Paris 
Ein Fest fürs Leben
Ernest Hemingway: A Moveable Feast. Zu Deutsch: Paris – Ein Fest fürs Leben.

Dieses Buch von Ernest Hemingway ist eines der bekanntesten und wohl auch eines der schönsten Werke. A Moveable Feast. In der Übersetzung: Paris – Ein Fest fürs Leben. Der deutsche Titel scheint mir gefühlvoller als das englische Original. Ein beweglicher Festtag. Es hört sich, in beiden Sprachen, dann doch etwas sperrig an.

Was viele Leser nicht ahnen: Dieses Buch ist nicht durchkomponiert von seinem Autor, es wird aus einem Fragment erschaffen. Aus dem Nachlass des 1961 verstorbenen Nobelpreisträgers wird es von den Erben hervorgekramt und dann im Jahr 1964 bei Charles Scribner’s Sons in New York veröffentlicht. Das Werk und vor allem seine Entstehung, es bleibt unter Kennern nicht unumstritten. Über die Qualität hingegen bestehen keine Zweifel.

Zumindest ist der Weg zu diesem Buch überaus steinig und holprig. Im Jahr 1956 macht der Direktor des Pariser Luxushotels Ritz den auf Kuba lebenden Ernest Hemingway darauf aufmerksam, dass noch zwei Reisekoffer auf Abholung warten. Der Schriftsteller hat diese 1928 in den Kellergewölben einlagern lassen, kurz bevor er mit seiner zweiten Frau Pauline Pfeiffer die Metropole an der Seine verlassen hat.

Der Inhalt beider Koffer besteht aus Manuskriptseiten und Notizbüchern mit Material zu Hemingways erstem Roman The Sun Also Rises, aus Büchern, aus Aufzeichnungen und aus Zeitungsausschnitten. Diese Erinnerungsstücke an die schönen Anfangsjahre bilden wohl der endgültige Anlass, sich heranzutrauen an die Pariser Skizzen, wie der Nobelpreisträger seinen Arbeitstitel wählt. Doch Ernest tut sich schwer damit, aus verschiedenen Gründen.

Zwar schreibt er voller Zartheit über die fantastischen Aufbruchsjahre in Paris, von 1921 bis 1928 lebt Hemingway mit Ehefrau in der französischen Hauptstadt. Neben dem Savoir-vivre in den Bistros und Restaurants ist diese Zeit jedoch auch mit schmerzlichen Erinnerungen verbunden. Oft erscheint der Mittzwanziger aus Chicago nicht im besten Licht. Ernest lästert über Freunde und Förderer, er spuckt ziemlich große Töne und er klettert auf ein hohes Roß.

Doch das Allerschlimmste: Mit voller Absicht setzt er seine Ehe mit der wunderbaren Hadley in den Sand. Kein Wunder, dass sich der alternde Autor in seinem letzten Wohnort Ketchum monatelang durch die Entwürfe quält. Bis zu seinem Tod im Juli 1961 sitzt er an dem Manuskript, ohne die Kraft, es zu einem Ende zu bringen.

Er möchte sich an die schöne Zeit in Paris klammern, er will die aufopferungsvolle Liebe von Hadley nochmals spüren, er will jung und kraftvoll in die Welt treten, wie damals. Als Schriftsteller hat er alles erreicht, was es zu erreichen gibt. Als Mensch, nun ja, es pflastern zu viele Niederlagen seinen Weg. Und wenn er ehrlich zu sich ist, in der Liebe, da ist er gescheitert. 

Ernest vermag nicht, die Pariser Skizzen zu vollenden. Es fängt schon beim Titel an. Seine Titelvorschläge hält er auf einer Liste fest, die er im April 1961 an seinen Verleger übermitteln will, doch er schickt den Brief nie ab. Der greise Mann in den Bergen der Rocky Mountains ist nicht mehr der Hemingway alter Tage, es geht zu Ende mit diesem Menschen, körperlich und im Kopf. Manche Titelvorlage ist wohl spaßig gemeint, andere zeugen von seinem zunehmenden geistigen Verfall:

The Part Nobody Knows
To Hope and Write Well (The Paris Stories)
To Write It True
Good Nails are Made of Iron
To Bite On the Nail
How It Began

Im Jahr 1964 steht die Witwe Mary vor demselben Problem. Sie muss für die posthume Veröffentlichung einen überzeugenden Buchtitel finden. Hilfe kommt von außen. Ernests bester Freund A. E. Hotchner schlägt Miss Mary vor, doch auf einen Ausspruch zurückzugreifen, den der Autor ihm gegenüber im Jahr 1950 gemacht hat. For Paris is a moveable feast.

Es wird zu einem der berühmtesten Zitate des Ernest Hemingway. If you are lucky enough to have lived in Paris as a young man, then wherever you go for the rest of your life, it stays with you, for Paris is a moveable feast. Es ist also Hotchners Titelentwurf, nicht jener von Ernest. Nirgends taucht das Zitat in den Manuskriptseiten von Hemingway auf.

Auch sonst bleibt vieles fragmentiert an dem Werk. In der Manuskript-Fassung hat es weder ein Einführungskapitel gegeben, noch ein Schlusskapitel. Und Kapitelüberschriften finden sich ebenso wenig, auch eine feste Reihenfolge lässt sich nicht ausmachen. Das ganze Buch müssen die Scribner’s-Lektoren in Manhattan von Anfang bis Ende aus den Fragmenten zusammen kleben.

So ist zu erklären, dass es bis heute verschiedene Fassungen des Werkes gibt. Jene von 1964 und eine re-editierte Ausgabe aus dem Jahr 2009, herausgegeben von Seán Hemingway, Ernests Enkel aus der Familienlinie von Pauline. Unter den Forschern glimmt nun der Streit, welche Version als die authentischste anzusehen ist. Für den Leser sind dies bestenfalls Nuancen. Das Buch wird weltweit populär, als das einfühlsame Hohelied auf die Stadt des Lichtes.

Wie niemand sonst hat Ernest Hemingway mit seiner Liebeserklärung an Paris dazu beigetragen, dass gerade die Amerikaner diese Stadt so lieben wie keine andere. Wenn du das Glück hattest, als junger Mensch in Paris zu leben, dann trägst du die Stadt für den Rest deines Lebens in dir, wohin du auch gehen magst, denn Paris ist ein Fest fürs Leben.

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