Die Suche des Ernest Hemingway nach der reinen Liebe hätte möglicherweise bereits bei Hadley, seiner ersten Ehefrau, enden können. Doch zu häufig hat er betrogen und gelogen in Sachen Liebe, ist die Zuneigung erstorben im Gemenge seiner Wutausbrüche und seines Narzissmus, zu oft hat er die Liebe erdrosselt im Gewimmel seiner Liebschaften und Seitensprünge.
Ernesto ist in Sachen Liebe über die Jahre zum Zyniker geworden. Vielleicht ist es auch das Feld, auf dem er krachend gescheitert ist. Denn die große, die absolute Liebe im Leben hat er nicht finden können. Weder bei seinen vier Ehefrauen, noch bei seinen Liebschaften und schon gar nicht bei den schnellen Nummern. Liebe ist ein Misthaufen, klagt Harry in Schnee auf dem Kilimandscharo bitter, und ich bin der Hahn, der draufsteigt und kräht.
In der hoffnungslosen Lebensbeichte des sterbenden Schriftstellers Harry in Schnee auf dem Kilimandscharo, unschwer vermag man Züge und Lebensstationen des Ernest Hemingway ausmachen, geht er besonders mit der Liebe hart ins Gericht. Die Liebe, bloß ein Gespinst aus galanter Schwindelei und gefühlsduseligem Hokuspokus? Als er nicht mehr meinte, was er sagte, hatte er mit seinen Lügen bei Frauen mehr Erfolg als früher, wenn er ihnen die Wahrheit gesagt hatte.
Etliche Frauen schwirren um ihn herum. Ehefrauen, Freundinnen, Verehrerinnen, Musen, Mätressen. Er selbst ist kein Kind von Traurigkeit, unzähligen Frauen macht Ernest Hemingway den Hof. An manchen Tagen kommt er mit drei Frauen zusammen. Ernesto, die Berühmtheit, braucht nur mit dem Finger zu schnippen.
Dennoch sucht er bei anderen Partnerinnen weniger das Körperliche, sondern eher das Spirituelle. Die bestmögliche Mischung aus körperlicher Befriedigung und spiritueller Beglückung erlebt er ironischerweise am intensivsten bei seiner kubanischen Mätresse Leopoldina. Deshalb erstaunt nicht groß, dass Ernest ihr länger verbunden bleibt als mit den meisten seiner Ehefrauen.
Die Sehnsucht nach der umfassend erfüllten Liebe quält ihn jedenfalls sein ganzes Leben. Seine Rastlosigkeit vernebelt wohl einen Mangel an seelischer Erfüllung. Weil er die reine Liebe nicht gefunden hat, weil er keinen tiefen Glauben empfinden kann, weil er vom Paradies träumt und dennoch immer wieder auf dem Hosenboden landet.
Sein körperlicher Appetit bleibt bis in seine 1950er enorm, befindet sich eine attraktive Frau in seiner Nähe, gerät dieser Ernest Hemingway postwendend unter Starkstrom. Eléctrico. Der Schriftsteller in seinem kubanischen Refugium stachelt die Frauen mit seiner Aura an und fängt die armen Geschöpfe flugs und unrettbar ein wie in einem Spinnennetz.
Und nun als Höhepunkt jenes Schauspiels, das die Sehnsucht nach der großen Liebe schreibt, fügt er am Ende seiner Suche noch die eine oder andere alberne Klamotte an. Etwas Gutes hat dieses Possenspiel mit Adriana und Valerie vielleicht. Er merkt in letzter Konsequenz wohl, dass er in Sachen Liebe ein Gescheiterter ist.
Trotzdem – als Romantiker durch und durch – hört er nicht auf, an das reine Gefühl zu glauben, an die vollkommene Liebe. Auch wenn er es zum wiederholten Male verbockt hat oder sich vor aller Welt affig aufführt, er jagt seinem Ideal über alle Konventionen und über alle Vernunft hinweg nach. Vier Ehefrauen, unzählige Liebschaften, er macht das alles nicht aus Spaß.
Denn die Liebe erscheint ihm als der Kontrapunkt zum Tod. Ebenso wie das Schreiben. Für einen wahren Schriftsteller ist jedes Buch ein neuer Anfang, ein neuer Versuch, das Unerreichbare anzugehen. Doch – das ist die Frage, auf die er keine Antwort weiß – wie lässt sich das Unerreichbare bloß erreichen?
Marlene Dietrich, seine große platonische Liebe, hat sich ihm mit den Worten offenbart: „Ich werde Dich ewig lieben und länger.“ Ewig und länger. Die Frau ist großartig, Marlene hat es kapiert. Ewig und länger. So sieht seine Idee des Unerreichbaren aus.
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