Auf den Fersen von Ernest Hemingway

Schlagwort: Pazifik

Cabo Blanco – ein wenig verloren

Cabo Blanco am peruanischen Pazifik, winzig und arg verschlafen,
ein vergessenes Kaff so ziemlich am Arsch der Welt. Ein kleines Paradies also.
Photo by W. Stock

Die massigen Berge und die aschfahle Wüste, die Cabo Blanco umzingeln, scheinen das schmale Fischerdorf geradezu ins Meer drücken zu wollen. Wenn man vom Sechura-Plateau mit dem Auto die staubigen Serpentinen hinunter an die Küste fährt und diesen geruhsamen Flecken erblickt, so kommt dem Besucher Cabo Blanco auf den ersten Blick ein wenig verloren und vergessen vor.

Hinter dem blauen Ortsschild Playa Cabo Blanco hat sich das Leben demgegenüber über die Jahrzehnte hinweg auf eine gemächliche Taktung eingestellt, mit kleinem Handel, kleinen Dienstleistungen und mit dem Fang kleiner Fische. Alles scheint sehr übersichtlich und klein, das Dorf und seine Bewohner sind gewohnt in bescheidener Größenordnung zu denken.

Die Bewohner Cabo Blancos sind arm, leben jedoch nicht im Elend. Denn Cabo Blanco ist ein kleines Fischernest, das sich zur Not vom Fischfang selber ernähren kann und deshalb mit der Welt da draußen nicht allzu viel am Hut hat. Der Fischfang erlaubt dem Dorf seit jeher eine genügsame Autarkie, man braucht nicht viel, um an der Pazifikküste Perus über die Runden zu kommen.

Man findet im Dorf viele prächtige Menschen, selbstbewusste Indios und Mestizen, die stolz sind auf ihren Fischerberuf und die Meisterung ihres beschwerlichen Alltags. Die kleine Kapelle, die drei kleinen Restaurants und die einfachen farbenfrohen Häuser der Costeños leuchten jedenfalls heiter und fröhlich unter dem azurblauen Himmel, auch wenn hier und da der Lack und der Putz ein wenig zerbröselt scheinen.

Cabo Blanco ist ein winziges Dorf ohne echten Dorfkern, ein länglicher Streifen die Küste entlang, mit bescheidenen Gebäuden aus Lehm oder Holz auf der einen Seite der staubbedeckten Straße, und auf der anderen Seite liegt das große Meer. Zu Fuß hat man das Dorf von oben bis unten in

Loading

Don Máximo aus Cabo Blanco liebt das Meer und das Fischen

Máximo Jacinto Fiestas – auf dem Foto als Maat auf Hemingways Boot und heute.
Photo by W. Stock

Máximo Jacinto Fiestas, der pausbäckige Maat, der dem Schriftsteller die Köder präparierte und mit ihm auf hoher See den Johnnie Walker trank, ist verdammt dünn geworden. Er lebt im Norden von Cabo Blanco, an der Carretera nach El Ñuro, einen Steinwurf vom Pazifik Perus entfernt, in einem bescheidenen Häuschen. Freundlich empfängt uns der Greis und bittet uns in sein kleines Haus.

Dort findet man im Wohnzimmer eine schmale Kommode, auf der gerahmte Fotos stehen, dahinter ist die Holzwand hochgezogen mit angehefteten Bildern, ein Aufbau, der einem katholischen Altarschrein gleicht. Die zahlreichen Fotos auf dem Tisch und an der Wand kennen nur ein Thema, sie alle halten die Ereignisse aus dem Jahr 1956 wach.

„Das war die beste Begegnung in meinem Leben, ich bin Gott dankbar, dass ich Ernesto kennenlernen durfte“, murmelt der 93-Jährige glücklich. „Don Ernesto war der umgänglichste Gringo, der je nach Cabo Blanco gekommen ist. Ich kann es nicht erklären, aber er war so ganz anders als die anderen.“ Man habe sich gut verstanden, aber Hemingway habe nicht viel Spanisch gesprochen.

Dieses Bild hat ein leeres Alt-Attribut. Der Dateiname ist 2HemingwayCaboBuch-840x1024.jpg

Der junge Fischer Máximo Jacinto Fiestas mit Ernest Hemingway auf dem peruanischen Pazifik vor Cabo Blanco. Photo by Modeste von Unruh.

Don Máximo Jacinto, so geht die Fama um in seinem Dorf, sei in seinen Tagen der beste Carnalero zwischen Tumbes und Chiclayo gewesen. Carnalero, so nennen die Einheimischen jene Fischer mit der Fertigkeit die Carnada, den für die Großfisch-Jagd so entscheidenden Köder, fachgerecht zu präparieren. Und Ernest Hemingways Köder-Präparator erzählt noch heute mit Stolz von der Begegnung mit dem berühmten Schriftsteller. „Auf einer Ausfahrt hatte sich ein Marlin mit der Angelschnur unter dem Boot verheddert. Hemingway rief mich, ich zog mir die Badehose an und ging unter das Boot. Auch das gehörte zu meinen Aufgaben.“ Die Augen des alten Fischers lächeln schelmisch. „Mit einer Zange schnitt ich die Angelschnur durch, damit der Marlin sich befreien konnte.“

Das Schicksal hat dem Fischer Máximo Jacinto nicht immer gut mitgespielt. Er ist fast blind, und er mag am liebsten seinen Stuhl auf der Veranda nicht verlassen. Doch der Fischer Máximo Jacinto Fiestas aus Cabo Blanco ist keiner, der dem Leben große Vorhaltungen macht. „Ich bin mit meinen Leben zufrieden, weil ich das Meer und das Fischen liebe.“ Pescar, den Fisch fangen, das sei seine Aufgabe gewesen, die Pesca habe für sein Auskommen gesorgt. Das Meer hat sein Leben geprägt, dies hat er mit seinem berühmten Freund gemeinsam. „Deshalb bin ich auch in der dritten Klasse von der Grundschule weg und Fischer geworden.“

Der greise Mann, der in seinem Schaukelstuhl alte Tageszeitungen liest, scheint mit dem Leben, so wie es nun mal ist, in Harmonie. Er hat seine Ziele erreicht, was ja nicht jeder sagen kann, wo auch immer er leben mag. „Ich habe meine Familie zusammen gehalten. Einer meiner Söhne ist Taucher und zwei meiner Töchter haben sich mit Fischern verheiratet.“ Eine grenzenlose Wertschätzung besitze er für das Meer, ja, eine fast göttliche Hochachtung. Der Natur muss man nur gehorchen, man darf sie nicht dominieren wollen. Dafür gibt dir das Meer viel zurück, es lässt dich innerlich zur Ruhe kommen. So ähnlich sieht es Ernest Hemingway, der bärtige Amerikaner blickt wie ein Fischer auf die Welt.

Er könne zwar nicht mehr die Strandpromenade entlang schlendern wie noch vor einiger Zeit, aber er liest jeden Tag seine Zeitungen und gerade sei ein

Loading

Ernest Hemingways azurblauer Himmel über Cabo Blanco bleibt

Eine Ruine unter blauem Himmel. Der ‚Cabo Blanco Fishing Club‘ verfällt mehr und mehr.
Photo by W. Stock

Nach 14 Jahren ist die Party an der Nordküste Perus vorüber. Im März 1954 haben die Mitglieder die Eröffnung des Cabo Blanco Fishing Clubs voller Zuversicht gefeiert, im Jahr 1968 kann das exklusive Anwesen, in dem Ernest Hemingway im April und Mai 1956 fünf Wochen verbracht hat, seine Aktivitäten nicht mehr aufrecht erhalten. Mit dem Sturz des rechtschaffenen Präsidenten Fernando Belaúnde Terry durch linke Militärs im Jahr 1968 folgen zwölf dunkle Jahre für Peru.

Für Späße wie jene, die im Fishing Club veranstaltet werden, ist in den kruden revolutionären Phantasiegebilden der Militärs kein Platz vorgesehen. Die Zufahrt nach Cabo Blanco wird von der Armee bereits hinter El Alto gesperrt, der Fishing Club ist damit von der Außenwelt abgeschnitten. Im Putschmonat Oktober des Jahres 1968 stellt der Cabo Blanco Fishing Club dann auch die Aktivitäten für seine Mitglieder offiziell ein.

Heute schimmelt der Cabo Blanco Fishing Club im Süden auf der kleinen Anhöhe vor dem schönen Meer lustig vor sich hin. Das ehemals elitäre Klubhotel ist zu einem geisterhaften Gemäuer verfallen, dessen Niedergang jeden Tag unaufhörlich fortschreitet. Der Schriftzug Cabo Blanco Fishing Club über der breiten blauen Eingangspforte ist abgeblättert und nur noch schemenhaft zu erkennen. Überall bröckelt der Putz, das Glas der Fensterscheiben ist an vielen Stellen zerborsten.

Dieses Bild hat ein leeres Alt-Attribut. Der Dateiname ist CBFCEntradaBuch-1024x906.jpg

Die Schrift über dem Eingang zum ‚Cabo Blanco Fishing Club‘ ist nur noch schemenhaft zu erkennen. Photo by W. Stock

Die Ruine zeigt sich halb verfallen und ist für Menschen unbewohnbar. Fließend Wasser fließt hier schon lange nicht mehr, von Elektrizität zeugen nur dem Mauerwerk entrissene Stromleitungen. Feuchtigkeit ist in die Wände und in den Boden eingedrungen, die Decke ist an vielen Stellen eingerissen und droht nun ganz herabzufallen, eine Renovierung wäre vollkommen nutzlos.

Und auch der windige Strand vor dem Klubhaus döst verlassen und menschenleer vor sich hin. Die Auffahrt zum Fishing Club, einst mystisch von Marlinflossen auf hohen Holzpfählen gesäumt, ist heute

Loading

Hollywood am peruanischen Pazifik

Ernest Hemingway und die Film-Crew auf dem Pazifik vor Cabo Blanco, im April 1956

Im peruanischen Cabo Blanco, auf dem Pazifik, sollen im April und Mai 1956 die Außenaufnahmen für die Hollywood-Verfilmung von Der alte Mann und das Meer gedreht werden. Der Schriftsteller will diese Dreharbeiten auf dem Ozean ein wenig überwachen und zugleich eine gute Zeit verleben. Die Rechnung, sie wird nicht unbeträchtlich ausfallen, geht an Warner Bros., die Produktionsfirma, nach Los Angeles.

Die Filmaufnahmen für Der alte Mann und das Meer sind dem Schriftsteller wichtig, denn die Novelle über den Fischer Santiago hat ihm den Nobelpreis eingebracht. Der Film muss die Erwartungen erfüllen, natürlich, doch der Autor will in Peru eine Trophäe erringen, die ihm in seiner Sammlung noch fehlt. Ernest Hemingway, so hat er sich vorgenommen, will im Pazifik vor Cabo Blanco einen schwarzen Marlin fangen. 

Die Filmleute aus dem kalifornischen Hollywood sind schon Tage zuvor in aller Frühe in Cabo Blanco eingetroffen. Neben dem Produktionsleiter Allen Miner gehören zur Film-Crew William Classen, ein bekannter Grip-Aufbautechniker, die Kameraleute und Tontechniker Joseph Barry, Louis Jennings, Stuart Higgs und John Dany. Allen Miner, der den Dokumentarstreifen The Naked Sea gedreht hat, gilt als Fachmann für Filmaufnahmen auf hoher See.

Die Filmleute gehören zu jener Abteilung, die man in Hollywood Second Unit nennt. Damit ist jene schlagkräftige zweite Garnitur gemeint, die parallel zur First Unit dreht und der die besonders kniffligen Szenen aufgebrummt werden. Die First Unit weilt auf Kuba und dreht die Hauptszenen mit Spencer Tracy. Der Plan der Second Unit ist, mit drei Booten weit rauszufahren, die schwarzen Marline mit Hilfe der einheimischen Fischer im Pazifikmeer auszumachen und die wuchtigen Tiere anschließend mit den Booten einzukreisen. 

In Cabo Blanco hören die Amerikaner besonders auf den Rat von

Loading

Peru in Ernest Hemingway

Ernest Hemingway mit Mario Saavedra; Talara/Peru, am 16. April 1956; Foto: Guillermo Alias

Mario Saavedra sieht sein Idol und dessen Zeit in Cabo Blanco nicht nur durch die rosarote Brille. „Hemingway hätte sich ruhig ein wenig mehr auf Peru einlassen sollen“, kritisiert der betagte Limeño im Gespräch, „er wollte jedoch nicht nach Lima oder sonst wo hin, nur der Cabo Blanco Fishing Club hat ihn interessiert, aber der Fishing Club ist nicht Peru. Und unser Pisco Sour hat ihm wohl auch nicht so gut geschmeckt, wie er immer behauptet hat“, erinnert sich der Mann des El Comercio mit leichten Zweifeln an den Verlautbarungen des Nobelpreisträgers.

Mario, der stolze Südamerikaner, hat in Sachen Ernest Hemingway und Peru eine widersprüchliche Persönlichkeit vor Augen: „Andererseits hat er mich mit ehrlicher Neugierde nach Machu Picchu gefragt, nach der Umgebung, oder wie hoch dieser wundersame Ort liegt. Auch wollte er Lima besuchen, das Nachtleben dort kennenlernen, weil er in der Nacht am intensivsten lebt.“ Jedoch nichts passierte außer Worte. „Zuerst wollte er nach Lima kommen, dann hat er es auf Oktober verschoben, weil da die Stierkampf-Saison auf der Plaza de Acho anfängt. Gekommen ist er dann aber gar nicht.“

Wobei auch Mario Saavedra zugeben muss, dass

Loading

Präsentiert von WordPress & Theme erstellt von Anders Norén