Irgendwie scheint der Mann noch da zu sein. Im Restaurant, in dem er gesessen hat, weist ein Schild stolz daraufhin, im Hafen liegt ein Motorboot, das seinen Spuren folgt und in der Boutique wird ein T-Shirt verkauft, auf dem zwei Sätze von ihm zu lesen sind.
Im Fenster des Fremdenverkehrsbüros hängt ein riesiges Poster, das ihn und seinen Freund Nanuk Franchetti bei einem Jagdausflug in der Lagune von Caorle zeigt. Caorle, ein Nest 60 Kilometer östlich von Venedig, und Ernest Hemingway aus Chicago. Eine Liebesgeschichte.
Caorle, ein pittoreskes Fleckchen Erde mit vielen bunten Häusern, hält die Erinnerung an seinen Ernest Hemingway lebendig. Der Schriftsteller scheint auf mysteriöse Art und Weise noch da zu sein, nicht nur sein Geist. Ein billiger Werbetrick mit einer Person, die sich nicht mehr wehren kann, weil sie schon so lange tot ist?
Nein, nein, die Sache liegt hier anders. Ernest Hemingway kannte Caorle, und er liebte den Ort. Der Amerikaner gerät ins Schwärmen über diese Landschaft am Meer, er ist betört von ihrer Vegetation, von ihrem Duft. Diese Gegend hier bedeutete ihm sehr viel, mehr als er je irgendwem sagen würde und konnte.
Ernest Hemingway mag die Menschen hier. Und die Menschen hier mögen ihn. I’m an old Veneto’s fanatic, schreibt der bärtige Autor 1948 in einem Brief an Bernard Berenson, ich bin verrückt nach dem Veneto. Er denkt immer wieder an das Veneto, an Venedig, an das Meer, an die Küste, an die flache Landschaft mit den Flüssen und Lagunen, die er über alles liebt.
Die Leidenschaft, die er für diesen Landstrich empfindet, kann man nachlesen. Über den Fluss und in die Wälder ist ein Buch über die Pracht und Kraft der Natur, über die Freundschaft und die Liebe, aber auch über diesen verdammten Krieg, der den Menschen kaputt macht, selbst wenn er ihn überlebt.
Auch die Tourismus-Industrie hat Hemingway seinen Dank abgestattet. In der Via Firenze hat man 2005 in Caorle das Villaggio Hemingway hochgezogen. Ein riesiger vierstöckiger Hotelkomplex, der sich wie ein buntes Rechteck über einen langen Häuserblock erstreckt. Und wenn man in einem der zwei Pools unter adriatischer Sonnen badet, so kann man am Boden des Poolbeckens in feinen Mosaiksteinchen den magischen Namen riesengroß lesen: Hemingway.
Und eines werden die Menschen aus Caorle ihrem Ernest Hemingway nie und niemals vergessen. Und zwar einen kleinen, einfachen Satz in diesem Buch. They came from a little place up the coast called Caorle. Sie kamen aus einem kleinen Ort weiter oben an der Küste, der Caorle hieß. Genau dieser Satz steht in Über den Fluss und in die Wälder. Für immer und ewig.
Der große Ernest Hemingway hat das kleine Fischerdorf von ein paar hundert Einwohnern verewigt. Volltreffer, Caorle, da steht es, schwarz auf weiß, auf alle Zeiten, unkaputtbar. Caorle, ein Hauch Ewigkeit. Das kleine Dorf in einem großen Werk. In einem Hohelied auf das liebliche Veneto – und auf das Leben.
Berni
Vielen Dank für die Infos! Liege gerade am Pool im Villaggio Hemingway und hab mich gefragt, wieso die Urlaubsanlage so heißt.