dos Passos beobachtet hingegen tief und genau und tritt auf als jemand, der seine Kanon gründlich gelesen hat. Von Pio Baroja, dem baskischen Meister, über den katalanischen Philosophen Ramon Llull aus dem 13 Jahrhundert, bis hin zu Schiller. Diese umfassende Bildung bewahrt ihm einen kritischen Geist.
Und wegen dieser kritischen Haltung hat sich John Dos Passos mit Ernest Hemingway ziemlich überworfen. Während des Bürgerkrieges sind beide Autoren in Spanien und arbeiten an dem Film The Spanish Earth. Dos Passos Freund José Robles Pazos, zugleich sein Übersetzer, betreut auf republikanischer Seite im Rang eines Oberstleutnants im Kriegsministerium die russischen Berater.
Doch von einem Tag auf den anderen verschwindet José Robles. Er ist verhaftet worden und wird im Februar oder März 1937 nach einem Geheimprozess von Stalinisten hingerichtet. Anscheinend ist Robles auf Regierungsseite in das Gerangel zwischen Kommunisten, Trotzkisten und Sozialisten geraten, seine Exekution bleibt ungeklärt, seine Leiche wird nie gefunden.
Und was hat Hemingway dazu zu sagen? Man habe Robles sicherlich nicht ohne Grund exekutiert, lässt er verlauten, necessary in time of war, eine Hinrichtung sei korrekt, wenn sie der guten Sache diene. John Dos Passos zeigt sich entsetzt. Auch die künstlerischen Meinungsverschiedenheiten bei The Spanish Earth vergrößern sich von Tag zu Tag. Dos Passos möchte Spanien und seine Bewohner ins Zentrum rücken, Hemingway will den Schwerpunkt auf den Bürgerkrieg legen. Mehr und mehr entfernt sich John Dos Passos von seinen linken Freunden – und von Hemingway.
Das Buch Travel Books & other Writings druckt Dos Passos Leserbrief an The New Republic vom 19. Juli 1939 nach, in dem er Stellung zum Tod seines Freundes José Robles nimmt. „Ich kann nur meine zaghaften Tatsachen anbieten und kann über diese nur sagen, dass sie nach bestem Wissen fehlerfrei sind.“ So behutsam und sachte würde ein Haudrauf wie Ernest Hemingway natürlich niemals formulieren.
Schade, dass die Freundschaft zwischen Ernest Hemingway und John Dos Passos nach der Affäre um den Übersetzer mehr oder weniger zerbrach. Im Rückblick bleibt zu sagen, dass Hemingway in Sachen José Robles irrte und weder sein Verstand noch sein Herz ihm den richtigen Weg wiesen. Doch über alle Rechthaberei hinaus, beide Schriftsteller hätten einander ziemlich viel geben können, wenn sie denn gewollt hätten.
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