Hemingway in FossaltaBuch

Fossalta di Piave, im September 2009
Photo by W. Stock

Diese Landschaft ist zu schön zum Sterben. So lieblich dieses Fossalta am Ufer des Piave-Flusses ruht, so sollte sich in diesem Örtchen eine tragische Begebenheit im Leben des Ernest Hemingway abspielen. Hier wäre um Haaresbreite dem jungen Leben ein jähes Ende gesetzt worden. Auch wenn er hier knapp dem Tode entrann, die Geschehnisse in diesem Dorf sollten des Schriftstellers Leben – das literarische wie das persönliche – prägen wie kaum etwas anderes. Ohne Fossalta ist Ernest Hemingway nicht zu verstehen.

Die Piave ist ein idyllischer kleiner Fluss, der den Alpen entspringt und in scharfen Mäandern bei Jesolo in die Adria mündet. Das flache Delta des Veneto wird bestimmt vom Fischfang und Weinbau, entlang den engen Chausseen stehen die für diese Landschaft typischen Pinienbäume, deren Duft in der Luft verströmt. Eigentlich ist dies eine karge Landschaft mit nicht allzu viel Vegetation, doch das Grün blüht trotzig und das Blau des Himmels strahlt in jenem Azur, das zu Italien passt. An Herbsttagen erscheint dieses Idyll wie ein Paradies, blau und grün, und reich von der Sonne verwöhnt.

Bei klarer Sicht erkennt man im Norden Fossaltas die wuchtigen Berge der Dolomiten, die hier ganz nah erscheinen, obwohl sie zwei Autostunden entfernt liegen. So mag mancher die Ambivalenz dieser Landschaft begreifen, im Norden die schneebedeckten Alpen und im Süden, das blaue, warme Meer.

Die Farben der Häuser und case di campagna besitzen den für Venetien typischen ockerbraunen Ton und geben diesem Landstrich eine zurückhaltende Fröhlichkeit. Die jungen Leute sind weg, in Venedig oder Rom, aber die alten Menschen leben noch hier, in einem Dorf, wo jeder jeden kennt, und wo man Tags über seine Haustüre nicht abzuschließen pflegt, denn ein Fremder würde sofort auffallen. Das Städtchen liegt eine knappe Autostunde nördlich von Venedig, Fossalta döst ein wenig in der Mittagshitze dahin. Die 4.000 Einwohner lassen ihr Tagewerk geruhsam angehen, das Leben scheint ein wenig aus der Zeit gefallen.

Am Ende der Via Ragazzi del ‘99, die am Damm vor der Piave endet, steht seit 1979 ein Denkmal, das an Hemingways schwere Verwundung erinnert. Su questo argine, Ernest Hemingway volontario della croce americana veniva ferito la notte dell‘ 8 Luglio 1918. An diesem Deich wurde Ernest Hemingway, Freiwilliger des amerikanischen Roten Kreuzes, in der Nacht des 8. Juli 1918 verwundet.

Dieses 1,90 Meter hohe und 70 Zentimeter breite Denkmal aus graublauem Stahl neigt sich leicht der Piave zu. Es steht genau auf dem Damm, der heute in die Via Gonfo mündet, und der noch heute das Städtchen gegen das Hochwasser schützt. Dieser Damm im Osten von Fossalta misst etwa 10 Meter Höhe und trennt die Stadt von dem Fluss. Die Piave ist an dieser Stelle vielleicht 150 Meter breit und auf beiden Ufern von hohen Bäumen eingerahmt.

Heute führt eine Ponton-Brücke über den Fluss und verbindet beide Ufer. Genau dort, wo vor über 90 Jahren die Soldaten Österreichs auf der einen Seite und die Truppen Italiens auf der anderen Seite in den Schützengräben lagen. Dieser Erste Weltkrieg war ein schmutziger Krieg, ein Grabenkrieg Mann gegen Mann, in dem sich die feindlichen Soldaten oft nur wenige Meter gegenüber lagen und sich mit Maschinengewehren, Mörsern, Gaswaffen oder auch einfach mit Bajonetten bekriegten.

Im Grunde war im Jahr 1918 dieser Krieg des Deutschen Reiches und von Österreich-Ungarn auf der einen Seiten und der Entente-Mächte auf der anderen Seite schon entschieden. Zu den Entente-Mächten Frankreich, Großbritannien und Russland stieß dann später auch Italien zu. In Deutschland, die Tage des Kaisers waren gezählt, strickte man schon an der Dolchstoss-Legende.

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