Hotel Alfonso XIII Sevilla
Außer an den Übernachtungspreisen lässt sich wenig meckern am Alfonso XIII. Ernest Hemingway jedoch ist nicht zufrieden zu stellen in dem Luxushotel von Sevilla. Foto: W. Stock, April 2023.

Andalusien ist sein Land. Die Provinz im Süden fasziniert den Mann aus Oak Park, einem Vorort von Chicago. Málaga, Ronda, Medina-Sidonia, Conil. Mit Sevilla, der Metropole im Landesinneren, fremdelt er hingegen. In Tod am Nachmittag deutet er an, es gäbe nicht genug tapfere Matadores in Südspanien. Wie er zu diesem Urteil kommt, schleierhaft. Befinden sich doch die großen Rinderfarmen in Andalusien und die Torero-Dynastie der Familie Ordóñez aus Ronda gehörte zu seinem Freundeskreis.

In einem Brief an F. Scott Fitzgerald aus dem Jahr 1926 schildert er einen Matador aus Sevilla, der sich wie ein hinterlistiger Metzger aufführe. Doch in Wirklichkeit ist dieser Stierkämpfer – Diego Mazquiarán, alias Fortuna –  ein Baske gewesen. Der bärtige Mann aus Chicago hegt indes seine Vorurteile. Die andalusischen Stiere, nicht so hochgezüchtet wie jene im Norden, seien für den Kampf weniger geeignet.

Eine Abneigung steckt dahinter. Ernest Hemingway kann der Stadt nichts abgewinnen. Die Aufmerksamkeit, die Sevilla dem jungen Journalisten zukommen lässt, mag eine Ursache für seine Antipathie sein. Im Jahr 1923, auf seiner ersten Spanien-Reise, mit seinem Freund und Verleger Robert McAlmon, kommt er auch in Sevilla vorbei. Große Beachtung lässt er der Hauptstadt Andalusiens schon damals nicht teilwerden.

Leider Gottes hat Sevilla den Nobelpreisträger in einer schwachen Stunde erwischt. Er, der doch so ein genialer Beobachter ist, findet keinen Blick für die Schönheiten der Stadt. Die lebensfrohe Metropole, die vor allem von einer christlichen und maurischen Tradition beeinflusst ist, bietet mit ihren engen Gassen und den alten Bauwerken in der Altstadt, zugleich Tausende Winkel und Ecken zum Genuss und zur Entzückung.

Doch die Stadt, in der es schon im Frühling höllisch heiß werden kann, gefällt dem Schriftsteller einfach nicht. In späteren Jahren wird es nicht besser. Er kommt 1954 zurück auf die iberische Halbinsel, nachdem der Bann nach dem Bürgerkrieg gegen ihn aufgehoben ist. Ernest Hemingway, erneut in Spanien, besucht auch Andalusien.

Spanischer Bürgerkrieg

Das Trauma des Bürgerkrieges ist selbst nach fast 90 Jahren noch sichtbar in Sevilla. Foto: W. Stock, April 2023.

Sein Freund José Luis Castillo-Puche schildert eine skurrile Episode von Hemingways Reise. Die Wunden des Bürgerkrieges sind nicht verheilt, die Spanier wissen, dass der Schriftsteller sich sehr für die republikanische Sache eingesetzt hat. “Viva la República”, flüstert auf der Straße in Sevilla ein unbekannter Passant Hemingway zu. Und der Amerikaner antwortet leise mit dem Schlachtruf der Loyalisten: “No pasarán”.

Fünf Jahre später, am 28. Mai 1959, fährt Ernest Hemingway von Málaga nach Sevilla und quartiert sich im Luxushotel Alfonso XIII ein. Er will in der andalusischen Metropole während der Feria einer Corrida von Antonio Ordóñez beiwohnen. Das Alfonso XIII., in Wirklichkeit ein kleiner Palast, ist so gar nicht nach dem Geschmack des berühmten Autors. In Gefährlicher Sommer meckert Hemingway über das komfortlose Gepränge, das er in dem alten Hotel vorfinde.

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In Sevilla lassen sich stille Plätze und Patios finden, wie in der Iglesia del Divino Salvador. Foto: W. Stock, April 2023.

Abermals kühl wird er in Sevilla behandelt. All die Privilegien, die andernorts so selbstverständlich sind, werden dem Nobelpreisträger nicht gewährt. Das Hotel, in dem die Stierkämpfer untergebracht sind, das Hotel Colón, verweigert ihm eine Reservierung und auch die Verantwortlichen der Stierkampf-Arena lassen sich zu keinerlei Sonderbehandlung hinreißen. Kein Besuch der Ställe, kein Treffen mit den Toreros, kein Ehrenplatz im Callejón. Superstar Hemingway ist anderes gewöhnt.

Dabei ist die Plaza de Toros der Schüssel zu seinem Herzen. Jene in Sevilla ist eine der größten für Stierkämpfe in Spanien. Die Plaza de Toros, ein leicht ovales Amphitheater mit Platz für 18.000 Menschen, ist nach der Madrider Stierkampf-Arena die älteste des Landes. Ihr vollständiger Name lautet La Plaza de Toros de la Real Maestranza de Caballería de Sevilla. Die Arena mit der Barockfassade aus dem 18. Jahrhundert befindet sich im Hafenviertel El Arenal, direkt am Río Guadalquivir.

Doch Ernest Hemingway ist sauer. Wenn ich die Wahrheit über Sevilla auspacken würde, tönt der Autor großsprecherisch, dann könnte ich mich niemals mehr in dieser Stadt blicken lassen. Allerdings La Maestranza und die eine oder andere Bodega mag er. Ansonsten wird Hemingway nicht warm mit dieser Metropole. Er drängt die Freunde zum Aufbruch in die Berge, nach Ronda. Ronda, ja Ronda, dies ist seine Stadt.

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