Dieser Riese ist ein Kämpfer. Ernest Hemingway hat bei unzähligen Gelegenheiten Mut und Tapferkeit bewiesen. Schon als junger Mann von 18 Jahren hat er das Idyll der Vorstadt verlassen und das Abenteuer gesucht. Am eigenen Leib hat er erforschen wollen, wo die Grenzen des Menschen liegen.
Schon als junger Sanitätsfahrer im Ersten Weltkrieg, wo sein Leben an der Veneto-Front auf dem Spiel stand. Und später war er überall dort, wo es krachte und knallte. Im Hürtgenwald in Deutschland während des Zweiten Weltkriegs, in Spanien, wo sich Brüder und Freunde im Bürgerkrieg gegenseitig abschlachteten, und auf Kuba, wo Rebellen seit Jahren gegen korrupte Machthaber kämpften.
Ein unruhiger Charakter bummelt durch die Welt. Italien, Paris, Spanien, Afrika, Kuba. Sein Heimatland kriegt ihn nur sporadisch zu Gesicht. Auch schreibt er lieber über die Ferne. Er hätte Hausarzt in Oak Park werden können, so waren die Pläne der Eltern in Chicago. Doch er hatte andere Vorstellungen. Seine Suche gilt dem Kern der Evolution, er sucht tief und weit, draußen und drinnen.
Besonders am Wasser erhofft sich Ernest Hemingway Antworten auf seine Fragen. Am Meer und an den Flüssen denkt er über die wichtigen Themen seiner Welt nach: über die Freude am Leben und über die wahre Liebe. Und er denkt auch über den Tod nach. Liebe, Leben und Tod sind die Herausforderungen, die uns alle beschäftigen. Und sie sind die Themen seiner Bücher.
Die Nähe zum Menschen und seinen Fragen mag erklären, warum dieser Nobelpreisträger so große Spuren hinterlassen hat, während die Namen anderer Preisträger aus jenen Jahren kaum noch in Erinnerung geblieben sind. Und, auch das ist außergewöhnlich in der Weltliteratur, Ernest Hemingways Geschichten werden mit großer Hingabe verschlungen, vor allem von einfachen Menschen.
Selbst Männer und Frauen, die sonst keine begeisterten Leser sind, kennen und schätzen ihn, erliegen der Faszination seiner Geschichten und Romane. Ernest Hemingway, den seine Freunde liebevoll Papa nennen, ist nicht unbedingt ein Schriftsteller für den gebildeten Adel. Ganz im Gegenteil. Ernest Hemingway mag die einfachen Leute, was in diesem so kultivierten Stand ungewöhnlich ist, und die einfachen Leute mögen ihn.
Diesem Hallodri ist es wie keinem anderen gelungen, die Zerrissenheit der menschlichen Existenz zu erkennen und sie verständlich zwischen zwei Buchdeckel zu quetschen. Denn er hat sie mit jeder Pore seines Daseins erlebt und erspürt. Die hehren Ideale der Jugend und die kleinen und großen Sehnsüchte des Erwachsenenlebens, vor allem die Lust an der Liebe und die Bewahrung der Selbstachtung.
Der hemdsärmelige Amerikaner aus dem Mittleren Westen hat auch über die menschliche Unsicherheit und Angst geschrieben und darüber, dass wir am Ende mit leeren Händen dastehen. Aber dass wir die Achtung vor uns selbst nicht verlieren dürfen, was immer geschehen mag. Das ist seine wichtigste Botschaft. A man can be destroyed but not defeated.
Ein Mensch kann vernichtet werden, aber nicht besiegt. So lautet sein Credo. Die Würde jedes Menschen ist unantastbar. Man selbst muss am meisten darauf achtgeben. Seine Bücher bohren sich gewaltig in die Seele der Menschen hinein. So wie seine Prosa frei ist von jedem Schnickschnack, so sind es seine Themen. Deshalb kann man ihn noch heute lesen, seine Botschaften erscheinen zeitlos.
Schreibe einen Kommentar