In diesem neuen Buch zeigen sich gefeierte Autorinnen und Autoren der Weltliteratur, wie wir sie bislang noch nicht kannten: mitten im Geschehen, im Nahkampf und im Getümmel. Als Schurken, als Opfer oder als Helden. Tolstoi, Proust, Shelley, Oscar Wilde, James Joyce und viele andere Berühmtheiten in Action!
Und der Leser ist mitten drin. Als Cervantes in der Schlacht von Lepanto kämpfte. Als Tolstoi von einem Bären gebissen wurde. Als Jules Verne Achterbahn fuhr und Antoine de Saint-Exupéry vier Bruchlandungen überstand. Als die Schwestern Brontë den Weltuntergang erlebten. Als Marcel Proust sich duellierte und die Polizei nach Agatha Christie fahndete. Als Mary Shelley am Genfer See ihr Monster traf und Emily Dickinson den Sturm der Liebe erlebte. Als Bob Dylan sich in Woodstock das Genick brach und David Foster Wallace im Fitnessklub zu Boden ging.
Diese Neuerscheinung sammelt die besten Stories aus der gleichnamigen Kult-Serie in der LITERARISCHEN WELT, die von Mara Delius und Marc Reichwein herausgegeben wird. Eine andere Geschichte der Literatur, in deren Licht sich die herkömmlichen Literaturgeschichten allesamt blass und anämisch ausnehmen. Die grandiose grafische und editorische Gestaltung dieser Novität durch Paul Fretter und Manja Hellpap im Rahmen der Anderen Bibliothek im Aufbau Verlag bleibt hervorzuheben.
Auch Ernest Hemingway mischt bei diesen Actionszenen mit. Wie sollte es anders sein! Ich habe die Freude, in dem Band von seinen zwei Flugzeugabstürzen in Ostafrika zu berichten. Action genug. So schlimm, dass die beiden Unglücke im Jahr 1954 so etwas wie
Dieser Kerl mit dem himmlischen Rauschebart will den Kosmos um sich herum für die Ewigkeit inszenieren. Unsterblichkeit ist sein Ziel gewesen. Die hat er ja sogar irgendwie bekommen, auch wenn er seit über 60 Jahren still und leise auf dem Dorffriedhof von Ketchum ruht. Bei einem Schriftsteller, der derart aneckt, ist es kein Wunder, dass sich die Kritiker und Neider lauthals melden. Angriffsfläche bietet der Bärtige genug.
Hauptvorwurf: Er sei unmodern. Er passe nicht in die heutige Zeit. Seine Inhalte und sein Stil – schrecklich altbacken. Moderne Themen, die unter den Nägeln brennen, seien bei ihm nicht zu finden. Mit dem Alltag und seinen Schattenseiten hat er in der Tat nichts am Hut. Berufsprobleme, Ehezwist, Emanzipation, der Moloch der Großstadt, prekäres Leben, Diskriminierung, soziale Benachteiligung. Gibt es alles, mehr als erträglich, schlimm genug. Doch dies sind nicht Hemingways Themen. Und die langen, komplizierten Sätze und die eierköpfige Annäherung erst recht nicht.
Ernest mag vielmehr die unangestrengte und grundehrliche Erzählung. Alles selbst gesehen und schmerzlich erlebt. Das ist seine Welt. Fischer, Kneipiers und Malocher gehören zu seinen Freunden. Professoren und Intellektuelle eher nicht. Ernest Hemingway verachtet die literarische Selbstbemitleidung der Großstadt-Neurotiker. Deshalb hat er sich in seine tropische Finca auf Kuba verkrochen, weit weg vom Blitzlichtgewitter der Presse. Und noch wichtiger: Weit weg von den Kollegen.
Gegner tauchen trotzdem auf. Man reibt sich an ihm. Einerseits. Andererseits kopiert man ihn, man folgt seiner Marschroute. Sein schnörkelloser Stil, die Aneinanderreihung kurzer Aussagesätze und die kraftvolle Sprache werden typisch für viele Schriftsteller, weltweit. Ernest Hemingway wird ein Stilbildner, ganze Autorengenerationen hat er beeinflusst. Truman Capote, Nelson Algren, Malcolm Lowry, Bruce Chatwin. Alles Top-Schreiber, alleine aus der angelsächsischen Sprachwelt.
Die Enkel rücken in den 1960er Jahren noch näher. Mit dem New Journalism proben sie die Kulturrevolution, Hemingway ist ihr bewunderter Großvater. Hunter S. Thompson, Gay Talese, Truman Capote, Tom Wolfe. Dieser New Journalism geht voll rein, er ist ein ästhetischer Barrikadenkampf gegen die pomadig schreibenden Väter. Doch in ihrer schrillen Subjektivität besitzen die neuen Reportagen etwas, das auch Hemingways Texte haben: Nähe und Authentizität.
Und in unseren Tagen? Mittlerweile sind die ungestümen Enkel vom New Journalism ebenfalls Geschichte. Doch der Großvater, oh Wunder, springt noch immer quicklebendig umher. Einer, der ernsthaft schreibt, kommt nicht vorbei an ihm. Denn jeder ambitionierte Reporter an Zeitungen und Zeitschriften, ein jeder Korrespondent in der Ferne, ist irgendwann und irgendwie durch die Schule des Alten gegangen. Auch wenn so mancher die Nase gerümpft hat. Gelernt von ihm haben alle.
Einen Ernest Hemingway von heute, den gibt es nicht, es kann auch keinen geben. Ein übersprudelnder Lebemann wie er, egomanisch und ungehobelt, wird in der Zeit weichspülender Political Correctness und flüchtiger Handy-Filmchen nur schwer einen Platz finden. Ein Ernest Hemingway wäre in der Welt der Belanglosigkeiten, wo jeder Pups auf Facebook oder X stolz vermeldet wird, ganz schrecklich aus der Zeit gepurzelt.
Mit dem Hochadel, in welcher Ausprägung auch immer, hat der Mann aus einem Vorort von Chicago wenig am Hut. Er kommt aus der bodenständigen Tradition eines Mark Twain. Es ist ihm gelungen, die englische Literatur von den hochherrschaftlichen Manierismen der Charles Dickens-Schule zu befreien. Literaturhistorisch bleibt dies sein Verdienst. Auch seine Themen scheinen zeitlos. Neben dem Wunschtraum nach dem Wahren und Schönen beschreibt er, dass kein Tag ohne Kampf vergeht.
Dieser Schriftsteller kann das Außenleben messerscharf beobachten. Millimetergenau wie ein Bauzeichner legt er seine Sätze und Dialoge an. Weil seine Prosa kraftvoll auf die
Ein Umstand wird viele überraschen, denn er entspricht nicht der Vorstellung, die wir von diesem Schriftsteller mit uns tragen. Auch wenn die Auffassung gewagt ist, es lohnt sich, darüber nachzudenken: Ernest Hemingway ist in seinem Innersten ein überaus schüchterner Mensch. Selbst wenn er in den Zeitungen und Zeitschriften sein Leben bis ins Einzelne ausbreitet, ein Hans Dampf in allen Gassen ist er nie gewesen.
So tritt er höchst selten vor Publikum auf. Bei Ansprachen fühlt er sich eher unwohl. Seine Sprechweise scheint oft von Unsicherheit und Brüchigkeit geprägt. Nur wenn ihm etwas wichtig ist, dann legt er seine Leidenschaft rein. Dem Propagandafilm für die spanische Republik – The Spanish Earth – leiht er seine Stimme. Ansonsten gibt es wenig aus dem Radio oder Television mit ihm. Dem Medium Fernsehen begegnet er mit Abstand.
Nur wenige Interviews hat er Journalisten gewährt. Sie stehen Schlange. Umsonst. Auch die Buchautoren hält er auf Distanz. Mit keinem seiner Biografen hat er zusammengearbeitet oder diesen unterstützt. Noch nicht einmal seinen Bruder Leicester, der die erste Biografie über ihn geschrieben hat. Im Gegenteil. Er soll wütend darüber gewesen sein.
Zelebritäten sind hinter ihm her. Wollen sich mit dem Nobelpreisträger und Star-Schriftsteller ablichten lassen. Er jedoch zieht sich zurück. Je berühmter er wird, desto mehr igelt er sich ein. Nur, wenn er etwas will, wenn es in seinen Kosmos passt, dann kennt er kein halten. Safaris, Bullenrennen, Schippern auf dem Meer. Spanien und Italien. Da blüht er auf. Das sind Sphären, wo seine eigene Persönlichkeit und die Welt da draußen sich überschneiden. Mit den Bussi-Partys in New York gibt es eine solche Schnittmenge nicht.
Ernest Hemingway hat immer Wert gelegt auf Privatsphäre. Er hat sich zurückgezogen in sein tropisches Refugium Finca Vigía im Hinterland von Havanna. Um zu ihm zu gelangen, muss man durch versteckte Ortschaften und über staubige Dorfstraßen. Hinter die Telefonklingel auf seinem Anwesen kann er ein Stückchen Papier klemmen, dann hat er seine Ruhe. In den letzten beiden Jahren zieht es ihn nach Ketchum, in ein Silberminen-Kaff, irgendwo in den Ausläufern der Rocky Mountains, wo sich Fuchs und Hase gute Nacht sagen.
Auf der anderen Seite gibt es Tausende Darstellungen von ihm. Von den besten Fotografen weit und breit. Von Robert Capa und Man Ray, von Alfred Eisenstaedt und Yousuf Karsh. Die Aufnahmen scheinen der These von der Schüchternheit zu widersprechen. Doch eines fällt auf. Bei den allermeisten Fotos posiert er nicht. Es sind Schnappschüsse. Keine gestellte Lichtbilder.
Mythos Hemingway. Er hat ihn zwar befeuert, aber nicht absichtlich erzeugt. Es gibt von ihm keine Strategie, sich als öffentliche Person darzustellen. Eher haben wir ihn gemacht. Wir, die Leser und die Bewunderer. Denn die Zeit ist reif dafür gewesen. Weil der Adenauer-Mief und der Eisenhower-Muff nach einem solchen Mythos verlangt haben. Nach einem kernigen Macho wie ihn, der sich die Welt anschaut, unabhängig und eigenwillig. Auch nach einem Menschen mit Ecken und Kanten.
Das Hamsterrad in den Jahren des stürmischen Wirtschaftswachstums zieht am Ende einen Eskapismus mit sich. Man will hinaus in die Welt. Zu neuen Ufern aufbrechen. JFK verkörpert dies, später auch
Am 21. Juli 2024 erinnerte der Deutschlandfunk (DLF) in mehreren Sendungen an den 125. Geburtstag von Ernest Hemingway. Der Journalist Florian Ehrich befasste sich dabei mit dem Thema: Ernest Hemingway – Eine neue Art zu schreiben. Für seinen Beitrag hat der Redakteur auch Wolfgang Stock, den Gründer und Macher von Hemingways Welt, befragt.
Auszug der Sendung: Am 21. Juli 1899, vor 125 Jahren, wurde Ernst Hemingway geboren. „Die englische Literatur beharrt immer noch auf diesem belehrenden Aristokraten-Touch mit viktorianischen Themen.“ Der Hemingway-Biograf Wolfgang Stock über die aus seiner Sicht altmodische englischsprachige Dichtung Anfang der 1920er Jahre.
„Doch dann kommt Hemingway um die Ecke, kraftvoll, breitbeinig. Ein Autor, der Literatur über das Erleben definiert. Eine neue Art des Schreibens entsteht, kurz, lakonisch, auf das Wesentliche reduziert.“
Hier die Sendung als Datei:
Ernest Hemingway begann als Reporter. Geboren am 21. Juli 1899 in Oak Park bei Chicago. Beim Kansas CityStar lernte er das Schreiben. In einem Brief an den Vater meint er: „Ich versuche, ein Gefühl vom wirklichen Leben zu vermitteln. Nicht bloß das Leben zu beschreiben oder zu kritisieren, sondern es wirklich lebendig zu machen. So dass man, wenn man etwas von mir gelesen hat, die Sache tatsächlich durch mich erlebt. Das kann man nicht erreichen ohne das Schlechte und das Hässliche genauso zu zeigen, wie das Schöne.
Hemingway arbeitet hart, um diese Unmittelbarkeit zu erreichen. Im Jahr 1921 ging er nach Paris und lernte von der dort ansässigen literarischen Avantgarde. Auch die Kunst des impressionistischen Malers Paul Cézanne bestärkt ihn in seinem Streben nach Einfachheit im Ausdruck. Hemingway kann in wenigen Sätzen eine Landschaft plastisch einfangen oder
Zu Ernest Hemingways 125. Geburtstag strahlte der Saarländische Rundfunk – SR2 Kultur – am 19. Juli 2024 ein Gespräch aus von Moderator Kai Schmieding mit Wolfgang Stock, dem Macher und Herausgeber von Hemingways Welt. Das Thema: Ist Ernest Hemingway heute überhaupt noch gesellschaftstauglich?
Kai Schmieding: Der wichtigste Schriftsteller seit dem Tode William Shakespeares, schrieb die New York Times im Jahr 1950. Kommen Sie drauf, wen die Zeitung damals meinte? Der Mann hat vier Jahre später den Nobelpreis erhalten. Es ist Ernest Hemingway. Sie denken natürlich sofort an Der alte Mann und das Meer. Kennen wir alle. Heute sehen Hemingway manche allerdings auch mit anderen Augen, einige Kritiker sagen, er passe nicht mehr so recht in die Welt des 21. Jahrhunderts, seine Werke seien aus der Mode gekommen, unter anderem wegen ihrer Darstellung von Geschlechterrollen. Am Sonntag würde Hemingway 125 Jahre alt. Das ist Anlass zu fragen, wie relevant ist er für uns heute noch, was sagt er uns heute. Wir sprechen darüber mit Wolfgang Stock. Er ist Journalist, Verleger, Lektor und Autor eines Hemingway-Buches.
Kai Schmieding: Hemingway galt als literarischer Gigant und inszenierte sich als Lebemann, der heute kaum mehr gesellschaftstauglich wäre, schreibt ein Kritiker heute. Sehen Sie das auch so, wäre Hemingway tatsächlich heute nicht mehr gesellschaftstauglich?
Wolfgang Stock: Ich tue mich etwas schwer mit einer Antwort auf diese Frage. Schauen wir uns zunächst einfach einmal die quantitativen Zahlen an. Seine Werke sind in Deutschland ja im Rowohlt Verlag erschienen. Schlagen Sie dort das Impressum auf. Dann sehen Sie: Auflage 700.000 verkaufte Exemplare, 800.000 Verkaufte. Dies ist ja die harte Währung für einen Autor. Die verkaufte Auflage. Gerade in Deutschland hat sich Ernest Hemingway sehr gut verkauft und verkauft sich immer noch. Also, es muss was dran sein an dem Mann.
(…) Das Wichtigste ist: Man muss sich nur einlassen auf diesen Autor…
Hier das vollständige Interview als Audio-Datei. SR2 Kultur: Wolfgang Stock über Ernest Hemingway.
Am 21. Juli 1899 wird er in Oak Park, einem biederen Vorort von Chicago, geboren. Zum 125. Geburtstag von Ernest Hemingway ein Blick auf das angespannte Verhältnis des amerikanischen Nobelpreisträgers zu den Deutschen
Von Wolfgang Stock
Er kann ein paar Brocken Deutsch, nichts Weltbewegendes, am liebsten Schimpfwörter wie Schieber und Schweinehund. Die Ausdrücke hat er bei seinen mehrmonatigen Winteraufenthalten im österreichischen Schruns aufgeschnappt und sie hier und da in seine Prosa eingebaut. Genau 291 deutsche Wörter und Begriffe findet man in Ernest Hemingways Werk. Ein wunderbarer Fundus, um Widerlinge zu beschreiben oder seiner Wut ein wenig Luft zu machen.
Der Amerikaner aus Chicago und das Land der Germanen – es ist sicherlich keine Liebe auf den ersten Blick, wie bei Spanien und Italien. Vielmehr gestaltet sich die Beziehung zwischen Ernest Hemingway und Deutschland so wechselhaft wie das Wetter im April. Kühl, manchmal stürmisch und dazwischen ein paar Sonnentage. Die Deutschen sind bei einer Allensbach-Umfrage gefragt worden, wer die zwei bedeutendsten Schriftsteller des 20. Jahrhunderts seien. Am meisten genannt: Thomas Mann und Ernest Hemingway. Es gibt sie also, die Verehrung und Zuneigung der Deutschen zu dem bärtigen Autor, der am 21. Juli 1899 in einem Vorort von Chicago geboren wurde und der seit Juli 1961 auf dem Dorffriedhof von Ketchum in Idaho begraben liegt.
Trotz literarischer Bewunderung schlägt dem Nobelpreisträger von 1954 reichlich Ablehnung entgegen, in Deutschland polarisiert kein anderer Autor derart. Als Prototyp eines Egomanen und politisch Inkorrekten zieht Ernest Hemingway die Kritik an wie ein Magnet. Besonders an seinem Charakter wird kein gutes Haar gelassen, es geht weniger gegen das Werk. Der Stierkampf-Liebhaber sei ein eigensüchtiger Sprücheklopfer, ein Hallodri durch und durch, ein Macho aus der Mottenkiste, ein grausamer Tierquäler, ein Deutschland-Hasser obendrein.
Schauen wir uns die Sache von seiner Seite an. Zu Ende des Ersten Weltkriegs wird der Sanitätsfahrer Hemingway im italienischen Fossalta schwer verwundet, getroffen von österreichischen Granatsplittern. Im Frühjahr 1933 verbrennen die Nazis seine Bücher, er steht auf der Schwarzen Liste. Und im Zweiten Weltkrieg sieht er als Kriegsreporter das Grauen an der Front im Hürtgenwald bei Aachen. Auch persönlich setzten die Deutschen dem US-Schriftsteller zu. In den Vogesen wird im Oktober 1944 sein ältester Sohn Jack von der Wehrmacht festgenommen und ein halbes Jahr im Kriegsgefangenenlager Moosburg an der Isar inhaftiert. Alles keine gute Grundlage für überschäumende Sympathie.
Neugier ist immer da gewesen. Von Dezember 1921 bis zum März 1928 lebt Ernest Hemingway mit Ehefrau Hadley in Paris. Seinen Unterhalt bestreitet der Jungvermählte mit journalistischen Artikeln, er hat einen Vertrag mit der kanadischen Zeitung Toronto Star alsEuropa-Korrespondent. Von Paris aus bereist der junge Reporter den Kontinent, mehrmals erkundet er Deutschland. Dabei arbeitet sich der US-Amerikaner fleißig an Stereotypen über die Germanen ab. Wir sahen Mütter, die ihren rosigwangigen Kindern Bier aus großen Halbliterkrügen zu trinken gaben. In Bayern, so möchte man rasch anfügen, sind es Einliterkrüge!
Klamaukig gerät auch die Schilderung, wie Hemingway in Triberg von den Bürokraten in den Amtsstuben ein Angelschein verwehrt wird. Und er sich trotzdem auf den Weg macht zu seinem Forellenbach im Schwarzwald. Wir stellten fest, dass man selbst auf einem der wilderen und abgelegeneren Wege keine zwanzig Schritte gehen konnte, ohne auf sechs bis acht Deutsche zu stoßen, die mit rasierten Schädeln, nackten Knien, Hahnenfedern am Hut, Sauerkraut im Atem, Wanderlust im Blick und einer gegen ihre Beine klappernden Sammlung von Aluminiumgeschirr des Weges zogen.
Seine Leserschaft merkt, dieser junge Autor vermag pointiert zu schreiben, pflegt zugleich mit Vergnügen die Vorurteile. Gemahl speist zuerst, Weibchen kriegt die Krümel! heißt die Überschrift seiner launigen Reportage über eine Bahnfahrt von Frankfurt nach Köln. Besser als jede akademische Sozialstudie beleuchtet Hemingway, wie grobschlächtig sich deutsche Ehemänner gegenüber ihren Frauen benehmen. In seinen frühen Zeitungsartikeln mag er, dick aufzutragen. Das Publikum daheim wird seine Impressionen mit Kurzweil goutiert haben.
Als ehrgeiziger Korrespondent nimmt der Amerikaner seine Profession ernst, ihn zeichnet ein enormer Arbeitseifer aus. Man mag es kaum glauben, bei seinem Lebenswandel. Obwohl er sich zahlreichen Verlockungen dahingibt, die auf einen kernigen Burschen am Wegesrand lauern, schreibt Ernest Hemingway emsig. Er recherchiert gründlich, baut Kontakte auf und geht textlich in die Details. Diese Disziplin sollte er bis zum Ende seines Lebens bewahren.
Die Kabinettstückchen aus Deutschland für den Toronto Star, allesamt aus dem Jahr 1922, sind aus einem weiteren Blickwinkel aufschlussreich. Denn sie zeigen eine stilistische Eigenart, die den 23-Jährigen schon damals auszeichnet. Auch wenn er manches überzeichnet, der junge Journalist entwickelt in seinen Texten eine
Eine dramatische Lebensstation dieses Menschen spielt sich ab in dem beschaulichen venezianischen Dorf Fossalta di Piave. Im Ersten Weltkrieg gerät der 18-jährige Sanitätsfahrer Ernest Hemingway auf einem Uferdeich unter Beschuss durch österreichische Artillerie. Was genau geschah in dieser Nacht des 8. Juli 1918 am Fluss der Piave?
In der Dunkelheit – schwerst verwundet und ein halbes Jahr Rekonvaleszenz vor sich – zerbricht etwas im Inneren dieses unbedarften Teenagers. Das Kapitel über Fossalta ist das Herzstück des neuen Buches von Curtis L. DeBerg. Der Autor schiebt in seinem Werk eine provokante Frage nach: Was wäre, wenn die Verletzung, die Ernest Hemingway in dieser Nacht erlitt, eine völlig andere wäre, als jene die eine Mörsergranate geschlagen hat?
Denn ein junger italienischer Soldat stirbt vor Hemingways Augen. Ernest befindet sich gegen ein Uhr nachts auf dem Uferdeich. Er will Fedele Temperini, einem 26-jährigen Rekruten aus dem toskanischen Montalcino, gerade ein paar Mitbringsel überreichen, da schlägt nur drei Armlängen von den beiden eine Mörsergranate ein. Unbeabsichtigt hat der italienische Soldat mit seinem Körper den Amerikaner vor dem Beschuss abgeschirmt und ihm so das Leben gerettet. Ist Fedele Temperini der wahre Held in Fossalta?
Ernest Hemingways Erzählung geht anders. Er will die Hauptfigur sein und brüstet sich damit, einen einheimischen Soldaten auf der Schulter aus der Schusslinie geschleppt zu haben. Was ist die Wahrheit? Curtis DeBerg wägt mit zahlreichen Informationen die möglichen Szenarien ab. Das wahrscheinlichste Szenario entlarvt Hemingways Version als Big Lie. Noch eine Narbe in der Seele dieses Großsprechers und Prahlhans? Einiges spricht dafür.
Auf jeden Fall vergrößern die Vorkommnisse im Veneto des Juli 1918 die inneren Qualen des sensiblen jungen Mannes. Er, der sich für unverwundbar hält, hat dem Tod in die Augen geschaut. Es ist erst der Anfang. Diese arme Seele wird in ihrem Leben gegen genug böse Geister ankämpfen müssen. Fossalta ist lediglich der Auftakt einer Trauma-Karriere: der Hass auf die Mutter, drei zerbrochene Ehen, Depressionen und Krankheiten, Alkoholismus und schließlich Selbstmord.
Curtis L. DeBerg – ein Wirtschaftswissenschaftler, der über drei Jahrzehnte eine Professur an der California State University in Chico inne gehabt hat – folgt seit langer Zeit den Spuren des Jahrhundert-Schriftstellers. Auch von diesen Schauplätzen und ihren Besonderheiten berichtet das Buch. Heute lebt DeBerg in Miami oder im südfranzösischen Hendaye, viel näher an Ernesto kann man nicht kommen. Seine These zu dem Schriftsteller: Ein Leben, das sich über den Kampf mit den bösen Geistern erklärt. Kommt hinter diesem Konflikt etwa der wahre Hemingway zum Vorschein?
Wrestling with Demons mit über 400 Seiten ist ein Kaleidoskop, so bunt wie das Leben des Nobelpreisträgers von 1954. Ein solcher Mix aus Tatsachen sowie fiktiven Briefen und Dialogen, dazu die Hinzunahme der eigenen Biografie, ist ein Ritt über die Rasierklinge. Dass die packend geschriebenen Gedankengänge von Professor DeBerg die Bodenhaftung nicht verlieren, dafür sorgt glücklicherweise sein wissenschaftliches Temperament. Mit Literaturverzeichnis, Fußnoten und Stichwortverzeichnis, der Hemingway-Biograf nimmt uns mit auf eine Abenteuerreise mit rasanten Perspektiven, überaus kurzweilig und stets mit schlüssigem Nachweis.
Eine wunderbare Nachwirkung bringt die Beschäftigung mit Ernests Drama am Böschungsdamm der Piave hervor. Endlich erhält
Millionen mögen ihn, weltumspannend reicht die Verehrung für diesen Nobelpreisträger, viele bewundern die Kraft und Abgeklärtheit seiner Erzählungen und Romane. Auch seine dem Lebensgenuß zugewandte Persönlichkeit wird bestaunt, bisweilen mit einem leichten Heben der Augenbraue. Jedenfalls vermag dieser Autor so gut und bahnbrechend zu schreiben, dass noch heute seine Bücher im Stapel verkauft werden. Obwohl er doch schon seit über 60 Jahren auf einem kleinen Dorffriedhof ruht, in Ketchum, am Rande der Rocky Mountains.
Doch es gibt nicht nur Fans. Wenige Schriftsteller müssen solch eine tiefe Antipathie über sich ergehen lassen wie Ernest Hemingway. Es ist nicht ausschließlich Ablehnung und Kritik, die ihm entgegenschlägt. Blanker Hass ist darunter auszumachen. Gerade fortschrittliche Intellektuelle und neumodische Medienleute arbeiten sich in den Feuilletons, in den Podcasts und in Gesprächsrunden an diesem kernigen Mannsbild gerne ab. Vielen gilt er als so eine Art Donald Trump der Literatur. Im Groben kommt das Feuer gegen Ernest Hemingway aus zwei Richtungen. Von ganz links und ganz rechts.
Linke Zeitgenossen verachten ihn, denn er ist das glatte Gegenteil von woke. Er lebt politisch unkorrekt, plaudert frei heraus, ohne Rücksicht auf Gepflogenheiten und gutes Benehmen. Er ist ein Großkotz, wie er im Buche steht. Dazu gilt er nicht nur als wohlhabend, vielmehr ist er stinkreich, was für einen Schriftsteller eh schon Makel genug ist. Seine Häuser sind herrschaftliche Residenzen oder riesige ländliche Anwesen. Das Ehepaar Hemingway unterhält dafür eine Armada von Bediensteten, vom Koch über den Gärtner bis zur Wäscherin. Auto fährt er, aber nicht von eigener Hand, Juan heißt sein Chauffeur.
Was allerorten gesagt oder getuschelt wird, es interessiert ihn nicht die Bohne. Gegen all das Lästern setzt der Mann aus einem Vorort von Chicago ein gesundes Selbstbewusstsein und eine schnoddrige Ungeniertheit. Über ein Jahrzehnt hat er eine feste Geliebte, die zuvor als Prostituierte gearbeitet hat, recht ungewöhnlich für einen Nobelpreisträger der Literatur. Dieser Mann hat Prinzipien, jedoch es sind seine eigenen. Er zeigt Haltung, es ist aber seine Haltung.
Die Linken sagen deshalb, er sei ein Rechter. Allerdings läuft er niemandem hinterher. Und so scheint Mister Papa in keine Schublade zu passen. Links, rechts, oben, unten. Sinnlos zu beschreiben, wo dieser Künstler einer bodenständigen Avantgarde einzuordnen ist. Selbstbewusst würde Ernest Hemingway wahrscheinlich antworten: vorne. Das mag sogar stimmen, andere Klassifizierungen greifen einfach zu kurz. Aus diesem Grund langweilen all die Vorwürfe. Denn sie werden dem bärtigen Jahrhundert-Schriftsteller nicht gerecht. Es bleibt bei faden Schablonen, die eine Diskussion nicht weiterbringen.
Die Rechten wiederum meinen, er sei ein Linker. Ein linker Bourgeois, so zetern sie aus der rechten Ecke. Er habe für die linke Republik gekämpft im Spanischen Bürgerkrieg. Im Zweiten Weltkrieg sei er zumeist besoffen seiner Arbeit als Kriegsberichterstatter nachgegangen. Er habe deutsche Soldaten auf dem Gewissen (was schon lange widerlegt ist). Er habe seine Frauen betrogen (was stimmt, er soll da allerdings nicht der Einzige sein auf diesem Globus). Fidel Castro habe er hofiert (was eine von den Castristen gepflegte Mär ist).
Ohne Zweifel, sein Charakter besitzt auch dunkle Seiten. Die wunderbare Literatur kann nicht alles entschuldigen. Er bechert zu viel, behandelt seine Frauen schlecht, mit Familie tut er sich schwer. Er lästert, poltert und donnert einfach drauf los. Und er flunkert und bauscht auf, dass sich die Balken biegen. Aber, wer mag da den ersten Stein werfen? Reicht dies für all den Hass? Fehltritte und Irrtümer gibt es gleichermaßen bei anderen in Hülle und Fülle.
Solch ein Hass, der Ernest Hemingway entgegenschlägt, scheint mir zu einem großen Teil auch ein
Das Leben dieses Schriftstellers erschließt sich über das Meer. Das Meer hat mein Schreiben beeinflusst wie nichts anderes, meint Ernest Hemingway.La Mar es la gran influencia en mi vida. Das Meer sei der entscheidende Einfluss auf sein Leben. Er sagt es dem kubanischen Fernsehreporter Juan Manuel Martínez auf Spanisch, der ihn auf Finca Vigía interviewt, nachdem die Nachricht von der Verleihung des Nobelpreises die Runde gemacht hat.
Trato de comprender la mar, formuliert Ernest Hemingway bei dieser Gelegenheit im kubanischen Fernsehen, ich versuche, das Meer zu verstehen. Ein Schriftsteller will das Meer verstehen. Diese Auffassung überrascht, denn die meisten Autoren wollen die Welt verändern oder zumindest den Menschen ergründen. Ernest Hemingway indes will das Meer verstehen.
Darum zieht es ihn an Orte, die dem Meer nahe sind. Nach Finca Vigía, nicht weit von Cojímar und dem Golfstrom, nach Venedig, wo sich sein Zimmer im Gritti gleichsam weit in das adriatische Meer schiebt, nach La Cónsula bei Málaga, an die Sonnenküste Andalusiens, nach Barcelona am Mittelmeer, nach Acapulco in Mexiko, nach Cabo Blanco am Pazifik Perus, nach Key West, das ja ebenfalls umrahmt wird vom Meer.
Sein Wunsch ist immer und überall, nahe dem Meer zu leben. Deshalb liebt er jene Landstriche, die ohne das Meer nicht vorstellbar sind. Der Autor fühlt sich angenommen in den Städten am Meer, die ihre eigene Tradition hochhalten und dennoch den offenen Brückenschlag in die Ferne bilden. Ich bin ein Mann des Meeres, pflegt er zu sagen und man hört diesen Satz oft von ihm. Auch in vielen seiner Werke singt er das Loblied auf das große Meer.
Auf den ersten Blick mag es erstaunen, wie liebevoll und wie zärtlich dieser Rabauke und Trunkenbold über das Meer und über den Menschen am Meer schreiben kann. Er will das Meer verstehen. Ersetzen wird den Begriff Meer doch einfach durch den Begriff Evolution. Ernest Hemingway will das Wunder des Lebens ergründen. Damit er sich auch selber versteht. Das Meer trägt Geburt und Heilung in sich, es ist das Thema seines Schreibens. Leben und Untergang. Die Gesetzmäßigkeit dieses Kreislaufes der Natur, das Werden und Vergehen, das will er enträtseln und verstehen.
Ernest Hemingway selbst wird am Meer ein anderer Mensch, vielleicht wird er hier auch erst so richtig zum Menschen. Die Zeit, die ich auf dem Meer vor den spanischen, afrikanischen und kubanischen Küsten verbracht habe, ist die einzige Zeit, die ich nicht verschwendet habe. Er kann sich so wunderbar erfreuen am Geheimnis des Daseins, ganz nahe am Meer, ganz nahe an sich.
So schön überfällt einen das Meer. Mit der Zeit wird man leichtsinnig am Ozean, auch sinnlich und draufgängerisch. Man nimmt endlich wieder den eigenen Körper wahr und entwickelt eine neue Lust am Leben. Deshalb fühlt sich Ernest Hemingway auf Kuba so wohl. Die Glut der Sonne kitzelt so manch verschüttete Begierde, der Mensch begibt sich in jene so selbstverständliche Natürlichkeit, die nur ein Ort am Meer ausstrahlen kann. Man muss nur den Mut aufbringen, sich in diese Körperlichkeit fallen zu lassen.
Seit Herbst 2020 ist mein Buch Cabo Blanco – Mit Ernest Hemingway in Peru im Buchhandel. Auf über 360 Seiten zeichnet das Paperback eine unbekannte Episode im Leben des Ernest Hemingway nach. Den fünfwöchigen Besuch des bärtigen Nobelpreisträgers in dem peruanischen Fischerdorf Cabo Blanco im April und Mai 1956.
Dabei ist dieses Buch mehr als eine Episoden-Beschreibung. Zusätzlich zu den Ereignissen in Cabo Blanco werden Rück- und Seitenblicke auf den turbulenten Lebensweg des US-amerikanischen Jahrhundert-Autors geworfen. So werden einzelne Mosaiksteine einer umfassenden Lebensschau zusammengefügt.
Um was geht es? Am 15. April 1956 brechen Ernest Hemingway und seine Ehefrau Mary von ihrem kubanischen Wohnsitz Finca Vigía auf zu einer mehrwöchigen Reise nach Cabo Blanco. In dem kleinen peruanischen Fischerort sollen die Außenaufnahmen der Hollywood-Verfilmung von Der alte Mann und das Meer stattfinden.
Gut 60 Jahre nach dem Besuch des Nobelpreisträgers ist Wolfgang Stock der Expedition nachgereist. Der deutsche Journalist und Buchautor entdeckt dabei eine Vielzahl an bisher unbekannten Begebenheiten und Fakten. Neben zahlreichen Dokumenten, Fotos und Spuren findet er Zeitzeugen, die sich lebhaft an Ernesto erinnern, ganz so als sei sein Besuch gestern passiert.
Das Buch Cabo Blanco – Mit Ernest Hemingway in Peru ist packend und informativ geschrieben. Es rekonstruiert den Aufenthalt eines sympathischen Abenteurers mit Träumen und Hoffnungen. Es zeichnet aber auch das Bild eines gealterten Mannes, der mehr
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