Werner Schmitz ist die deutsche Stimme des Ernest Hemingway. Der gebürtige Kölner vom Jahrgang 1953 hat Glücklich wie die Könige (Ausgewählte Briefe) (1984), Gefährlicher Sommer (1986), Der Garten Eden (1987), Reportagen 1920-1924 (1990), Neues vom Festland (1992), Die Wahrheit im Morgenlicht (1999), Paris – Ein Fest fürs Leben (2011), Der alte Mann und das Meer (2012), Fiesta (2013), Schnee auf dem Kilimandscharo und andere Kurzgeschichten (2015), In einem anderen Land (2018) und Wem die Stunde schlägt (2022) übersetzt oder neu übersetzt.
Neben Ernest Hemingway hat Werner Schmitz sich einen Namen als Übersetzer von Paul Auster, Malcolm Lowry, Philip Roth, John le Carré und anderen gemacht. Er hat ursprünglich Volkswirtschaftslehre studiert, bevor er Übersetzer wurde. Werner Schmitz lebt in Celle.
Mit Hemingways Welt spricht Werner Schmitz über seine Tätigkeit als Übersetzer von Ernest Hemingway.
Wenn man ein Dutzend Werke eines Schriftstellers übersetzt, rückt dieser einem mit der Zeit emotional näher?
Ich hatte fast seit Beginn meiner Übersetzertätigkeit mit Hemingway zu tun. Gleich als erstes hat man mir als noch relativ unerfahrenem Übersetzer die Briefe Hemingways anvertraut, und dort ist er mir schon sehr nahe gekommen, noch näher in der psychoanalytischen Hemingway-Biographie von Kenneth Lynn, die ich ebenfalls übersetzen durfte. Seine Romane und Erzählungen, die ich dann in den folgenden Jahrzehnten übersetzt habe, sind ja nicht wirklich autobiographisch, auch wenn sie natürlich viel über ihn aussagen. In meiner Jugend hatte ich einiges von ihm gelesen und einen eher zwiespältigen Eindruck von ihm als Menschen gewonnen. Mittlerweile glaube ich ihn ganz gut zu verstehen und kann manches nachvollziehen, worüber ich vor vier Jahrzehnten noch den Kopf geschüttelt hätte.
Bleibt eine professionelle Distanz?
Die professionelle Distanz, die ich grundsätzlich bei allen Autoren zu wahren versuche, die ich übersetze, ist mir über die 40 Jahre, die ich mich mittlerweile mit Hemingway befasse, ein wenig verloren gegangen. Was ich nicht unbedingt als nachteilig empfinde, weil persönliche Nähe natürlich dabei hilft, schwierigere oder dunklere Stellen zu verstehen, die mir sonst vielleicht unverständlich geblieben wären.
Als Mensch war er ja ein ziemlicher Kotzbrocken. Ein Schnapsbruder, ein Frauenheld, ein Wüterich. Mögen Sie ihn trotzdem?
Doch, ich mag ihn trotzdem. Menschliche Schwächen sind ja nichts Unsympathisches, erst recht bei denen, die so viel aus ihrem Leben machen und so großartige Kunstwerke erschaffen, und wenn man dazu nimmt, wie dramatisch und traurig sein Leben geendet hat …
Warum ist er heute noch so populär? Was hat er als Autor richtig gemacht?
Dass er heute noch so populär ist wie vor 50 oder 80 Jahren, wage ich zu bezweifeln. Seine frühere Popularität erwarb er sich schließlich mit Eigenarten und Verhaltensweisen, die dem jetzt herrschenden Zeitgeist diametral entgegengesetzt sind. Ich vermute, heute wird er eher heimlich bewundert.
Wer Ernest Hemingway übersetzt, muss sich in Macho-Disziplinen auskennen. Fischen, Jagen, Boxen, Baseball, Stierkampf. Dazu kubanisches Spanisch. Wie meistert ein Übersetzer diese Herausforderungen?
Möglichst durch Lernen. Alles selbst nachmachen wäre sicher hilfreich, ist aber mir jedenfalls nicht möglich. Aber ich habe mir zum Beispiel von Anglern oder Sportfachleuten das nötige Vokabular erklären lassen, und ich kenne Spanisch-Übersetzer, die sehr auskunftsfreudig sind.
Ihrer Vorgängerin Annemarie Horschitz-Horst wird häufig vorgeworfen, es mit einzelnen Begriffen nicht so genau genommen zu haben. Auf der anderen Seite hat sie den Hemingway-Sound im Deutschen geprägt. Wie geht man mit so einem Erbe um?
Schwierige Frage. Im Grunde bin ich mit dem Erbe gar nicht umgegangen, sondern habe Hemingway ohne genauere Kenntnis der alten Übersetzungen übersetzt, was insbesondere bei den Erst-Übersetzungen aus dem Nachlass naturgemäß sowieso nicht möglich gewesen wäre. Und was den Umgang mit einzelnen schwierigen Begriffen angeht, muss ich meine Vorgängerin in Schutz nehmen: Heute findet man im Internet so ziemlich alles, nicht nur ausführlichste Interpretationen fast aller Texte Hemingways, sondern auch unzählige Glossare zu Themen wie Fliegenfischen, Hochseeangeln, Stierkampf und so weiter. Da hat man es schon leichter, einzelne Begriffe genauer wiederzugeben.
Wie schafft man es, die für Ernest Hemingway so typische Sprachmelodie im Deutschen hinzubekommen?
Ich hatte bei der Lektüre Hemingways im Original ziemlich von Anfang an einen deutschen „Sound“ im Kopf und mir überlegt, wie ich diese scheinbar „einfache“ Sprache übersetzen könnte, ohne ins Einfältige abzurutschen. Sehr geholfen hat mir die Bemerkung Hemingways, er strebe danach, so zu schreiben wie Cézanne malt. Das heißt, die Wirklichkeit – er selbst spricht oft von „Wahrheit“ – ohne jedes Beiwerk abbilden, reduziert und schnörkellos, etwa nach dem Motto: „Die Straße war weiß, die Bäume grün, die Berge braun.“ Ähnlich wie das Gehirn des Betrachters die von Cézanne nur grob gemalten Szenen zu einer „realen“ Landschaft ergänzt, so dass man etwas viel Detailreicheres wahrnimmt als tatsächlich auf der Leinwand vorhanden ist.
Was wir ja auch bei seinen Dialogen bemerken…
So ist es. Hemingway lässt seine Protagonisten in den Dialogen gerade so viel sagen, dass die Vorstellungskraft des Lesers gefordert ist, sich den Rest selbst zu denken – und mit welchen Mitteln Hemingway dem Leser dabei auf die Sprünge hilft, das ist große Kunst, die ich immer wieder bewundere.
But a man is not made for defeat. Ein Mann oder ein Mensch? Er darf nicht aufgeben. Oder: Er darf sich nicht besiegen lassen. Wie weit sollte ein Übersetzer die Schraube ins Interpretatorische drehen?
Ich denke, Hemingway, der alte Macho, spricht hier von Männern, die sollten niemals aufgeben. Die von Ihnen genannten Schraube würde ich nur behutsam drehen. Denn mit dem Interpretieren ist das so eine Sache, gerät man als Übersetzer doch in Gefahr, dem Autor seine eigenen Gedanken unterzujubeln.
Zum Bild Hemingways gehört auch, dass er bereits in den 1920er Jahren darauf bestand, seine Übersetzer an den Tantiemen zu beteiligen. Das war damals sehr fortschrittlich. Wie ist es heute?
Heute ist es etwas besser als noch vor 10 Jahren, aber lange noch nicht gut.
Jean Fritz
Hallo Herr Schmitz,
besten Dank für diese wichtige Aufklärung! Wir hatten hier schon verzweifelte Fragezeichen beim Lesen und uns gefragt, was im deutschen Verlagswesen jetzt so los ist.
Über so eine wichtige Tatsache, die man als normaler Leser ja nicht vermuten kann, wäre m. E. aber eine editorische Notiz im Buch zwingend notwendig gewesen. Leider auch schwach vom renommierten Rowohlt Verlag.
Werner Schmitz
Sehr geehrter Jean Fritz,
tatsächlich ist es so, dass die von Ihnen beanstandeten Formulierungen von Hemingway selbst stammen. Vermutlich wollte er damit der Zensur zuvorkommen. Allerdings hat er Wörter wie „unprintable“ oder „obscenity“ nur dann verwendet, wenn es um die „Verschleierung“ englischer Flüche ging. Spanische Flüche hingegen hat er entweder in der Originalsprache belassen, oder als eine Art „Verfremdungseffekt“ wörtlich ins Englische übersetzt. All dem bin ich als Übersetzer gefolgt.
Mit freundlichem Gruß
Werner Schmitz
Jean Fritz
Interessant wäre hier, wie Werner Schmitz zu seiner Uebersetzung bei der neuen Rowohlt-Ausgabe „Wem die Stunde schlägt“ wirklich steht. So etwas furchtbares habe ich noch nie gelesen. Da findet man folgendes, ich zitiere beispielhaft wörtlich zwei Passagen…
Seite 177: „Und was für eine nicht druckreif Kletterei ist das hier oben.“
Seite 279: „Nicht druckreif dich selber“, sagt Agustin. „Wo sind wir denn hier?“
Da stehen wirklich mitten im Text plötzlich die Worte… nicht druckreif …!!! Ich kann mir nicht vorstellen, dass diesen Unsinn freiwillig der Uebersetzer Werner Schmitz verzapft hat, sondern dass das dann ein Eingriff des Verlags war. Geht es noch peinlicher. Schade drum…das Buch kann man so leider nicht empfehlen.