Auf den Fersen von Ernest Hemingway

Schlagwort: Fossalta di Piave

Ernest Hemingway – Ein Mensch, der mit bösen Geistern kämpft

Ernest Hemingway
Curtis L. DeBerg
Wrestling with Demons – In Search of the Real Ernest Hemingway. Curtis L. DeBerg begibt sich auf die Suche nach dem wahren Ernest Hemingway. Foto: W. Stock, Juli 2024.

Eine dramatische Lebensstation dieses Menschen spielt sich ab in dem beschaulichen venezianischen Dorf Fossalta di Piave. Im Ersten Weltkrieg gerät der 18-jährige Sanitätsfahrer Ernest Hemingway auf einem Uferdeich unter Beschuss durch österreichische Artillerie. Was genau geschah in dieser Nacht des 8. Juli 1918 am Fluss der Piave?

In der Dunkelheit – schwerst verwundet und ein halbes Jahr Rekonvaleszenz vor sich – zerbricht etwas im Inneren dieses unbedarften Teenagers. Das Kapitel über Fossalta ist das Herzstück des neuen Buches von Curtis L. DeBerg. Der Autor schiebt in seinem Werk eine provokante Frage nach: Was wäre, wenn die Verletzung, die Ernest Hemingway in dieser Nacht erlitt, eine völlig andere wäre, als jene die eine Mörsergranate geschlagen hat? 

Denn ein junger italienischer Soldat stirbt vor Hemingways Augen. Ernest befindet sich gegen ein Uhr nachts auf dem Uferdeich. Er will Fedele Temperini, einem 26-jährigen Rekruten aus dem toskanischen Montalcino, gerade ein paar Mitbringsel überreichen, da schlägt nur drei Armlängen von den beiden eine Mörsergranate ein. Unbeabsichtigt hat der italienische Soldat mit seinem Körper den Amerikaner vor dem Beschuss abgeschirmt und ihm so das Leben gerettet. Ist Fedele Temperini der wahre Held in Fossalta?

Ernest Hemingways Erzählung geht anders. Er will die Hauptfigur sein und brüstet sich damit, einen einheimischen Soldaten auf der Schulter aus der Schusslinie geschleppt zu haben. Was ist die Wahrheit? Curtis DeBerg wägt mit zahlreichen Informationen die möglichen Szenarien ab. Das wahrscheinlichste Szenario entlarvt Hemingways Version als Big Lie. Noch eine Narbe in der Seele dieses Großsprechers und Prahlhans? Einiges spricht dafür. 

Auf jeden Fall vergrößern die Vorkommnisse im Veneto des Juli 1918 die inneren Qualen des sensiblen jungen Mannes. Er, der sich für unverwundbar hält, hat dem Tod in die Augen geschaut. Es ist erst der Anfang. Diese arme Seele wird in ihrem Leben gegen genug böse Geister ankämpfen müssen. Fossalta ist lediglich der Auftakt einer Trauma-Karriere: der Hass auf die Mutter, drei zerbrochene Ehen, Depressionen und Krankheiten, Alkoholismus und schließlich Selbstmord.

Curtis L. DeBerg – ein Wirtschaftswissenschaftler, der über drei Jahrzehnte eine Professur an der California State University in Chico inne gehabt hat – folgt seit langer Zeit den Spuren des Jahrhundert-Schriftstellers. Auch von diesen Schauplätzen und ihren Besonderheiten berichtet das Buch. Heute lebt DeBerg in Miami oder im südfranzösischen Hendaye, viel näher an Ernesto kann man nicht kommen. Seine These zu dem Schriftsteller: Ein Leben, das sich über den Kampf mit den bösen Geistern erklärt. Kommt hinter diesem Konflikt etwa der wahre Hemingway zum Vorschein?

Wrestling with Demons mit über 400 Seiten ist ein Kaleidoskop, so bunt wie das Leben des Nobelpreisträgers von 1954. Ein solcher Mix aus Tatsachen sowie fiktiven Briefen und Dialogen, dazu die Hinzunahme der eigenen Biografie, ist ein Ritt über die Rasierklinge. Dass die packend geschriebenen Gedankengänge von Professor DeBerg die Bodenhaftung nicht verlieren, dafür sorgt glücklicherweise sein wissenschaftliches Temperament. Mit Literaturverzeichnis, Fußnoten und Stichwortverzeichnis, der Hemingway-Biograf nimmt uns mit auf eine Abenteuerreise mit rasanten Perspektiven, überaus kurzweilig und stets mit schlüssigem Nachweis.

Eine wunderbare Nachwirkung bringt die Beschäftigung mit Ernests Drama am Böschungsdamm der Piave hervor. Endlich erhält

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Fedele Temperini rettet das Leben des Ernest Hemingway

Ernest Hemingway erholt sich im Hospital des American Red Cross von seiner Verwundung. Mailand, im September 1918. Credit Line: Ernest Hemingway Collection. John F. Kennedy Presidential Library and Museum, Boston.

In der Nacht vom 7. auf den 8. Juli 1918 befindet sich der Ambulanzfahrer Ernest Hemingway auf Versorgungsfahrt in Fossalta an der Piave, einer kleinen Stadt, eine halbe Stunde nördlich von Venedig. Im Osten wird das Städtchen von der sacht dahin fließenden Piave begrenzt, die hier knapp hundert Meter breit ist und über die weit und breit keine Brücke führt. Auf der anderen Seite des Flusses liegt der Feind.

Der 18-jährige Ernest passiert einen Abschnitt, den Einheimische als Buso de Burato, als das Loch des Burato, bezeichnen. Mit dem Fahrrad soll der junge Freiwillige den in Schützengräben liegenden italienischen Soldaten Lebensmittel überbringen. Und dazu ein paar kleine Annehmlichkeiten, die die Pein des Krieges ein wenig lindern sollen: Zigaretten, Schokolade, Kaffee, ein paar Frauenbildchen.

Am Westufer der Piave, am Ausläufer der kleinen Stadt, erreicht der junge Amerikaner den Damm, vor dem die Soldaten in Stellung liegen. Auf der anderen Seite der Piave, gerade einmal zweihundert Meter entfernt, lauern in den östlichen Uferauen die österreichischen Truppen, die die Italiener unter Dauerbeschuss halten.

Ernest Hemingway befindet sich gegen ein Uhr nachts auf dem Damm, er will Fedele Temperini, einem 26-jährigen italienischen Soldaten aus dem toskanischen Montalcino gerade die Mitbringsel überreichen, da schlägt nur drei Armlängen von den beiden entfernt eine Mörsergranate ein. Die Explosion mit ihrem lauten Knall und der Druckwelle reißt die beiden Burschen zu Boden.

Die hochkalibrige Granate ist von einem Minenwerfer am Ostufer abgefeuert worden und ist mit Eisenbolzen, Nieten, Stahlstiften und Metallschrott gefüllt. Kugelsplitter und Späne bohren sich tief in Hemingways rechtes Bein. Fedele Temperini, der direkt vor ihm gestanden ist, bekommt das allermeiste ab. Dem Italiener werden beide Beine zerfetzt, er überlebt die Mörsergranate nicht. Unbeabsichtigt hat der italienische Soldat mit seinem Körper den Amerikaner vor dem Beschuss abgeschirmt und ihm so das Leben gerettet.

Der junge Ernest liegt in einer dunkelroten Pfütze aus warmem Blut und Körperfetzen, um ihn herum verwundete Soldaten. Hemingways Verletzungen sind heftig, doch er befindet sich bei Bewusstsein. Wie in Trance zieht der 18-Jährige den verwundeten Soldaten Fedele vom Damm hinunter, nimmt ihn auf die Schulter und will sich in Richtung Kommandoposten schleppen. Nach wenigen Metern gerät Hemingway in eine Feuersalve von Maschinengewehren.

Trotz seiner beißenden Splitterverletzungen erreicht der US-Amerikaner mit dem getroffenen Soldaten auf der Schulter den rettenden Posten hinter der Dammsohle. Die Verletzungen von Ernest sind lebensbedrohlich, nur knapp entgeht er

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Hemingway wird schwer verwundet

Fossalta di Piave

Das Denkmal des Ernest Hemingway in Fossalta di Piave, im September 2009: Photo by W. Stock

Dann kommt die schlimmste Nacht seines Lebens. Vom 7. auf den 8. Juli 1918 ist Ernest Hemingway auf Versorgungsfahrt in Fossalta an der Piave bei einer Stelle, die die Einheimischen als Buso de Burato, als Loch des Burato, bezeichnen.

Per Fahrrad soll er den in den Schützengräben liegenden Soldaten Lebensmittel überbringen. Und ein paar kleine Annehmlichkeiten, die die Last des Krieges mildern sollen: Zigaretten, Schokolade, Kaffee, Postkarten. Weil er nahe an der feindlichen Linie sein will, mag Hemingway diese Verpflegungsfahrten des Rolling Canteen Service.

Hemingway erreicht den nahen Damm, hinter dem italienische Soldaten in Stellung liegen. Auf der anderen Seite der Piave, in den östlichen Uferauen, liegen die österreichischen Truppen, die die Italiener unter Beschuss halten. Als Hemingway gegen ein Uhr nachts den Damm am Westufer der Piave erreicht, explodiert zwei Meter von ihm entfernt eine Mörsergranate. Plötzlich und mit einem riesigen Knall.

Die Granate, von einem Minenwerfer der Österreicher abgefeuert, ist

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Schmutziger Krieg in lieblichem Land

Hemingway in FossaltaBuch

Fossalta di Piave, im September 2009
Photo by W. Stock

Diese Landschaft ist zu schön zum Sterben. So lieblich dieses Fossalta am Ufer des Piave-Flusses ruht, so sollte sich in diesem Örtchen eine tragische Begebenheit im Leben des Ernest Hemingway abspielen. Hier wäre um Haaresbreite dem jungen Leben ein jähes Ende gesetzt worden. Auch wenn er hier knapp dem Tode entrann, die Geschehnisse in diesem Dorf sollten des Schriftstellers Leben – das literarische wie das persönliche – prägen wie kaum etwas anderes. Ohne Fossalta ist Ernest Hemingway nicht zu verstehen.

Die Piave ist ein idyllischer kleiner Fluss, der den Alpen entspringt und in scharfen Mäandern bei Jesolo in die Adria mündet. Das flache Delta des Veneto wird bestimmt vom Fischfang und Weinbau, entlang den engen Chausseen stehen die für diese Landschaft typischen Pinienbäume, deren Duft in der Luft verströmt. Eigentlich ist dies eine karge Landschaft mit nicht allzu viel Vegetation, doch das Grün blüht trotzig und das Blau des Himmels strahlt in jenem Azur, das zu Italien passt. An Herbsttagen erscheint dieses Idyll wie ein Paradies, blau und grün, und reich von der Sonne verwöhnt.

Bei klarer Sicht erkennt man

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