Auf den Fersen von Ernest Hemingway

Schlagwort: Übersetzung

Ernest Hemingway: Schnee auf dem Kilimandscharo. Drei Übersetzungen

Ernest Hemingway: The Snows of Kilimanjaro (Schnee auf dem Kilimandscharo).

Wohl die schönste Prosa aus der Feder von Ernest Hemingway. The Snows of Kilimanjaro. Zu Deutsch: Schnee auf dem Kilimandscharo. Eine eher lange Kurzgeschichte von etwa 40 Seiten.

Im August 1936 wird diese Short Story in der Zeitschrift Esquire erstveröffentlicht und im Jahr 1938 in die Sammlung The Fifth Column and the First Forty-nine Stories aufgenommen. 
Der Schriftsteller Harry, auf Safari in Ostafrika, liegt im Sterben, der schneebedeckte Gipfel des Kilimandscharo in Sichtweite. Nachstehend eine meiner Lieblingsstellen.

All he could see, as wide as all the world, great, high, and unbelievably white in the sun, was the square top of Kilimanjaro. And he knew that there was where he was going.
Ernest Hemingway, 1936

  • Dort vor ihnen, so weit er sehen konnte, so weit wie die ganze Welt, groß, hoch und unvorstellbar weiß in der Sonne war der flache Gipfel des Kilimandscharo. Und dann wußte er, dorthin war es, wohin er ging. 
    Annemarie Horschitz-Horst, 1961
  • Und er sah, weit wie die ganze Welt, riesenhaft und hoch und unglaublich weiß in der Sonne, den breiten Gipfel des Kilimandscharo. Und dann wusste er, das war der Ort, an den er ging.
    Werner Schmitz, 2015
  • Dort vor ihnen, so weit das Auge reichte, so fern wie die ganze Welt, großartig, gewaltig und unvorstellbar weiß in der Sonne war der kantige Gipfel des Kilimandscharo. Und dann wusste er, dorthin war es, wohin er ging. 
    Wolfgang Stock, 2023

Man kann die Prosa des Ernest Hemingway verschieden übersetzen. Man muss sich nur tief einfühlen in seine Welt. Übersetzungen von Hemingway sind fast

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Übersetzer Werner Schmitz: Wie Ernest Hemingway dem Leser auf die Sprünge hilft, das ist große Kunst

Werner Schmitz. Der Rheinländer ist seit 40 Jahren der deutsche Übersetzer von Ernest Hemingway. © W. Schmitz

Werner Schmitz ist die deutsche Stimme des Ernest Hemingway. Der gebürtige Kölner vom Jahrgang 1953 hat Glücklich wie die Könige (Ausgewählte Briefe) (1984), Gefährlicher Sommer (1986), Der Garten Eden (1987), Reportagen 1920-1924 (1990), Neues vom Festland (1992), Die Wahrheit im Morgenlicht (1999), Paris – Ein Fest fürs Leben (2011), Der alte Mann und das Meer (2012), Fiesta (2013), Schnee auf dem Kilimandscharo und andere Kurzgeschichten (2015), In einem anderen Land (2018) und Wem die Stunde schlägt (2022) übersetzt oder neu übersetzt.

Neben Ernest Hemingway hat Werner Schmitz sich einen Namen als Übersetzer von Paul Auster, Malcolm Lowry, Philip Roth, John le Carré und anderen gemacht. Er hat ursprünglich Volkswirtschaftslehre studiert, bevor er Übersetzer wurde. Werner Schmitz lebt in Celle.

Mit Hemingways Welt spricht Werner Schmitz über seine Tätigkeit als Übersetzer von Ernest Hemingway.

Wenn man ein Dutzend Werke eines Schriftstellers übersetzt, rückt dieser einem mit der Zeit emotional näher?
Ich hatte fast seit Beginn meiner Übersetzertätigkeit mit Hemingway zu tun. Gleich als erstes hat man mir als noch relativ unerfahrenem Übersetzer die Briefe Hemingways anvertraut, und dort ist er mir schon sehr nahe gekommen, noch näher in der psychoanalytischen Hemingway-Biographie von Kenneth Lynn, die ich ebenfalls übersetzen durfte. Seine Romane und Erzählungen, die ich dann in den folgenden Jahrzehnten übersetzt habe, sind ja nicht wirklich autobiographisch, auch wenn sie natürlich viel über ihn aussagen. In meiner Jugend hatte ich einiges von ihm gelesen und einen eher zwiespältigen Eindruck von ihm als Menschen gewonnen. Mittlerweile glaube ich ihn ganz gut zu verstehen und kann manches nachvollziehen, worüber ich vor vier Jahrzehnten noch den Kopf geschüttelt hätte.

Bleibt eine professionelle Distanz?
Die professionelle Distanz, die ich grundsätzlich bei allen Autoren zu wahren versuche, die ich übersetze, ist mir über die 40 Jahre, die ich mich mittlerweile mit Hemingway befasse, ein wenig verloren gegangen. Was ich nicht unbedingt als nachteilig empfinde, weil persönliche Nähe natürlich dabei hilft, schwierigere oder dunklere Stellen zu verstehen, die mir sonst vielleicht unverständlich geblieben wären.

Als Mensch war er ja ein ziemlicher Kotzbrocken. Ein Schnapsbruder, ein Frauenheld, ein Wüterich. Mögen Sie ihn trotzdem?
Doch, ich mag ihn trotzdem. Menschliche Schwächen sind ja nichts Unsympathisches, erst recht bei denen, die so viel aus ihrem Leben machen und so großartige Kunstwerke erschaffen, und wenn man dazu nimmt, wie dramatisch und traurig sein Leben geendet hat …

Warum ist er heute noch so populär? Was hat er als Autor richtig gemacht?
Dass er heute noch so populär ist wie vor 50 oder 80 Jahren, wage ich zu bezweifeln. Seine frühere Popularität erwarb er sich schließlich mit Eigenarten und Verhaltensweisen, die dem jetzt herrschenden Zeitgeist diametral entgegengesetzt sind. Ich vermute, heute wird er eher heimlich bewundert.

Wer Ernest Hemingway übersetzt, muss sich in Macho-Disziplinen auskennen. Fischen, Jagen, Boxen, Baseball, Stierkampf. Dazu kubanisches Spanisch. Wie meistert ein Übersetzer diese Herausforderungen?
Möglichst durch Lernen. Alles selbst nachmachen wäre sicher hilfreich, ist aber mir jedenfalls nicht möglich. Aber ich habe mir zum Beispiel von Anglern oder Sportfachleuten das nötige Vokabular erklären lassen, und ich kenne Spanisch-Übersetzer, die sehr auskunftsfreudig sind.

Ihrer Vorgängerin Annemarie Horschitz-Horst wird häufig vorgeworfen, es mit einzelnen Begriffen nicht so genau genommen zu haben. Auf der anderen Seite hat sie den Hemingway-Sound im Deutschen geprägt. Wie geht man mit so einem Erbe um?
Schwierige Frage. Im Grunde bin ich mit dem Erbe gar nicht umgegangen, sondern habe Hemingway ohne genauere Kenntnis der alten Übersetzungen übersetzt, was insbesondere bei den Erst-Übersetzungen aus dem Nachlass naturgemäß sowieso nicht möglich gewesen wäre. Und was den Umgang mit einzelnen schwierigen Begriffen angeht, muss ich meine Vorgängerin in Schutz nehmen: Heute findet man im Internet so ziemlich alles, nicht nur ausführlichste Interpretationen fast aller Texte Hemingways, sondern auch unzählige Glossare zu Themen wie Fliegenfischen, Hochseeangeln, Stierkampf und so weiter. Da hat man es schon leichter, einzelne Begriffe genauer wiederzugeben.

Wie schafft man es, die für Ernest Hemingway so typische Sprachmelodie im Deutschen hinzubekommen?
Ich hatte bei der Lektüre Hemingways im Original ziemlich von Anfang an einen deutschen „Sound“ im Kopf und mir überlegt, wie ich diese scheinbar „einfache“ Sprache übersetzen könnte, ohne ins Einfältige abzurutschen. Sehr geholfen hat mir die Bemerkung Hemingways, er strebe danach, so zu schreiben wie Cézanne malt. Das heißt, die Wirklichkeit – er selbst spricht oft von „Wahrheit“ – ohne jedes Beiwerk abbilden, reduziert und schnörkellos, etwa nach dem Motto: „Die Straße war weiß, die Bäume grün, die Berge braun.“ Ähnlich wie das Gehirn des Betrachters die von Cézanne nur grob gemalten Szenen zu einer „realen“ Landschaft ergänzt, so dass man etwas viel Detailreicheres wahrnimmt als tatsächlich auf der Leinwand vorhanden ist.

Was wir ja auch bei seinen Dialogen bemerken…
So ist es. Hemingway lässt seine Protagonisten in den Dialogen gerade so viel sagen, dass die Vorstellungskraft des Lesers gefordert ist, sich den Rest selbst zu denken – und mit welchen Mitteln Hemingway dem Leser dabei auf die Sprünge hilft, das ist große Kunst, die ich immer wieder bewundere.

But a man is not made for defeat. Ein Mann oder ein Mensch? Er darf nicht aufgeben. Oder: Er darf sich nicht besiegen lassen. Wie weit sollte ein Übersetzer die Schraube ins Interpretatorische drehen?
Ich denke, Hemingway, der alte Macho, spricht hier

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