HemingwayLife1Die Erinnerung an das 20. Jahrhundert der Menschheit fällt ein wenig zwiespältig aus. Es waren hundert Jahre, die zwei schreckliche Weltkriege erlebt haben, Hyperinflation und Depression, Grausamkeiten, ein Jahrhundert mit Verbrechern und Diktatoren aller Couleur. Aber auch die Erfindung einer langgestreckten Blechdose gab es zu vermelden, ein Mysterium, das mit 300 Menschen an Bord durch die Lüfte fliegt. Oder die Erfindung einer kleinen Box, die flinker rechnen kann als Albert Einstein, und die auch sonstige Wunderdinge vollbringen kann. Und es war ein Jahrhundert, das etwas schier Unglaubliches vollbracht hat, es hat einen Menschheitstraum Wirklichkeit werden lassen: Es hat den Mann im Mond gesehen.

Die vielfältigen Ereignisse, diese dunklen wie auch sonnigen Seiten der Historie dieses zwanzigsten Jahrhunderts vor Augen: Wer ist der Schriftsteller, der für diese hundert Jahre steht? Wer ist – aus Weltsicht – der Autor dieses Jahrhunderts? Thomas Mann? Wahrscheinlich der deutsche Meister. Kafka? Zu düster. Hesse? Eine Spur zu schrullig. James Joyce? Ein Eierkopf. Maxim Gorki? Zu russisch. Gabriel García Márquez? Zu lebendig. Nach ein wenig Grübeln bleibt da nur noch Old Hem übrig.

Hemingway beherrscht die Kunst des einfachen Wortes, einer schnörkellosen, knappen, aber immens kraftstrotzenden Prosa. Diese Lakonik der Sprache passt nicht nur zu Hemingways Helden, sondern drückt zugleich das Lebensgefühl jener lost generation aus, jener Intellektuellen-Generation nach dem Ersten Weltkrieg, die an ihren eigenen Idealen und Ansprüchen scheitern sollte. Jene von Krieg, zerplatzten Träumen und wirtschaftlichen Krisen desillusionierte Generation, die auf dem schmalen Grat zwischen Triumph und Absturz wandelte.

Ernest Hemingway ist nie ein Freund des gestrengen Feuilletons gewesen. Ihm fehle die intellektuelle Tiefenschärfe, so der Vorwurf. Doch gerade dieser Anti-Intellektualismus hat ihn von Alaska bis Feuerland, von Stockholm bis Lissabon weit über literaturgeneigte Kreise hinaus populär gemacht. Hier trat kein typischer Schriftsteller auf, da sprang ein kerniger Mann mitten ins Leben: Er mochte den Stierkampf, die Weiber und den Suff, eigentlich mochte er alles, worüber die Sesselpupser in den hohen Feuilletons die Nase rümpften. Die Welt ist so voll von so vielen Dingen, dass ich sicher bin, wir sollten alle glücklich sein wie die Könige.

Wenn es stimmt, dass jenes zwanzigste Jahrhundert der Menschheit das amerikanische Jahrhundert war, dann ist Ernest Hemingway fraglos sein Autor. Denn kein anderer Schriftsteller vermittelt die Verzagtheit, die Bedrängnis, aber auch die Verlockung, die Träume und die Hoffnungen dieses Jahrhunderts prägnanter und eindringlicher als der Amerikaner Ernest Hemingway.

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