Als Erster holt sich ein ehrfürchtiger Mario Saavedra von ‚El Comercio‘ ein Autogramm des Nobelpreisträgers. Talara, am 16. April 1956.

Eifrig haben die drei peruanischen Zeitungsjournalisten aus Lima die ersten Eindrücke von der Ankunft des amerikanischen Nobelpreisträgers vermerkt und seine Satzfetzen in ihre Notizblöcke gekritzelt. Das Zusammentreffen an dem spartanischen Airport von Talara bleibt auf beiden Seiten ein wenig verkrampft, unschlüssig und abwartend verharren die Redakteure in entsprechendem Abstand zum prominenten Besucher am Fuße der Flugzeugtreppe. Der Respekt.

Aus dem Reporter-Trio stößt als Erster der junge Mario Saavedra-Pinón vom feinen El Comercio vor, beherzt nähert er sich Ernest Hemingway und spricht den amerikanischen Schriftsteller von Angesicht zu Angesicht auf Spanisch an: „Ich soll Ihnen Grüße von einem gemeinsamen Freund überbringen“, sagt der Peruaner, hält kurz inne und fährt dann fort, „von Edward Murrow.“ Der bekannte US-Radioreporter besitzt in der Medienwelt Amerikas den Status einer journalistischen Legende.

This is London, so begann Edward Murrow auf CBS seinen täglichen Kriegsbericht für das Publikum an den Radiogeräten in den USA. Es war im Winter 1940, auf die englische Hauptstadt fielen die Bomben der deutschen Luftwaffe. This is London war stets Ed Murrows Opener. Und keiner bekam den Anfang so hin wie er. Nach dem ersten Wort This setzte er eine winzige Kunstpause, und prompt war das unverkennbare Markenzeichen dieser kraftvollen Radiostimme geboren.

Edward Murrows Reportagen aus dem Zweiten Weltkrieg endeten jeweils mit einer Redewendung, die dann noch populärer wurde: Good night, and good luck. Gute Nacht und viel Glück. Dieser Wunsch klang dramatisch, an einem Abend, an dem man hoffte, dass genug Glück vorhanden sein würde, dem Terror der braunen Bomben zu entkommen. Am 15. April 1945, der Krieg lief auf sein Ende zu, schilderte Murrow seinen Zuhörern, was er nach der Befreiung des KZ Buchenwald bei Weimar vorgefunden hatte. Die Leichen dort im Krematorium seien stacked up like cordwood, aufgestapelt wie die Holzscheite.

Mario Saavedra-Pinón traf auf Edward Murrow im Jahr 1955, als dieser beruflich Peru besuchte. Der US-Amerikaner wollte über Pedro Beltrán berichten, den Verleger der Tageszeitung La Prensa, den der rechtsgerichtete Präsident Manuel Odría nach einer politischen Intrige ins Gefängnis gesteckt hatte. Mario Saavedra und Ed Murrow hatten im Club Nacional, das war damals der Treffpunkt der Bänker und Aristokraten in Lima, zu Mittag gegessen und der Peruaner hatte sich mit dem berühmten Kollegen angefreundet.

Mit dem Hinweis auf die CBS-Ikone hat der Redakteur von El Comercio auf dem Flughafen von Talara das Eis bei Ernest Hemingway auf Anhieb gebrochen. Danke sehr, antwortet der Schriftsteller, und umarmt den jungen Reporter. Als nächster wird Jorge Donayre Belaúnde und als letzter Manuel Jesús Orbegozo von La Crónica mit einem abrazo geherzt. In seiner Hochstimmung bittet Mario Saavedra-Pinón, noch etwas zurückhaltend, den Nobelpreisträger um ein Autogramm.

Ernest Hemingway und die drei Redakteure verstehen sich immer besser. Besonders der 27-jährige Berichterstatter des El Comercio bekommt nach kurzer Zeit einen guten Draht zu dem weltbekannten Autor. Mario Saavedra, er entstammt einer angesehenen Familie, ist von den dreien zwar der Jüngste, jedoch bereits mit allen journalistischen Wassern gewaschen. Kein Wunder, dass er von den drei Reportern in Talara formell den höchsten Rang innehat.

Saavedra ist trotz seiner jungen Jahre bereits Jefe de Información bei seiner renommierten Zeitung, eine Position, die in etwa einem Ressortleiter entspricht. Doch Ernest Hemingway versteht sich nicht nur mit dem Mann des El Comercio gut, sondern ebenfalls mit dem sieben Jahre älteren Jorge Donayre Belaúnde von La Prensa und mit Manuel Jesús Orbegozo von La Crónica. Der prominente Autor jedenfalls drückt die drei peruanischen Journalisten an seine breite Brust, als ob er sie bereits ein halbes Leben kennen würde. Und ganz so, wie in Südamerika ein abrazo, eine Willkommensumarmung, unter Freunden üblich ist.

„Er hat ständig seine Hamsterbacken aufgeblasen und hat wieder und wieder gelächelt“, erinnert sich Manuel Jesús Orbegozo, der an diesem Morgen am lautesten Ernest, Ernest gebrüllt hat. „Alles um ihn herum war ein Lächeln.“ Gerade Manuel Jesús Orbegozo, ein durch seine breite schwarze Hornbrille jovial dreinschauender Peruaner aus Otuzco, der einen guten Kopf kleiner ist als Ernest Hemingway, wirkt nach der Umarmung durch den Nobelpreisträger wie aufgedreht.

Der Redakteur aus Lima, er ist mit einem luftig weißen Hemd gekleidet und trägt eine helle Kappe aus Baumwolle, zeigt sich beeindruckt von der Offenheit und der Umgänglichkeit des hochgestellten Autors. Seit langem verehrt er den Amerikaner als größten Schreiber überhaupt. (Anfang von Kapitel 4 der Neuerscheinung Cabo Blanco – Mit Ernest Hemingway in Peru. Eine weitere Leseprobe: hier klicken)

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