In Ufernähe des Guadalquivir, des großen Talflusses, wie das Gewässer auf Arabisch heißt, liegt in Sevilla die Casa Cuesta, ein Restaurant voller Tradition. Die gelöste Atmosphäre der andalusischen Bodega ist so ganz nach dem Gusto des bärtigen Amerikaners. Der Nobelpreisträger liebt ein ungezwungenes und bodenständiges Ambiente, gepaart mit einer herzhaften Küche und guten Prozenten. Der ideale Rückzugsort für einen lebensverliebten Weltenbummler wie Ernest Hemingway.
An einer Ecke der Calle Castilla, in einem dreigeschossigen Gebäude aus braunem Backstein und als Schutz vor der beißenden Sonne mit blauen Markisen über der Außengastronomie, trägt die Bar ihren Anteil bei zur Buntheit des Viertels. Gegenüber dieser Stätte der Ausgelassenheit erblickt man den Callejón de la Inquisición. In dieser engen Gasse hatten im Mittelalter die Richter der blutrünstigen Inquisition ihren Sitz.
Auf eine Lebensspanne von fast anderthalb Jahrhunderten kann die Casa Cuesta in der andalusischen Hauptstadt zurückblicken. Seit ihrer Gründung als Weinschänke im Jahr 1880 hat die Bar einfache Leute und später auch die Intellektuellen angezogen. Noch heute ist das Publikum alters- und klassenlos. Malocher, Studenten, Geschäftsleute – alle sitzen einträchtig nebeneinander an den Bistro-Tischen oder auf den schwarzen Holzstühlen.
Sevillas Casa Cuesta – ein stimmiger Mix aus Restaurant, Bodega und Cerveseria – befindet sich in Triana, dem Stadtteil der Seeleute, Arbeiter und Handwerker. Einfach und zweckmäßig und doch von einer lässigen Eleganz, die man eher im 6. Arrondissement von Paris vermuten würde. Man fühlt sich augenblicklich wohl in dem Lokal, das vom Modernisme, der spanischen Spielart des Jugendstils, geprägt ist.
Im Inneren der Casa Cuesta erstreckt sich ein schwarzer Holztresen im Art nouveau, an dem Bier getrunken wird oder kleine Gerichte verköstigt werden. Eine Wanduhr, umhüllt von Girlanden aus Blattgold und mit dem Bild einer Jungfrau, wacht über den von Reliefkacheln geschmückten Raum. In einem Kabinett, etwas abseits, findet sich ein Restaurant mit gedeckten Tischen.
Die Casa Cuesta hat die Hälfte ihres Lebens unter einem anderen Namen gelebt: Casa Ruiz. Denn José Ruiz Sánchez, der Gründer, tauft es 1936 auf diesen Namen, wenige Monate vor Ausbruch des Bürgerkriegs. Unter dieser Bezeichnung lernt Ernesto zwei Jahrzehnte später die Bodega kennen. Die Casa Ruiz, in seiner Erzählung spricht er leicht verfälscht von der Casa Luis, ist die einzige Lokalität in ganz Sevilla, für die Hemingway bei seinem Besuch in der Stadt im Jahr 1959 lobende Worte findet.
Auf dem Weg zum Stierkampf, schreibt der US-Amerikaner in Gefährlicher Sommer streng, gingen wir in der ‚Casa Luis‘ essen. Es war ein gutes Essen und ein sehr schlechter Stierkampf. Das Restaurant mit seiner warmen und freundlichen Atmosphäre ist ein perfekter Ausgangspunkt für den Besuch einer Corrida, zumal die Plaza de Toros mit wenigen Schritten am anderen Ufer des Guadalquivir zu erreichen ist.
Noch heute stärken sich die Sevillaner in der Casa Cuesta vor den Corridas mit Tapas, Eintöpfen, Fleisch- und Meeresfrüchten sowie andalusischen Spezialitäten. Auch die Süßspeisen werden gerne geordert. Allesamt Produkte aus der Region, angerichtet nach überlieferten Rezepten. In den hundert Jahren haben sich nur unbedeutende Kleinigkeiten geändert in der Calle Castilla Nummer 1.
An den Wänden hängen historische Plakate von Corridas und die Porträts von bekannten Stierkämpfern. Vorwerfen lassen muss sich die Casa Cuesta, dass sie an zahllose Toreros erinnert, allerdings nicht an den Nobelpreisträger von 1954. Ernest Hemingway macht die Bar unsterblich durch den Fingerzeig in seiner Erzählung, sie selbst jedoch zeigt Ernesto die kalte Schulter. Ein wenig Dankbarkeit könnte man schon erhoffen.
Besonders der andalusische Rotwein hat dem Schriftsteller aus Übersee in der Casa Cuesta gemundet. In Sevilla überfällt ihn zum ersten Mal in seinem Leben während eines Stierkampfes die Müdigkeit. Nicht die Mittelmäßigkeit der sechs Stierkämpfe sei die Ursache für seine Erschöpfung gewesen, so munkelt man, sondern eher die großen Mengen Wein, die Hemingway in der Casa Cuesta in sich hinein geschüttet habe.
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