Ernest Hemingway: Wem die Stunde schlägt. Erstmals 1940 veröffentlicht.

Im Herbst 1937 trifft Ernest Hemingway in Madrid den jungen ungarischen Fotografen Robert Capa. Der Schriftsteller und Capa werden zu Brüdern im Geiste, der eine an der Schreibmaschine, der andere an der Fotokamera. Robert Capa verrät dem Amerikaner das Geheimnis eines guten Reportagefotos: Wenn deine Bilder nicht gut genug sind, warst du nicht nah genug dran.

So hält es auch Ernest Hemingway mit seinen Texten. Er muss immer nah genug herangehen, damit er zufrieden ist. Wiedersehen werden sich der Autor und der Fotograf im Dezember, in Teruel, einer kleinen Stadt zwischen Saragossa und Valencia. In Teruel verläuft nun die Front, hier wird gestorben, ganz grässlich gestorben. Zunächst ist Ernest Hemingway angewidert von der Brutalität der Schlacht, gleichzeitig scheint da auch immer etwas zu sein, was auch immer, das ihn fasziniert.

Der Schriftsteller aus Key West geht im Spanischen Bürgerkrieg von Anfang an nahe dran. Ernest Hemingway zieht es von Madrid an die Frontabschnitte, der berühmte Autor wird von den republikanischen Behörden mit einem Auto, genügend Benzin und einem Chauffeur ausgestattet, alles knappe Güter in diesem Krieg. Der Amerikaner soll den Kampf um die gerechte Sache in aller Welt publik machen.

Dieser Spanische Bürgerkrieg ist so etwas wie der erste Medienkrieg überhaupt, der weltweit renommierte Ernest Hemingway wird hofiert wie ein Fürst. Die Schilderungen des Schriftstellers aus Madrid und von den Frontkämpfen wirken realistisch wie eine Wochenschau. Alles in Ernest Hemingways knappem und sprödem Stil, gepaart mit einer messerscharfen Beobachtungsgabe.

Der Leser merkt schnell, Ernest Hemingway ist mit dem Herzen dabei. Gibt es eine sympathischere Ansprache, als jene zum Abschluss einer Reportage über seinen pfiffigen Chauffeur Hipolito, der den Autor wohlbehalten durch das Madrider Granatengewitter steuert? Sie können natürlich Ihr Geld auf Franco setzen, wenn Sie wollen, oder auf Mussolini oder Hitler. Ich setze auf Hipolito.

Als Ernest und seine Geliebte Martha Gellhorn im November 1938 ein letztes Mal in das Spanien des Bürgerkrieges zurückkehren, sind die meisten republikanischen Frontabschnitte zusammengebrochen und in die Hand der Nationalisten gefallen. Der Sieg der Putschisten um den General Franco bleibt nur eine Frage der Zeit, ein desillusionierter Schriftsteller kehrt in die USA zurück. Ende Januar 1939 fällt Barcelona, im März Madrid, und auch Ernest Hemingway persönlich hat nun diese grausame Schlacht in Spanien verloren.

Noch im März geht der Amerikaner nach Havanna und mietet im Hotel Ambos Mundos ein kleines Zimmer mit drei Fenstern im fünften Stockwerk. In dem einfachen Zimmer, das heute die Nummer 511 trägt, beginnt Ernest Hemingway mit der Arbeit zu seiner Abrechnung mit dem General Franco: For Whom the Bell Tolls. Das Buch Wem die Stunde schlägt erscheint im Oktober 1940 und der Roman erzählt die Geschichte des amerikanischen Brigadisten Robert Jordan während des Spanischen Bürgerkrieges.

Der Sprengstoffexperte Jordan soll eine Brücke in die Luft jagen, um den bevorstehenden Angriff der Republikaner auf die Stadt Segovia zu unterstützen. Hinter den Linien der Feinde sucht Jordan die Zusammenarbeit mit einer Rebellengruppe um den Anführer Pablo. Wem die Stunde schlägt wird der politischste Roman Hemingways, aber auch die Liebe kommt nicht zu kurz. Das Mädchen heißt María.

Allerdings ist die Wirklichkeit in Spanien wenig romantisch. Die Republikaner haben den Krieg verloren und die Franquisten nehmen blutige Vergeltung. Ob sich der Kampf gelohnt hat? Die Hunderttausenden Toten, die Waisen, die in Schutt und Asche gebombten Städte, die enttäuschten Hoffnungen, das tief gespaltene Land? Der Feind jedoch, das ist die Tragik, er ist der eigene Bruder.

Diesen Sachverhalt blendet Ernest Hemingway aus, er sieht nicht, dass – gleichgültig, wer den Krieg gewinnt – der Sieger ein tief zerrissenes Land übernehmen wird, das auf Jahrzehnte von Hass und Zwietracht gezeichnet sein wird. Vielmehr sehen wir in Spanien einen Ernest Hemingway, der den Konflikt überwiegend als unpolitischer Schwärmer betrachtet. Als jemanden, der einen Kampf von Gut gegen Böse ausmacht, obwohl der Riss oft mitten durch die Familien geht.

Doch Ernest Hemingway kann nicht raus aus seiner Haut. Er geht nicht in die Tiefe, sondern entscheidet aus dem Bauch. Sein Engagement im Süden Europas sieht der Schriftsteller als Verneigung vor der spanischen Seele, seine Zeit auf der iberischen Halbinsel nennt er meine spanischen Jahre. Trotzig lässt Ernest Hemingway seinen Helden Robert Jordan in Wem die Stunde schlägt ausrufen: Die Welt ist ein schöner Ort und wert, dass man um sie kämpft.

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