Auf den Fersen von Ernest Hemingway

Schlagwort: La Habana

La Bodeguita schwindelt ein wenig mit Ernest Hemingway

La Bodeguita de Medio, eine Oase der Lebensfreude. Havanna, im April 1983. Foto: W. Stock

In der Nähe von Havannas barocker Kathedrale entdecken wir in der engen Gasse Calle Empedrado – Hausnummer 207 – die äußerlich unscheinbare Bodeguita del Medio. Hinter dem Eingang tritt der Gast in den Vorraum einer kleinen Bar, zur Linken befindet sich die dunkle Theke. Den Barraum hindurch  erreicht man das Speisegewölbe, wo an überfüllten Tischen das Beste einer einfachen kubanischen Küche geboten wird.

Wir gehen zunächst zur Bar und bestellen den ersten Mojito. Mojito. Weißer Rum mit Limonensaft und einem frischen Pfefferminzstängel. La Bodeguita del Medio. Die unsterbliche La B del M. Wer in der Bodeguita seinen Mojito trinkt, der spürt den Hauch des Ewigen. Bodeguita, du bleibst, ich gehe!, hat der kubanische Autor Leandro García an die weiße Wand gekritzelt.

Du bleibst, ich gehe. Die Bodeguita del Medio dient auf Kuba als heilige Basilika für den Rum. Ernest Hemingway, der eine halbe Stunde entfernt auf Finca Vigía im Vorort San Francisco de Paula wohnt, ist nicht gläubig im strengen Sinne, allzu oft macht er sich lustig über die Religion. Eher ist er ein Zweifler, der nach einer höheren Kraft sucht. Seine Kirchen sind die Kneipen. Und die schönsten Sätze von ihm sind seine Gebete an Gott.

Wer von der Revolution träumen will, für den ist Havanna wie gemacht. In dieser Kapitale der Träumer und Traumtänzer ist die Bodeguita ein feiner Ort. Für alle findet sich hier ein Plätzchen. Es treffen sich Künstler und Malocher, Feingeist und Stoffel, Eierkopf und Saufbruder. So unterschiedlich ihre Biografien auch ausfallen, vor dem Rumglas sind sie alle gleich. 

Dieses Bild hat ein leeres Alt-Attribut. Der Dateiname ist BodeguitaSpruch-Blog-1024x683.jpg

My mojito in La Bodeguita, My daiquirí in El Floridita. Ernest Hemingway. Foto: W. Stock, 1983

Unter dünnem braunen Glasrahmen, direkt über dem Schanktisch, umgeben von Dutzenden Martini– und Cinzano-Flaschen, hängt ein Spruch, den man andächtig rezitieren muss, weil er so brillant formuliert ist. My mojito in La Bodeguita, My daiquirí in El Floridita. Darunter dann, schwungvoll die Unterschrift: Ernest Hemingway. Mehr Ideologie braucht es auf Kuba eigentlich nicht.

My mojito in La Bodeguita, My daiquirí in El Floridita. Aber, so ist der Fachmann geneigt zu fragen, hätte der von hohen Prozenten angetriebene Autor auf Kuba nicht wie sonst üblich mit

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Elicio Argüelles – der gute Freund aus Havanna

Elicio Argüelles, ein Freund Ernest Hemingways über Jahrzehnte, im peruanischen Cabo Blanco, im Mai 1956.

In den zwei Jahrzehnten auf Kuba hat sich Ernest Hemingway einen ansehnlichen Freundeskreis aufgebaut. Mario Menocal, genannt Mayito, gehört dazu, auch dessen Vetter Elicio Argüelles, Thorwald Sánchez und Pichón Aguilera, beide Kumpel beim Tontaubenschießen, dann der baskische Kleriker Andrés Untzaín, Doctor Carlos Kohly, sein Hautarzt, Jaime Bofill, ein Rechtsanwalt und Aktienhändler oder Manuel Asper, der Besitzer des Hotels Ambos Mundos.

Auch zu Schriftstellern wie Enrique Serpa, Fernando Campoamor und Nicolás Guillén hält er Kontakt. Der kubanische Boxer Kid Tunero ist ein guter Freund, ebenso wie der schwarze Musiker Bola de Nieve. Ernest Hemingway pflegt seine Freundschaften, sie sind ihm wichtig. Meist sind es Kubaner oder Exil-Spanier, die zu seinem engen Bekanntenkreis gehören, zu den eigenen Landsleuten hält der Amerikaner eher Abstand.

Zu Elicio Argüelles II, einem kubanischen Rechtsanwalt und bekannten Sportangler, hegt Ernest Hemingway eine besondere Freundschaft. Schon dessen Vater ist in Havanna ein enger Freund des Schriftstellers gewesen, mit dem durchtrainierten Elicio trifft sich Ernest Hemingway des Öfteren zum Tontaubenschießen. Den schlanken Kubaner nimmt der Nobelpreisträger im Jahr 1956 dann sogar mit nach Cabo Blanco, wo in Peru die Außenaufnahmen für den Hollywood-Film Der alte Mann und das Meer stattfinden.

Elicio Argüelles mag oberflächlich betrachtet manchen vielleicht als Lebemann durchgehen, er ist jedoch eine Person von bürgerlicher Ernsthaftigkeit. Ein Rechtsanwalt, jemand mit Hang zur Politik, er wird irgendwann einmal Senator werden in seiner Heimatstadt Havanna. Auch sein Vater ist Senator gewesen, sogar einen Staatspräsidenten kann die Familie vorweisen, seinen Onkel Mario García Menocal.

Elicio Argüelles Familie gehört zur upper class auf Kuba. Der Vater ist Besitzer des Frontón Jai Alai an der Kreuzung der Calle Concordia mit der Lucena, einer populären Wettkampfhalle in Havanna, die der Volksmund auch als Palacio de los Gritos, als Palast der Jubelschreie, kennt. In dieser langgezogenen Sporthalle geht es in der Tat lauthals her, denn dort wird dem auf Kuba populären Pelota-Spiel nachgegangen.

Ernest Hemingway ist ein begeisterter Anhänger dieses baskischen Ballspiels und hat dort

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Ernest y Fidel

Als Fidel Castro und seine bärtigen Revolutionäre in Havanna siegreich einziehen, am 2. Januar 1959, da weilt Ernest Hemingway bereits in Ketchum, im gebirgigen Norden der USA, das sein letzter Wohnsitz werden sollte. In jenen Tagen ruft die New York Times den Autor in Ketchum an und will wissen, was er denn von den Vorgängen auf Kuba halte. Doch der Autor erwähnt weder Batista noch Castro. Er sagt bloß: Dem kubanischen Volk wünsche ich das beste.

Während seines Geburtstagsfestes im Juli 1959, Ernest Hemingway weilt in Spanien, auf La Cónsula bei Málaga, da spricht ihn ein Gast auf Kuba an und will wissen, was der Nobelpreisträger von Fidel Castro hält, der da seit über einem halben Jahr auf der Tropeninsel die Fäden zieht. Der Schriftsteller antwortet ziemlich rätselhaft auf Spanisch, Ya perdí el corazón, bemerkt Ernest Hemingway leise. Mein Herz ist verloren gegangen.

Das Herz verloren. Auf Kuba, das er Anfang des Jahres verlassen hat, das meint er wohl. Aber möglicherweise ist damit sein Herz auch von dieser Welt entschwunden, weil er nach dem Auszug aus dem Paradies wie eine verlorene Seele umherirrt.

Mitte Januar 1960, die Revolutionäre um Fidel Castro und Che Guevara sind bereits ein Jahr an der Macht, besuchen die Hemingways noch einmal die Finca Vigía. Ernest Hemingway und seine Frau Mary sind stets Gegner des Batista-Regimes gewesen, doch auch den neuen Machthabern mögen sie nicht so recht über den Weg trauen. Sie fürchten, dass man ihnen die Finca Vigía fortnimmt und die Schätze ihres Lebens – wertvolle Gemälde, Manuskripte, Briefe – für immer verloren gehen.

Wenn Ernest Hemingway gefragt wird, dann

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La Bodeguita del Medio

BodeguitaBlog

Havanna, im April 1983
Photo by W. Stock

Auch in diesem Jahr liegt auf Havanna jene seltsame Jahreszeit, die für die Karibik so typisch ist. Laue Luft, dünne Wolkenstreifen am blauen Himmel, ein warmer Wind aus Südwest, aus Richtung Yucatán. Brecher fegen über den Malecón hinweg und benässen übermütige Jugendliche. Wenn man Glück hat, zieht am Abend eine kühlende Brise über die Insel. Der  Wind hat sich gedreht und weht nun frisch von Florida.

Dämmerung. La Habana, das Herz der Revolution. Ein Herz, das stottert, das stolpert und nicht so recht in voller Taktung schlagen will. Wenn man durch die Strassen und über die Plätze dieser Stadt geht, dann scheint dieses Havanna wie ein Amphitheater aus verfallenen Prunkvillen und kargen Wohnsilos, alles zusammengehalten von Wäscheleinen mit abgetragenen Kleidungsstücken.

Links hinter der Kathedrale in der schmalen Seitengasse Calle Empedrado hinter der Nummer 207 liegt ganz

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