Auf den Fersen von Ernest Hemingway

Autor: Wolfgang Stock Seite 2 von 58

Ernest Hemingway und seine Mutter: Hass und viele Narben

Die Familie Hemingway im Jahr 1903: Schwester Ursula, Vater Clarence, Ernest, Mutter Grace und Schwester Marcelline. Credit Line: Ernest Hemingway Photograph Collection, John F. Kennedy Presidential Library and Museum, Boston.

Ernest Hemingway wird im Juli 1899 hineingeboren in die Gutbürgerlichkeit von Oak Park, einem wohlhabenden Vorort von Chicago. Der Vater Clarence ist praktizierender Mediziner, die Mutter Grace Ernestine Hall studiert Klavier und nimmt Gesangsstunden. Ihre Interessen liegen vornehmlich im Hochgeistigen. Die hübsche, etwas mollige Frau entstammt einer begüterten Händlerfamilie, am liebsten beschäftigt sie sich mit Opernarien oder steht vor der Staffelei.

Hausfrau und Mutter – es ist nicht ihr Ding. Die Gestaltung des Familienalltags überlässt Grace der Hausgehilfin, um den Nachwuchs kümmern sich meist die Kindermädchen. Auch kocht sie höchst ungern, oft gibt sie solche Tätigkeiten an die Hausangestellten ab oder an ihren Ehemann, der mit Freude das Essen zubereitet. Zuweilen kümmert Clarence sich auch um die Wäsche und hilft beim Einmachen von Konserven. 

Oft hört man die Mutter klagen, sie habe den Starruhm einer Opernsängerin für die Familie und die Mutterrolle geopfert. Sie hat in New York bei der österreichischen Operndozentin Luisa Kapp-Young studiert, Grace besitzt eine schöne Altstimme und hat ihren ersten Auftritt im Madison Square Garden Theatre. Die talentierte Mittzwanzigerin erhält später gar ein Angebot des Metropolitan Opera House. Doch in der Tat bricht sie ihre Karriere ab, der Liebe wegen, und zieht zurück nach Oak Park, um Doctor Clarence Hemingway zu heiraten.

Wer in der Ehe der Hemingways die Hosen anhat, ist klar. Dem Willen von Grace haben sich alle unterzuordnen. Den Kindern verordnet sie strikte Regeln und legt ihnen genaue Pflichten auf, sie bestimmt das Freizeitverhalten und die Kulturaktivitäten. Der heranwachsende Ernest mit seinen eher sportlichen Hobbys beginnt sich mehr und mehr zu widersetzten, und nimmt die Konflikte zwischen Sohn und Mutter in Kauf.

Die Mutter Grace achtet auf eine kulturelle Bildung in der Familie. Ihren Kindern erklärt sie geduldig Gemälde, sie trägt Gedichte vor, lehrt sie, Lieder zu singen. Es sind Hunderte von Büchern, die sie ihren Kleinkindern vorliest. Vor allem ist es Grace zu verdanken, dass der Sohn außerordentlich belesen und mit den schönen Künsten aufwächst. Obwohl Ernest nie eine Universität besuchen wird, erhält er durch die reichhaltige Lektüre im Elternhaus eine umfassende literarische Prägung. 

Auch gelingt es der Mutter, Ernests Interesse für klassische Musik zu wecken. Johann Sebastian Bach wird er zeitlebens verehren, doch seine Liebe zur Tonkunst umspannt alle Genres, von der Oper bis zum Jazz. Wahrscheinlich hätte er als Autor nicht so ein feines Gespür für die Melodie und den Rhythmus seiner Prosa ausbilden können, wenn die Mutter nicht die musikalische Vorbildung dafür gelegt hätte. 

In der Familie erlebt der heranwachsende Ernest erlebt ein Wechselbad der Gefühle. Die Familie ist materiell bestens versorgt, im emotionalen Miteinander bleibt jedoch vieles auf der Strecke. Grace vermitteln ihren Kindern den klassischen Bildungskanon, man besucht Opernaufführungen und Theatervorstellungen oder geht in Museen. Mit der bemühten Tugendhaftigkeit verdeckt die Mutter jedoch eine ausgeprägte emotionale Kälte. 

Den Vater verehrt der heranwachsende Ernest sehr, Clarence bringt dem Jungen bei zu Schwimmen, zu Zelten, er zeigt ihm das Klettern und Bergsteigen, der Vater lehrt ihn zu Jagen, die Beute auszuschlachten und eine Feuerstelle anzulegen. Dennoch kann das Elternhaus mit seiner Gemütsarmut und der emsigen Strebsamkeit kein Vorbild für den energiegeladenen Ernest sein. Direkt nach der Schule, mit gerade einmal 18 Jahren, macht der abenteuerlustige Jugendliche sich schnell aus dem Staub und verlässt Oak Park auf immer.

Im Dezember 1928 erlebt Ernest Hemingway innerhalb der Familie ein schlimmes Trauma: Clarence, der geliebte Vater, erschießt sich im elterlichen Schlafzimmer. Dr. Clarence Edmonds Hemingway hat sich umgebracht, als sein Sohn Ernest 29 Jahre alt ist. Der Sohn macht Grace noch viele Jahre den Vorwurf, den Vater in den Tod getrieben zu haben. „Von den frühesten Tagen meiner Freundschaft mit Ernest“, schreibt General Charles Lanham, „sprach er von seiner Mutter immer nur als ‚diese Schlampe‘. Er hat mir sicherlich tausendfach erzählt, wie sehr und auf wie viele verschiedene Arten er sie gehasst hat.“

Das Frauenbild des Ernest Hemingway steht von Kindesbeinen an unter keinem guten Stern, das Verhältnis zur Mutter sollte ein Leben lang angespannt bleiben. Die Narben sitzen tief bei ihm, dieser Mensch schleppt vielerlei Verletzungen mit sich. Ernests Frauen dürfen

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Den Macho-Schreiber Ernest Hemingway plagen heftige Selbstzweifel

Der Nobelpreisträger Ernest Hemingway im April 1956 in Cabo Blanco. Foto: Modeste von Unruh.

Wunderbar lassen sich die ersten 20 Jahre seines Literaten-Daseins an. Als im Oktober 1926 sein Erstling The Sun Also Rises – zu Deutsch: Fiesta – bei Scribner’s in New York herauskommt, da wird er als ein Wegbereiter gefeiert. Er ist ein Revolutionär, ein Vorkämpfer, der den Charles Dickens-Schnörkeleien endlich den Todesstoß verpasst. Mit neuen Themen und einer klaren Sprache. Ernest Hemingway steht da wie ein literarischer Heilsbringer, auf den Millionen sehnsüchtig gewartet haben.

Der Amerikaner aus Chicago tritt auf als die neue Stimme einer neuen Generation. Die späten 1920er und die 1930er Jahre werden zu einer hochproduktiven Phase seines Schaffens. So ziemlich alles, was er anpackt, wird zum Erfolg. Beim Publikum, bei den Kritikern, auch vor der Literaturgeschichte.  A Farewell to Arms (dt. In einem andern Land, 1929),  die Kurzgeschichten A Clean, Well-Lighted Place (dt. Ein sauberes, gutbeleuchtetes Café, 1927) und vor allem The Snows of Kilimanjaro (dt. Schnee auf dem Kilimandscharo, 1936).

Alles erstaunlich grandios, und noch mehr, alles allseits bewundert. Dieser Schriftsteller prägt nun für Jahre die Sprach-Melodie einer ganzen Literaturepoche. Mit seinem bunten Leben und als umtriebiger Weltenbummler wird er zur öffentlichen Figur, die man an allen Ecken und Enden erkennt und verehrt. Mehr geht eigentlich nicht. Ernest Hemingway blickt vom Thron herab auf die Konkurrenz. 

Doch nach dem Zweiten Weltkrieg erfolgt der Einbruch. Eine neue Generation übernimmt das Ruder. Mit einem Schlag ist er nur noch ein Schnapsbruder, ein Rabauke, ein Macho-Mann, der die Frauen schlecht behandelt. Jedenfalls, irgendwie ganz schrecklich aus der Zeit gefallen. Das Publikum verlangt in den Jahren des Wirtschaftswunders nun andere Themen und einen anderen Stil. Berufsprobleme, Ehezwist, Emanzipation – alles Großstadt-Stoffe. Damit hat Ernest Hemingway nichts am Hut.

Literarisch hat er tiefe Spuren hinterlassen. Ernest Hemingway hat einer bedrückten Generation nach einer schrecklichen Katastrophe und den fatalen Wirtschaftskrisen der 1920er Jahre eine Stimme gegeben und sie für die Beschwernis, aber ebenso für die Schönheit dieser Welt sensibilisiert. Er schreibt innovativ und stilbildend zugleich. Seine Satz-Melodie und sein Sprach-Rhythmus haben sich fest in den Köpfen verankert und stehen für Freiheit und Individualität. Soll das alles nicht mehr zählen?

Die Welt um ihn herum hat sich verändert, er allerdings ist der Gleiche geblieben. Mit einem Mal sind lange Sätze und vielschichtige Charaktere angesagt – Hemingway weiß, dass er mit einem weiteren Roman über den Stierkampf da nicht mithalten kann. Zum Glück hat der Schriftsteller sich in den Jahren der literarischen Durststrecke nach dem Zweiten Weltkrieg abgekapselt in seinem behaglichen Refugium Finca Vigía auf Kuba. Doch im Umgang wird er zunehmend unleidlich und depressiv.  

Im Oktober 1954 erfolgt dann der Befreiungsschlag, Ernest Hemingway erhält den Nobelpreis für Literatur. Die Trophäe holt ihn aus seinem Tief. Er sei ein Innovator, so die Laudatio, er habe eine neue Erzähltechnik entwickelt. „Für seine kraftvolle und stilbildende Beherrschung der modernen Erzählkunst, wie zuletzt in Der alte Mann und das Meer“, schwärmt die schwedische Akademie in ihrer Begründung. Ernest Hemingway ist tief gerührt. 

Dieser Nobelpreis kommt für ihn zur rechten Zeit. Denn als Autor durchleidet der Mann aus Chicago eine düstere Phase. Sein vorletztes Buch Über den Fluss und in die Wälder, das Werk ist im Jahr 1950 erschienen, wird ein Misserfolg. Die Kritiker lassen kein gutes Haar an der Liebesgeschichte um den alten Colonel Richard Cantwell und die junge venezianische Contessa Renata. Unübersehbar ist diese Erzählung zu fahrig im Aufbau und arg hölzern in den Dialogen. Das Publikum jedenfalls hat mehr von ihm erwartet und er selbst spürt, sein Roman ist Durchschnittsware.

Einen weiteren Schlag ins Wasser hätte ein Autor mit solch einem Ego wie Hemingway nur schwer verkraftet. Doch sein nächstes Manuskript – Der alte Mann und das Meer – wird im Herbst 1952 zum Riesenerfolg. Diese Erzählung über den kubanischen Fischer Santiago und dessen Kampf auf dem Meer donnert in sein Leben wie eine urplötzliche Erlösung. Das schwedische Ding befreit den bärtigen Autor mit einem Mal von seinen heftigen Selbstzweifeln.

Dabei ist Der alte Mann und das Meer ein merkwürdiger

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Waldo Peirce: Ernest Hemingway Among the Sharks

Waldo Peirce: Hemingway Among the Sharks, Mai 1928.

Die Freunde planen einen Trip auf die Marquesas Keys und die Dry Tortugas. Dies sind eine zu Florida gehörende Gruppe aus zehn kleinen Eilanden, die eine Tagesreise westlich von Key West liegen. Der Mob, wie Ernest Hemingway den Freundeskreis nennt, will die unbewohnten Inseln mit ihren weißen Stränden und den Mangroven-Wäldern erkunden und im Golf von Mexiko fischen. Es ist Mitte Mai 1928, das erste Jahr des Schriftstellers in Key West.

Der Autor hat zu diesem Abstecher seine besten Spezl eingeladen. Den Maler Waldo Peirce, den Ernest Don Pico nennt, einen seiner ganz engen Weggefährten. Dann Bill Smith, einen Jugendfreund aus Zeiten in Michigan, und Bra Saunders. Zwei weitere Freunde, Burge Saunders und Charles Thompson, werden mit einem größeren Motorboot nachgekommen und die Männergruppe auf sechs anwachsen lassen.

Die Freunde fischen den ganzen Tag und braten abends die Beute über dem offenen Feuer oder bereiten Makrelen und Muschelsalat zu. Es geht zu wie in einer Hinterhofkneipe, man ist nur unter Kerlen. Hauptsache, an Bord geht das Feuerwasser nicht aus. Den Schluckspechten fallen, fernab der Zivilisation, jede Menge Albernheiten ein. Unsinn, den Männer so machen, wenn sie unter sich sind. Wenn die Freunde satt sind, furchtbar viel getrunken haben und außer Rand und Band geraten, dann reißen sich alle Burschen auch mal die Kleider vom Leib und tanzen nackt unter dem tropischen Sternenhimmel.

Besonders der 28-jährige Ernest ist für jeden Blödsinn zu haben, der Schriftsteller dreht auf bei diesen Ausfahrten im Golfstrom. Der Triumph seines Erstlings – The Sun Also Rises – stachelt ihn erst recht an. Die im Oktober 1926 verlegte Erzählung wird zu seinem Durchbruch als Autor. Die Kritiker und die Leserschaft weltweit zeigen sich hellauf begeistert, mehr und mehr rutscht Ernest in die Rolle einer literarischen Berühmtheit hinein. 

Der Maler Waldo Peirce wird zum Chronisten des Männer-Spektakels auf dem Meer. In knallbunten Wasserfarben zeichnet er die wüsten Eskapaden nach. Hemingway Among the Sharks, so nennt er eines der Blätter. In Hemingway unter den Haifischen, mit Datum 10. Mai 1928, skizziert Waldo die Ausgelassenheit und den Übermut seines prominenten Freundes Ernest auf dem Golfstrom.

Das Aquarell zeigt einen oberkörpernackten Ernest Hemingway mit dunkler Kappe, mitten auf dem kleinen Boot. Der vollbärtige Waldo Peirce an Heck, mit breitem Strohhut, ist Steuermann, der Dampf ploppt aus seiner Tabakpfeife. Am Bug der Schaluppe steht der

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Ernest Hemingway: Weg mit dem Unnutz!

Wo geht es hier zum Hemingway? Art by C. Stock. Foto: W. Stock.

Pablo Picasso meinte: „Kunst ist, das Unnützige wegzulassen.“

Genauso

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Paolo Conte: Hemingway

Oltre le dolcezze dell‘ Harrys Bar
E le tenerezze di Zanzibar
C’era questa strada
Oltre le illusioni di Timbuktu
E le gambe lunghe di Babalù
C’era questa strada

Questa strada zitta che vola via
Come una farfalla, una nostalgia
Nostalgia al gusto di Curaçao
Forse un giorno meglio mi spiegherò

Zazaza-zaza, zazazazaza
Zazaza-zaza, zazazazaza
Zazaza-zaza, zazaza-zaza, zazaza-zaza
Et alors, monsieur Hemingway, ça va?
Et alors, monsieur Hemingway, ça va mieux?

Jenseits der Süße von Harrys Bar
Und der Zärtlichkeit Sansibars
Es gab diese Straße
Jenseits der

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Ernest Hemingway – ein Kriegsverbrecher? Diese Woche auf „spiegel.de“

Eine hohe Gesamt-Reichweite: 12,28 Millionen Menschen lesen jede Woche SPIEGEL-Inhalte. Im gedruckten Heft oder online auf spiegel.de.

Mehrfach hat sich Ernest Hemingway aufgeplustert und behauptet, im Zweiten Weltkrieg deutsche Soldaten getötet zu haben. Erst sind es nur wenige Soldaten gewesen, die der Schriftsteller erschossen haben will,  später dann 26. Mit der Zeit steigt die Zahl der Todesopfer auf 122 Deutsche.

Was ist dran an diesen Selbstbezichtigungen des Nobelpreisträgers von 1954? Ist es Realität oder Fiktion? Das sind die Fakten: Bei den US-Streitkräften ist der damals schon berühmte Autor als Pressekorrespondent für die Zeitschrift Collier’s akkreditiert gewesen.

Nach der Landung in der Normandie ist Ernest Hemingway der US-Army über Paris bis an die Westfront gefolgt. Dort, in der Schnee-Eifel und im Hürtgenwald bei Aachen wird er Augenzeuge der blutigsten Schlacht des Zweiten Weltkriegs. 

Doch hat Ernest Hemingway im Krieg gegen die deutsche Wehrmacht wirklich den Finger am Abzug gehabt? Hat er ganz persönlich Schuld auf sich geladen? Oder ist er bloß ein Wichtigtuer, ein Sprücheklopfer und ein großer Maulheld?

So lauten die Fragen, die seit Jahren einer Klärung bedürfen. Denn hier und da werden die Anschuldigungen, die Ernest Hemingway selbst in die Welt gesetzt hat, aufgegriffen und politisch instrumentalisiert. Die Unschärfe um diesen Themenkomplex steht zudem einem nachhaltigen Wohlwollen zwischen Autor und Land irgendwie im Wege. 

In einem ausführlichen Artikel auf spiegel.de leuchte ich ab dieser Woche das oft gehörte Narrativ über von Hemingway getötete Deutsche in all seinen Facetten aus. Den Artikel kann

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Eine kubanische Hemingway-Briefmarke erinnert an eine deutsche Fotografin

Ein Fotomotiv aus Peru (links oben) für Kuba. Ernest Hemingway auf der Miss Texas, April 1956.

Per Zufall stosse ich auf kubanische Briefmarken aus dem Jahr 2010 mit Ernest Hemingway. Genauer gesagt: auf eine kubanische Marke, mit Motiv Peru, von einer deutschen Fotografin geschossen. Gewidmet Ernest Hemingway. Dahinter steckt eine abenteuerlustige Geschichte. Es ist die Geschichte der Modeste von Unruh.

Modeste von Unruh, sie ist vom Jahrgang 1927, verbrachte ihre Kindheit in Babelsberg bei Potsdam und durchlief nach Schulabschluss eine Ausbildung zur Fotoreporterin bei Hamburger Tageszeitungen. Ihre Familie stammte aus Westpommern, wo ihr Vater als Landwirt das Hammermühler Gut des Grafen Krockow verwaltete, später wanderte der Vater dann nach Australien aus. Auch Modeste von Unruh wurde bald vom Fernweh gepackt. Kurzentschlossen ließ sie im Jahr 1954 ihren VW-Käfer über den Atlantik verschiffen, denn ihre Leidenschaft gehörte dem amerikanischen Kontinent. 

Nach einem Jahr Panamericana blieb die junge Frau auf dem Highway in Peru hängen. In Lima lernte Modeste von Unruh dann den ungarischen Kunsthistoriker Dr. László von Balás-Piry kennen. Die beiden heirateten und bezogen ein hübsches Häuschen mit Garten und Pool in Chaclacayo, gut 40 Kilometer östlich von Lima, in 650 Metern Höhe, in einem Ort mit ständigem Frühlingswetter. Als freie Korrespondentin arbeitete Modeste von Unruh in Peru für das Hamburger Magazin Kristall.

Ein Auftrag führte sie nach Cabo Blanco, in den Norden Perus, wo Ernest Hemingway auf Besuch weilte. Es ist der 26. April 1956. Und es ist ein Donnerstag, an dem sich der Weg der jungen Fotojournalistin und der Weg des gefeierten Schriftstellers kreuzen. Im Cabo Blanco Fishing Club steht die 28-Jährige am frühen Abend vor dem Nobelpreisträger, der doppelt so alt ist wie die deutsche Fotografin.

Welch eine imposante Erscheinung, dieser Ernest Hemingway, denkt die junge Frau bei sich. An den Schriftsteller erinnert sie sich als an einen Mann von mittlerer Größe, jedoch von kräftiger Statur, like a tree trunk, wie ein wuchtiger Baumstamm, wird die Reporterin später zu einem Foto für die Londoner Bildagentur Black Star schreiben. 

Nachdem der prominente Schriftsteller die deutsche Fotografin kritisch gemustert hat, bricht schnell das Eis und Ernest Hemingway scheint die junge Frau zu akzeptieren. Die forsche Hamburgerin erkennt ihre Chance. Nehmen Sie mich mit auf das Boot, sagt die schlanke blonde Frau keck zum weltberühmten Schriftsteller. Und fügt dann an: Ich werde Ihnen Glück bringen.

Mit solch einer Berühmtheit wie Ernest Hemingway einen ganzen Tag lang auf einem Boot zu verweilen, ist ein seltener Glücksfall für einen Reporter. Normalerweise nimmt der Nobelpreisträger nie die Presse mit an Bord. Doch hier macht er eine Ausnahme. Der Schriftsteller kommt auf die Miss Texas, in Bermudas, einem kurzärmeligen Baumwollhemd, darüber die Jacke, auf dem Kopf eine graue Jockey-Kappe als Schutz. Und Ernest Hemingway behandelt die junge Modeste von Unruh mit ausgesuchter Aufmerksamkeit, vielleicht erinnert er sich an seine Anfänge als Journalist, vielleicht mag er sie einfach.

Ernest Hemingway in Cabo Blanco.

Ein Schnappschuss mit Ernest Hemingway auf der Miss Texas. Wie das Motiv auf der Briefmarke. Cabo Blanco, im April 1956. Foto: Modeste von Unruh.

Modeste von Unruh sollte mit ihrer kessen Glücksvorhersage vom Vortag richtig liegen. Denn als die junge Fotografin an diesem Tag das einzige Mal mit dem Schriftsteller, seinen kubanischen Freunden und der peruanischen Crew hinausfährt, geschieht das Unerwartete. Endlich, zum ersten Mal seit fast zwei Wochen, kommt das Anglerglück, auf das er seit Tagen so sehnsüchtig hofft, zu Ernest Hemingway. Und es erweist sich als das ganz große Anglerglück. Ein kolossaler Schwarzer Marlin von 730 Pfund Gewicht wird an Bord gehievt.

Der Schriftsteller umarmt als ersten den peruanischen Kapitän der Miss Texas. Ich danke dir sehr, sagt ein ausgelassener Schriftsteller zu Jesús Ruiz More, du bist ein erstklassiger Schiffsführer. Anschließend herzt der Schriftsteller die adrette Fotografin. Modeste von Unruh hat

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Tania Blixen schreibt einen Brief an Ernest Hemingway

Tania Blixen: Jenseits von Afrika. Ein Bestseller aus dem Jahr 1937. Bis heute.

Karen Blixen (1885 – 1962) ist eine dänische Schriftstellerin, die siebzehn Jahre in Kenia gelebt und dort eine Kaffeefarm aufgebaut hat. Auf dem deutschen Buchmarkt veröffentlicht sie unter dem Pseudonym Tania Blixen, die englischsprachigen Bücher weisen als Autorennamen Isak Dinesen aus, in Anlehnung an ihren Mädchennamen.

Weltberühmt wird Tania Blixen im Jahr 1937 mit ihren autobiographischen Erinnerungen Out of Africa. Als Jenseits von Afrika hat das Buch in Deutschland seit Jahren eine Renaissance erlebt. Ich hatte eine Farm in Afrika am Fuß des Ngong-Gebirges, so beginnt der Roman, wie auch die Verfilmung mit Meryl Streep und Robert Redford aus dem Jahr 1985.

Die Äquatorlinie zog sich 25 Meilen weiter nördlich durchs Hochland, doch meine Farm lag 2000 Meter über dem Meer. Mitten am Tag konnte man diese Höhe und die Nähe der Sonne wohl empfinden, aber nachmittags und abends war es klar und kühl, und die Nächte waren kalt.

Das ist ein Hemingway-Anfang. Lakonisch, authentisch, in den Naturbildern schwelgend. Beide eint die Liebe zum Kontinent. Jenseits von Afrika ist eine Liebeserklärung an den Schwarzen Erdteil und an seine Bewohner. Doch das Leben ist hart in der Buschsteppe, sie verliert den Mann, dann den Geliebten und schließlich auch ihre Farm. Für Tania Blixen, zurück in Dänemark, bleibt Afrika wie ein ferner Wunschtraum. Das Paradies ist Gottes Hab und Gut, der kleine Mensch kann nur ausborgen.

Als Ernest Hemingway 1954 den Nobelpreis für Literatur erhält, sagt der Amerikaner in seiner Dankesrede, Tania Blixen habe die Auszeichnung eher verdient als er. Daraufhin schreibt die dänische Schriftstellerin – unter dem Datum 1. November 1954 – einen Brief an den frisch gekürten Nobelpreisträger. 

Lieber Ernest Hemingway,

Die dänischen Zeitungen berichten, dass Sie bei der Verleihung des Nobelpreises mir die Ehre erwiesen haben, mich als eine der Autoren zu erwähnen, die den Preis eher verdient haben.

In der Hoffnung, dass diese Information wahr ist, danke ich Ihnen sehr für diese freundlichen Worte. Sie bereiten mir in diesem Moment, glaube ich, viel himmlische Freude. Wenn auch nicht so viel irdischen Nutzen, wie der Nobelpreis mir selbst gegeben hätte.

Ich habe Ihnen vielerlei zu verdanken. Ihre Bücher – seit ich zufällig „Fiesta“ in meiner Stamm-Buchhandlung in Nairobi entdeckte – haben mir sehr viel bedeutet. „Der alte Mann und das Meer“ war wie eine Heilquelle für mich oder wie eine Umarmung.

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Der schönste Hemingway-Satz: In einem anderen Land

Ich wusste, ich würde nicht getötet. Nicht in diesem Krieg.

Ernest Hemingway, 1929: In einem anderen Land.

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Briefmarken mit Ernest Hemingway – eine weltweite Verneigung

Auf Huldigungen an diesen amerikanischen Ausnahme-Autor stößt man in aller Welt, nicht nur an einem Ort wie bei anderen, sondern verstreut über die verschiedensten Länder und Kontinente. Auch die Menschen erinnern sich an diesen Rabauken, als ob sie ihn gestern zu Gesicht bekommen hätten. Dieser Schreiber mit Namen Ernest Hemingway wird verehrt, tief und innig, wie kein Zweiter.

Besonders an den Plätzen, die sein Leben und Wirken prägten, stößt man noch heute auf seine Spuren. In Pamplona und Madrid, in Venedig und in Fossalta, hoch in den Alpen oder im tiefen Schwarzwald wird an seine Person und an das Werk gedacht. In Paris und Istanbul, in der Karibik, in Key West und in den Rocky Mountains, an der Pazifikküste Südamerikas oder auch in Afrika finden sich vitale Zeichen der Huldigung.

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Doch nicht nur an Orten bleibt er in Erinnerung. Auch auf Briefen. Rechts oben. Möglicherweise ist Ernest Hemingway derjenige Autor, dem die meisten Postwertzeichen weltweit gewidmet worden sind. Was gleichermaßen hier auffällt: nicht nur in einem Land oder wenigen. Sondern rund um den Globus. Die Zuneigung zu diesem Mann aus Oak Park, einem Vorort von Chicago, ist allgegenwärtig.

Die Verehrung für Ernest Miller Hemingway bleibt ein Phänomen. Dieser Nobelschreiber vom Michigan-See hat sein Wirken weit und tief gestreut. Dieser Kerl, der sich am Ende selbst erschossen hat, ist durch nichts kleinzukriegen. Der fortwährende weltumspannende Radau um seine Person zeigt, Ernesto ist quicklebendig, obwohl er doch schon so viele Jahre tot ist.

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Wahrscheinlich ist dieser Mann deshalb nicht kaputtzukriegen, weil er nicht nur wie ein Titan geschrieben hat, sondern weil er zudem ein ziemlich buntes Leben sein eigen nennt. Ein Leben, so energisch und verausgabend, dass wir nicht wissen, ob wir diesen Menschen dafür bewundern oder bedauern sollen. Zudem hat er seine Biografie ohne jede Hemmung ins Schaufenster der Öffentlichkeit gestellt. Mutig, bei solch einem Lebenswandel.

Mit den Briefmarken ist die Verehrung dieses Schriftstellers im Alltag der Menschen angekommen. Gerade Länder, die Ernest Hemingway besonders geliebt hat, tun sich in postalischer Ehrerbietung hervor. Es sind Landstriche, die er bereist und über die er geschrieben hat. Nicht nur

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