Ernest Hemingway
Frankfurter Zeitung
Ein aufstrebender Autor, zunächst ohne Fortüne. Ernest Hemingway, auf einem Passfoto aus dem Jahr 1923.

Zwar hat der Autor mit dem frischen Stil, Eisberg wird man seine lakonische Art zu schreiben nennen, bereits in zwei Pariser Kleinstverlagen veröffentlicht. Doch diese Schriften sind wenig mehr als Privatdrucke seiner Expat-Freunde Robert McAlmon und Bill Bird. Von seinem Erstling Three Stories and Ten Poems befinden sich im Jahr 1923 gerade einmal 300 Exemplare in Umlauf. Der Reporter, der von einer Zukunft als Schriftsteller träumt, schaut sich um nach einem zahlungskräftigen Verlag. Doch der bleibt weit und breit nicht auszumachen.

Der junge Autor erhält von Verlagshäusern aus den USA eine Absage nach der anderen. Damit hat er nicht gerechnet, den Kerl mit dem riesigen Ego übermannen in Paris Selbstzweifel und Depressionsschübe. Voller Unsicherheit beginnt er, sich als Autor in Frage zu stellen. Seine Entscheidung, den freien Korrespondentenvertrag mit der kanadischen Tageszeitung aus Toronto zu kündigen, um sich ganz und gar als Buchautor zu versuchen, bringt die dreiköpfige Familie mehr und mehr in Bedrängnis. Seit ich mit dem Journalismus Schluss gemacht habe, kommt kein Geld mehr rein.

Doch die Rettung naht, wenn auch von unerwarteter Seite. Der Berliner Chefredakteur Hermann von Wedderkop von der Zeitschrift Der Querschnitt druckt ihn, ebenso wie die Frankfurter Zeitung. Ernest Hemingway zeigt sich verblüfft. Es ist verdammt seltsam, dass Deutschland das einzige Land ist, wo ich was verkaufen kann. An ihn und an die ‚Frankfurter Zeitung‘. So erinnert sich der Nobelpreisträger von 1954 dankbar in seinen biografischen Skizzen Paris – Ein Fest fürs Leben.

In der Tat verkauft Ernest Hemingway nach Deutschland drei Kurzgeschichten, die in der Frankfurter Zeitung veröffentlicht werden: Indianisches Lager (10. April 1927), Der Boxer (17. April 1927) und Das Ende von etwas (22. Mai 1927). Es sind die deutschen Übersetzungen seiner Short Stories mit den Originaltiteln Indian Camp, The Battler und The End of Something.

Besonders sticht die Kurzgeschichte Indian Camp hervor. Die Erzählung ist ein frühes Meisterwerk, das bereits die Grundmotive der Hemingway’schen Weltsicht behandelt. Geburt, Tod, Selbstmord, Kampf und Geborgenheit – in der atmosphärisch dichten Geschichte um den Landarzt Doktor Adams und seinen Sohn Nick kann man deutliche semi-biografische Eigenheiten ausmachen.

Die Frankfurter Zeitung, ein Vorläufer der heutigen Frankfurter Allgemeinen Zeitung, galt schon damals als eine der führenden Tageszeitungen Deutschlands. Das Journal wurde 1856 als Handelszeitung gegründet und hatte sich über die Jahrzehnte zu einem bedeutenden freiheitlich-bürgerlichen Forum entwickelt. In der Weimarer Republik blieb die Frankfurter Zeitung eine der wenigen liberalen Stimmen. Vor allem ihr Feuilleton, für das fast alle Geistesgrößen der Zeit schreiben, gründete ihren guten Ruf.

Der Berliner Korrespondent der Chicago Daily News, Edgar Mowrer, hat den Kontakt zwischen Hemingway und der Frankfurter Zeitung hergestellt. Der emsige Geschichtenschreiber Ernest hat ihn gebeten, jemanden zu suchen, to take over the whole mess, der das ganze Kuddelmuddel übernimmt. Edgar Mowrer ist der jüngere Bruder von Paul Mowrer, der das Pariser Büro der Chicago Daily News leitet, und der ein Freund des Schriftstellers ist. Paul sollte 1933 Hadley heiraten, die erste Mrs. Hemingway lässt sich nach sechs Ehejahren 1927 von Ernest scheiden. Aus gutem Grund. Denn die Rasanz von Hemingways Aufstieg als Buchautor steht seiner Karriere als Schürzenjäger in nichts nach.

In der Frankfurter Zeitung wird zudem Ernest Hemingways Anti-Kriegsroman A Farewell to Arms zwischen dem 8. Mai und dem 16. Juli 1930 als Fortsetzung veröffentlicht, in der Übersetzung von Annemarie Horschitz. Unter dem ungewöhnlichen Titel Schluss damit. Adieu Krieg! Als Buch bei seinem Verleger Ernest Rowohlt wird das Werk den Titel In einem andern Land tragen, später winzig verändert zu In einem anderen Land.

Zwei deutsche Medien verhelfen dem ehrgeizigen Autor zum Durchbruch. Der Frankfurter Zeitung ist es zu verdanken, dass Hemingways Name auch in Deutschland rasch an Kontur gewinnt. Doch ein anderes deutsches Medium, die Berliner Zeitschrift Der Querschnitt, ist noch etwas schneller gewesen. Im Sommerheft des Jahres 1925 hat das avantgardistische Kulturmagazin die angeblich zu harte Stierkampf-Story abgedruckt. Ernest Hemingways Hang zur Großsprecherei prägt sich schon damals aus. In Deutschland, so tönt er, bin ich als der junge amerikanische Heine bekannt.

Seine wachsende Selbstsicherheit verdankt der hochgewachsene Mann nicht zuletzt zwei deutschen Medien. Sein Lebtag wird Ernest Hemingway nicht vergessen, wer seine erste Spanien-Geschichte, die frechen Poeme und die ersten Kurzgeschichten veröffentlicht hat. Ein deutsches Magazin und eine Frankfurter Tageszeitung haben an ihn, den Naturburschen mit der harten Schale und dem sensiblen Kern, geglaubt. Deutschland, das ist das Land mit Verlegern, die einem weitgehend unbekannten und bisweilen vorlauten Kerl aus Chicago eine Chance einräumen.

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