Die Familie Hemingway in Oak Park, im Jahr 1906: Die Schwestern Marcelline und Madelaine, Vater Clarence, Mutter Grace, Schwester Ursula und Ernest. (v. l. n. r.); Credit Line: Ernest Hemingway Collection. John F. Kennedy Presidential Library and Museum, Boston.

Ernest Miller Hemingway wird um acht Uhr morgens geboren, am 21. Juli 1899 in Oak Park, Illinois, einem Vorort von Chicago. Der konservative Wohngürtel um die Großstadt mit den vielen Kirchen und Kapellen hat so gar nichts am Hut mit dem liberalen Geist der Handelsmetropole. Die liegt zwar nur zehn Meilen von Oak Park entfernt, doch bewegt sich dort das Leben mental wie auf einem anderen Planeten.

Im Grunde genommen blicken die gutbürgerlichen Bewohner des Stadtrandes voller Verachtung nach Norden auf das Lotterleben Chicagos. In der Großstadt prägen Wirtschaftskrisen, soziale Konflikte, ein kaum versteckter Rassismus und die allgegenwärtige Mafia den Alltag, damit will man im wohlhabenden Speckgürtel nichts zu tun haben. 

Ernest wächst auf in einer angesehenen Familie, die nach außen wie ein Tugendhort erscheint. Die Hemingways gehören zur oberen Mittelschicht, der Vater arbeitet als praktizierender Mediziner, die Mutter ist Opernsängerin und Malerin. Die Familie besitzt ein dreistöckiges herrschaftliches Haus an der Oak Park Avenue, materiell fehlt es der Familie Hemingway an nichts.

Ernest hat fünf Geschwister, den jüngsten Bruder Leicester und die vier Schwestern Marcelline, Madelaine, Ursula und Carole. Es wird viel kammermusiziert in der Familie, jedes Familienmitglied spielt ein Instrument, Ernest bekommt das Cello zugewiesen. Nur mit Widerwillen nimmt er an den Konzerten, auch den öffentlichen, in ihrem Bezirk, teil.

Von 1913 bis 1917 besucht Ernest die Oak Park and River Forest High School. Er ist ein hochgewachsener Bursche, der viele Sympathien auf sich zieht. Er begeistert sich für den Sport, speziell fürs Boxen, das Schwimmen und den Football, und er spielt zwei Jahre im Schulorchester. Auch bei den Mädchen der Schule hat er einen Schlag, es gibt schon den einen oder anderen Schwarm.

Seine besten Leistungen verbucht er im Englischunterricht, wo er die Lyrik und die Romane verschlingt und wo er auch mit journalistischen Erzählformen in Berührung kommt. Ernest veröffentlicht erste Artikel in The Trapeze, in der Schulzeitung, und in Tabula, dem Jahrbuch der Schule. Schon früh erkennt man schreiberisches Talent, ebenso wie das gesunde Selbstbewusstsein des jungen Mannes.

Der Wunsch, Journalist und Schriftsteller zu werden, wird jedenfalls bereits in der Schule gelegt. Der junge Ernest Hemingway bewundert vor allem den volkstümlichen Schriftsteller Mark Twain, der zu seinem literarischen Vorbild werden sollte. In den kurzweiligen Lausbubengeschichten von Tom Sawyer und Huckleberry Finn entlarvt der scharfzüngige Twain mit genauer Beobachtungsgabe den alltäglichen Rassismus und die Bigotterie der weißen Mittelschicht im amerikanischen Süden.

Nach außen geben die Hemingways eine intakte Familie, doch emotional erlebt Ernest ein Wechselbad der Gefühle. Im Haus an der Oak Park Avenue herrscht die calvinistische Askese des Mittelwestens, nicht zuletzt im emotionalen Miteinander. Die Eltern schlagen die Kinder und die Mutter steckt den kleinen Ernest gerne in Mädchenkleider und lässt seine Haare lang wachsen wie bei einem Mädchen.

Die Gefühlswelt im Elternhaus von Oak Park bleibt puritanisch kühl und auf das produktive Funktionieren ausgerichtet. Das Heim in Oak Park kann kein Vorbild für den jungen Ernest sein. Kaum achtzehn, da macht er sich rasch aus dem Staub. Nach Kansas, als Lokalreporter zum City Star, ein paar Monate später als Freiwilliger des Red Cross Ambulance Corps nach Italien, an die Front des Ersten Weltkriegs.

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