Für sieben Dollar ins Luxus-Hotel: Ernest Hemingway lässt es sich gutgehen im Frankfurter Hof, im Frühjahr 1923. Photo: Andreas Praefcke, Creative Commons.

Zu Anfang seines Besuches in Deutschland lässt Ernest Hemingway es richtig krachen. Er schreibt sich in das beste Haus am Platz ein, in den Frankfurter Hof. Das Einzelzimmer in dem Luxus-Hotel kostet 51.000 Mark pro Nacht. Doch dies ist nicht der Endpreis. Auf dem Zimmer hängt eine Übersicht mit den zusätzlichen Gebühren. Zunächst einmal 40 Prozent Kommunalsteuern, dann 20 Prozent für den Service, dann 8.000 Mark für Heizung. (..) Ich blieb diese eine Nacht und den halben folgenden Tag. Die Rechnung betrug 145.000 Mark.

Als Reporter des Toronto Star ist der Amerikaner Ende März 1923 für zehn Tage nach Deutschland gekommen. Über seine Reise wird der junge Journalist in seiner Zeitung zehn launige Depeschen veröffentlichen. Das Land, das fünf Jahre zuvor einen furchtbaren Krieg verloren hat, leidet unter Reparationsforderungen, Wirtschaftskrisen und einer Hyperinflation. Eine Million Mark ist schnell ausgegeben, so lautet Hemingways Artikel, der am 5. Mai 1923 in der kanadischen Tageszeitung abgedruckt wird.

In Hemingways Artikel erfährt man, dass die Entlohnung eines Gymnasiallehrers bei 200.000 Mark im Monat liegt, damit gehört er zu den Glücklichen in der Weimarer Republik. Scheinbar ein gutes Gehalt. Doch was kriegt man für das Geld? Ein Ei kostet 4.000 Mark. Ein Hemd kostet 85.000 Mark. Weit kommt der Schulmeister mit seinem Salär nicht, es entspricht gerade einmal 10 Dollar. Anderen geht es richtig dreckig. 

Der Korrespondent berichtet von einem Hotelbesitzer, der eine gute Saison hinter sich hat. Sämtliche Zimmer sind ausgebucht gewesen, es ist das beste Jahr seiner Geschichte. Doch dann nimmt das Unglück seinen Lauf. Im Oktober begann die Mark zu fallen, und im Dezember reichte das Geld, das wir im Sommer eingenommen hatten, nicht einmal mehr aus, um für die nächste Saison Marmelade und Gelee einzukaufen.

So wie es Verlierer gibt, so gibt es auch Gewinner. Der 23-jährige Journalist aus Chicago zählt sie auf. Exporteure von Rohstoffen zum Beispiel, die ihre Ware für Dollars ins Ausland verkaufen und ihre Arbeiter in Mark bezahlen. Oder Bauern, eh schon Selbstversorger, die darüber hinaus hohe Preise für die Nahrungsmittel verlangen können. Auch Menschen, die Kapital in der Schweiz gebunkert haben, sind fein raus. Und die Banken. Banken sind immer reich. Die Banken sind wie die Regierung. Sie bekommen gutes Geld für schlechtes und sitzen auf dem guten Geld.

Der alleinige Verursacher von Hyperinflation jedoch ist der Staat. Mit dem dauerhaften Anwerfen der Notenpresse vermehrt er den ungedeckten Geldumlauf. Jede Inflation führt zum Ausweichen in Sachwerte und zur Kapitalflucht. Durch die Unsicherheit und wegen des Vertrauensverlustes bleiben Kapitalinvestitionen durch Unternehmen aus, Arbeitslosigkeit und Armut steigen. Die gigantische Geldentwertung führt im Ergebnis zu schwerwiegenden Erschütterungen einer Volkswirtschaft bis hin zum Zusammenbruch des gesamten Wirtschaftskreislaufes. 

Für den Normalsterblichen gibt es kein Entrinnen aus der Hyperinflation. Den Banken ist verboten, die deutsche Mark in harte Dollars oder in andere Fremdwährungen zu tauschen. Das Vertrauen der Kaufleute in das Geld und den Warenhandel ist perdu, so beschreibt Ernest Hemingway zutreffend den Niedergang des Geschäftsverkehrs in Deutschland. Vermögen werden von heute auf morgen plattgemacht. Der Inhaber eines großen Hotels habe vorige Woche Selbstmord begangen, kriegt der Reporter zugeraunt.

Die Allermeisten verlieren. Arbeiter, die nicht wissen, wie sie die Familie sattkriegen. Ladenbesitzer, die ihre Ware nicht schnell genug verkaufen können, wie das Geld verfällt. Einst wohlhabende Bürger verschulden sich, die Sorgen wachsen ihnen über den Kopf und am Ende des Albtraums wachen sie auf, so arm wie eine Kirchenmaus. Aber was soll nun werden?, fragt Hemingway. Auf Gott vertrauen, erhält er zur Antwort. Eigentlich vertrauen die Deutschen auf Gott und meist auch auf den Staat. Doch die Regierung steht hilflos vor dem brodelnden Vulkan.

Während der zehn Tage seines Besuches gibt der US-Amerikaner für Übernachtung und Essen eine Million Mark aus. Doch über Mr. Hemingway müssen wir uns keine Sorgen machen. Als Korrespondent der kanadischen Tageszeitung wird er in Dollar bezahlt und fällt so auf die Butterseite des Lebens. Für 125 Dollar kann man in Deutschland heute zweieinhalb Millionen Mark kaufen. So lautet der erste Satz seines Artikels. Mehr als 50 Dollar braucht man in Deutschland nicht, um zehn Tage wie ein Fürst zu leben.

Als dollarschwerer Gast lässt sich im Alltag für Cent-Beträge alles Nötige erstehen. Ernest Hemingway ist fein raus. Doch für die Bevölkerung wird es böse ausgehen. Der Wert der Mark verfällt immer weiter, bis schließlich im Oktober 1923 der Höchststand an monatlicher Inflation mit 29.525 Prozent erreicht wird und ein einziger US-Dollar irrsinnige 4,2 Billionen Mark entsprechen sollte. Im November wird dann mit einem Währungsschnitt die Rentenmark eingeführt. Es bleibt eine Atempause. Denn der Abgrund – jenseits von Heller und Pfennig – liegt erst vor den Deutschen.

Loading