Ernest Hemingways spanische Ausgabe von Across the River and into the Trees. Veröffentlicht 1950.

Dieser Ernest Hemingway aus Oak Park in Chicago erzählt in seinen Romanen und Kurzgeschichten von all den Schönheiten und all den Widrigkeiten eines menschlichen Lebens. Er tut dies auf seine eigene angenehme und zugleich verstörende Art und Weise. Dafür hat er 1954 den Nobelpreis erhalten. Trotz seiner Riesenerfolge ist dieser Kneipenkaiser ein umgänglicher und bodenständiger Kerl geblieben.

Irgendetwas zieht ihn aus der Heimat hinaus. Paris, Venedig, Andalusien. Die längste Zeit, 21 Jahre, hat Ernest Hemingway auf Kuba verbracht. Er hat Italien und Spanien von ganzem Herzen geliebt. Damals sind dies drei überaus traditionelle und katholische Länder gewesen. Auch er bleibt Traditionalist, mag nicht in der Großstadt leben. Und er mag nach Möglichkeit auch nicht in den USA leben.

Mehr als die Länder liebt Hemingway die Natur. Die Flüsse, die Bäume, die Hügel und die Berge. Und natürlich das Meer. El Mar. Oder La Mar. Er sagt immer: La Mar. So nennen es die Menschen, die es lieben – das Meer ist wie eine Frau. Die Natur ist für den Menschen erbaulich, zugleich aber auch bedrohlich. Er weiß, die Natur und das Meer sind viel mächtiger als jeder Mensch.

Die ewige Natur ist für ihn so etwas wie eine Allmacht, fast gottähnlich. Und Hemingway, darin sieht er seine Aufgabe als Schriftsteller, will das Geheimnis hinter der Macht der Natur verstehen. Der Mann aus Chicago träumt vom „Meer“, aber hinter diesem Bild sucht der Agnostiker die Unsterblichkeit oder zumindest seinen Seelenfrieden.

Wie kein anderer Autor hat Ernest Hemingway die Kunst des prägnanten Satzes beherrscht. Diese direkte Prosa, die sich kurz und bündig liest, aber hinter jeder Zeile mehr bedeutet als das, was im Text selbst gesagt wird. Diese zugeknöpfte Kühle der Sprache passt nicht nur zu Hemingways einsamem Helden, sondern drückt zugleich die Haltung vieler Menschen in ihrem täglichen Kampf ums Dasein aus, wo immer sie sich auf diesem Globus befinden.

In persönlichen Begegnungen mit Frauen und Männern hat Ernest Hemingway deshalb einen bleibenden Eindruck hinterlassen. Wenn man Menschen trifft, die den Nobelpreisträger kannten und mit ihm zusammen waren, reden sie wie ein Wasserfall über den Autor, über seine Eigenheiten, über sein Werk. Sie hören nicht auf zu plaudern, sie sprechen über ihre innersten Gefühle, auch wenn sie es sonst mit dem Philosophieren nicht so haben.

Das macht den Unterschied zu anderen Autoren aus. Dieser Erzähler hat uns auch mit seiner Lebensgeschichte gefangen genommen. Deshalb hat nicht nur der Literaturprofessor, sondern auch Menschen, wie du und ich seine Botschaft verstanden. Das Stichwort Ernest Hemingway wirkt wie ein geistiger Türöffner, man kann sich stundenlang über diesen Mann unterhalten. Und am Ende weiß man nicht so recht, ob man über den bärtigen Literaten, über seine Verklärung oder gar über die eigenen Wünsche und Träume fabuliert hat.

Ein Leser, der sich auf Ernest Hemingway einlässt, erkennt nach einer Weile, dass sich hinter der Fassade des Boxers und Säufers, des Frauenhelden und Prahlhannes ein sensibler Schriftsteller ersten Ranges verbirgt. Ein Purist der Worte und Sätze, eine empfindsame Seele, die es versteht, die Gefühle des Lebens auf Papier zu bringen.

Dieser merkwürdige Mix aus schriller Oberfläche und menschlicher Seelentiefe spricht den Leser direkt an, denn nur allzu oft geht es uns in unserem Gefühlschaos ähnlich. Ernest Hemingway berührt einen sensiblen inneren Kern in uns. Aber er lehrt uns auch die Freude am Leben. Hier kennt jemand die unergründlichen und widersprüchlichen Gefühle eines Menschenlebens.

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