Ernest Hemingway findet, dass die Fotos auf der Miss Texas die Marlin-Jagd glänzend einfangen, ebenso wie die schwarz-weißen Fotos das stürmische Meer vor Cabo Blanco vortrefflich dokumentieren. Und er, der wilde Bursche, steht im Mittelpunkt von all dem. Modeste von Unruh, deren Schnappschüsse in der Hamburger Zeitschrift Kristall erscheinen sollen, fängt diesen Hauch von Draufgängertum und Kühnheit ein, möglichst so soll ihn die Welt sehen.
Auf den Bildern der deutschen Fotografin in Cabo Blanco findet der Nobelpreisträger eine Sehnsucht ans Licht gebracht, die tief in ihm steckt. Denn hinter den Reportage-Fotos, auf denen sich viel abspielt, wo Leben in den Fotografien herrscht, da spürt man die Verwegenheit und die Anstrengung, die mehr sind als der bloße Versuch. Die Fotos aus dem fernen Peru zeigen ihn im Kampf, schwitzend in der Hitze des Gefechtes, er kämpft als Krieger auf dem Wasser.
Und die Bilder zeigen ihn als Gewinner im Kampf, ausgewiesen durch seine Trophäe, den besiegten Riesenmarlin. Seinen Appetit nach Wildheit, nach Sturm und Drang, auch den erkennt der Schriftsteller in den Fotos der Hamburgerin. Die Fotos der Modeste von Unruh halten seinen Triumph fest, sie schmeicheln seiner durch das Alter verletzten Eitelkeit. Die Bilder aus Cabo Blanco künden der Welt von seiner Kraft und von seiner Vitalität, einerlei, wie es in ihm drinnen aussieht.
Die Botschaft vom Sieg des alternden Mannes richtet sich nicht nur an die Welt da draußen, die Botschaft geht vor allem an ihn selbst. Die Fotos lindern seine Pein ein wenig, zwar nicht den Schmerz des Körpers, aber den der Seele. Der Amerikaner möchte als gesunder und kerniger Mann dastehen und gesehen werden, auch wenn das Bulletin seines Arztes in letzter Zeit eine andere Sprache spricht.
Ernest Hemingway macht sich etwas vor, er merkt es, denn er ist nicht dumm. Allerdings erweist sich der Kitzel der Jagd letztendlich als die Illusion von Glück oder als ein Trugbild, wo die Erfüllung nur einen kurzen Moment andauert. Doch er sucht das dauerhafte Glück, den Seelenfrieden mit sich und mit der Welt, er trachtet nach dem Absoluten. Die Huldigung der Götzenbilder und all der unechte Ersatz zeigen, dass er der Selbsttäuschung aufsitzt.
Nach all den Kriegen und Abenteuern und nach all den Büchern weiß er, dass nicht die äußere Erscheinung, sondern die innere Stärke das Glück ausmacht. Friede und Harmonie lassen sich nur erreichen, wenn sich Glück zur Glückseligkeit festigt. Und möglicherweise findet man seinen Seelenfrieden erst dann, wenn jedes Gebaren und alles Blenden des Menschen zum Stillstand kommen.
Nicht draußen und im Äußeren kann man das Lebensglück finden, sondern nur, wenn man die Oberflächlichkeit abstreift und zu sich selbst zurückkehrt. Einzig und allein im Inneren des Menschen wohnt das Glück, wir tun ja eh schon genug, um es verschütt gehen zu lassen. Doch nur mit der Rückbesinnung zu uns selbst wird es gelingen, das Leben mit dem großen Glück zu verbinden.
Dieser innerlich empfindsame und beständig suchende Ernest Hemingway ist in Cabo Blanco, im April und Mai 1956, in den 36 Tagen am peruanischen Pazifik, nicht weit entfernt von dem großen Glück. Er weilt an seinem Meer, er hat die Freunde um sich, er kann erzählen von seinem Leben und von seinen Träumen, und er kann den großen Marlin fangen. Ernest Hemingway scheint glücklich am Pazifik, auf der Miss Texas, an der Bar des Fishing Clubs, weil er in diesen Stunden vergessen kann. Vergessen, was da kommen kann und auch kommen wird.
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