Auf den Fersen von Ernest Hemingway

Schlagwort: Jules Pascin

Ernest Hemingway mit Pascin im Dôme

Jules Pascin: Ein Mann mit einem Glas Wein. In Paris. Aus dem Jahr 1923.

Paris in den 1920er Jahren ist für jemanden, der in der calvinistischen Enge des amerikanischen Mittelwestens groß geworden ist, ein himmelweites Paradies der Sinnenfreude. Während in der Heimat Wirtschaftskrisen, Mafia und Prohibition die gute Laune verderben, hockt der aus dem Land vertriebene Müßiggang im Café de Flore in Saint-Germain-des-Prés und nippt an einem Cabernet

Die französische Hauptstadt zieht all die jungen Frauen und Männer an, die auf Neues aus sind. Maler mit frischen Stilformen, Schriftsteller mit rasanten Texten, Komponisten, denen acht Töne nicht genügen. Ernest Hemingway wird hineingeworfen in diese quirlige Welt, er taucht ein, er lernt und er genießt die Unbeschwertheit und das Wohlbehagen an der Seine. 

Der junge Amerikaner, er ist Anfang 20, lernt die kulturelle Avantgarde jener neuen Zeitepoche kennen. Ernest Hemingway trifft auf Ezra Pound, James Joyce, Joan Miró, Pablo Picasso, Gertrude Stein, Ford Madox Ford, F. Scott Fitzgerald. Man nennt sie die lost generation, die verlorene Generation, weil nach dem schlimmen Krieg die Werte modrig geworden sind, und das Neue erst langsam an Kontur gewinnt.

An einem Abend trifft Ernest Hemingway im Café du Dôme am Boulevard du Montparnasse den bulgarischen Maler Jules Pascin. Der Expressionist, Jahrgang 1885, macht vor allem durch freizügige Frauenakte von sich reden. Hemingway gesellt sich zu dem Maler, der mit zwei bildhübschen jungen Frauen, seinen Modells vom Arbeitstag, an einem Tisch sitzt.

Im Laufe des Gesprächs fragt ein zunehmend betrunkener Pascin den US-Amerikaner, ob er nicht mit einer der beiden Frauen in Bett möchte. Und prompt macht sich dann eine der Schönen fordernd an den Schriftsteller heran, zeigt ihre Reize, Pascin bietet sein Atelier als Liebesnest an. Doch Ernest Hemingway löst sich aus der lasziven Situation, verabschiedet sich und geht nach Hause zu seiner Ehefrau Hadley.

Jules Pascin ist ein Ruheloser. Budapest, Wien, London, München, Berlin, die USA, der Bulgare reist viel. Dies hat er mit Hemingway gemein. Die beiden verstehen sich gut. Der Mann aus Chicago mag den Stil des Künstlers und seinen jovialen Charakter. Pascin war ein sehr guter Maler, und er war betrunken, ständig, vorsätzlich betrunken, aber bei klarem Verstand. In der Tat malt Pascin wie ein Besessener, Tausende Bilder und Skizzen.

Ein manischer Künstler, angetrieben von Rastlosigkeit und dem Alkohol. Im Grunde seines Herzens indes ein Romantiker. Hin und her gerissen zwischen Ehefrau, Geliebte und seinen Modells. Wenn er feiert, und er feiert jeden Tag, findet man ihn in den Bars und Restaurants von Paris, umringt von Freunden und koketten Frauen. Seine Bilder verkaufen sich gut, das schöne Geld fließt in den Wein.

Das Schicksal meint es nicht gut mit dem Maler. Früher hat er farbenprächtige Landschaften auf Kuba und in Mexiko gezeichnet, mit der Zeit werden seine Gemälde und Zeichnungen

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Ernest Hemingway und Joachim Ringelnatz

In Hamburg lebten zwei Ameisen,
die wollten nach Australien reisen.
Bei Altona auf der Chaussee,
da taten ihnen die Beine weh,
und da verzichteten sie weise
denn auf den letzten Teil der Reise.

In seiner Erzählung The Green Hills of Africa – zu Deutsch Die grünen Hügel Afrikas – beschreibt Ernest Hemingway im Jahr 1935 eine skurrile Episode. Der Amerikaner, auf Antilopen-Jagd in Afrika, trifft in der einsamen Steppe auf einen Safari-Kameraden aus Tirol. Der Schriftsteller stellt sich dem Österreicher vor.

„Hemingway ist meine Name.“
„Kandisky“, sagte er und verbeugte sich. „Den Namen Hemingway habe ich schon einmal gehört. Wo? Wo habe ich ihn schon gehört? Ach, ja. The Dichter. Kennen Sie Hemingway, den Dichter?“
„Wo haben Sie etwas von ihm gelesen?“
„Im Querschnitt.“
„Das bin ich“, sagte ich, hocherfreut. 

Und in der weiten Steppe Ostafrikas unterhält der schrullige Österreicher sich ausführlich mit dem US-Amerikaner Ernest Hemingway über die moderne Literatur Deutschlands. Der Österreich fragt neugierig nach.

„Sagen Sie, was halten Sie von Ringelnatz?“
„Er ist brillant.“
„So. Sie mögen also Ringelnatz. Gut. Was denken Sie über Heinrich Mann?“
„Der taugt nichts.“
„Glauben Sie wirklich?“
„Ich weiß nur, dass ich ihn nicht lesen kann.“

Ernest Hemingway hält Joachim Ringelnatz für brillant. He is splendid, heißt es im Original. Famos, glanzvoll, großartig. Der US-Autor hält große Stücke auf den Deutschen aus Wurzen. Und der Sachse kommt in The Green Hills of Africa ein weiteres Mal vor. Dass er in der afrikanischen Buschlandschaft auf an admirer of Joachim Ringelnatz trifft, es wundert ihn, so schreibt Hemingway an anderer Stelle.

Der Amerikaner hat in seiner Pariser Zeit einen Zugang zu Deutschland und Einblick in die deutsche Literatur erhalten. Ein wenig ist er der deutschen Sprache mächtig, durch die mehrmonatigen Winterurlaube im Vorarlberg beherrscht er ein paar Brocken. Der Mann aus Chicago befasst sich mit Joachim Ringelnatz, mit Rainer Maria Rilke, mit Erich Maria Remarque und mit Stefan Zweig. Deutsche Autoren lassen ihn nicht kalt, er erkennt ihre Qualität, Hemingway bildet sich sein Urteil. Er teilt ein in jene, die er mag und jene, von denen er nichts hält.

Auch Ringelnatz besitzt einen Bezug zu Paris. Im Jahr 1925 reist er für

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