Gerührt drückt Ernest Hemingway seinem Freund Fernando Campoamor bei einem Fest in Cotorro die Medaille des Nobelpreises in die Hand. Die Auszeichnung soll auf Kuba verbleiben.

Der amerikanische Schriftsteller macht keinen Hehl daraus, wie sehr die kubanische Denkweise seinen Nobelroman Der alte Mann und das Meer geprägt hat. Er vergisst auch nicht, diesen Umstand zu erwähnen, als ein Freund, der Journalist Fernando Campoamor, zu Ehren der Verleihung des Nobelpreises eine Feier im Garten der Cervecería Modelo in Cotorro, einem Vorort von Havanna, in Gang bringt.

Zweihundert Gäste erscheinen im August 1956, um das „schwedische Ding“ zu bejubeln, die gesamte Truppe aus El Floridita mit Angel Martínez an der Spitze, der Bildhauer Juan José Sicre kommt, ebenso der Sänger Bola de Nieve, der Boxer Kid Tunero. Sie alle sind gute Freunde des prominenten Schriftstellers, der nun schon seit 17 Jahren auf Kuba lebt. 

Es wird kräftig getrunken und ausgelassen zur Musik von Los Cumbancheros Cubanos und der Gruppe von Luis Carbonell und der  Sängerin Amelita Frades, La Lupe genannt, getanzt. Über dieses Fest schreibt Guillermo Cabrera Infante unter der Überschrift El viejo y la marca einen fabelhaften Artikel in der Zeitschrift Ciclón.

„So um die Mittagszeit fand gestern eine Ehrung für Ernest Hemingway in der Gartenanlage der Cervecería Modelo in Cotorro statt“, informiert Cabrera Infante, „kubanische Kulturinstitutionen haben diese organisiert für den großen US-Schreiber, Autor von Der alte Mann und das Meer, der seit Jahren auf Kuba residiert. Soviel haben die Zeitungen geschrieben. Aber das ist nicht alles.“

Und dann schildert Guillermo Cabrera Infante, wie ein etwas müder Schriftsteller die ganzen Ehrbekundungen über sich ergehen lassen darf. „Kurz nach eins kam Hemingway und wurde sofort von einem Pulk Menschen umgeben, aus dem auffällig die Fotografen ihre Kameras hoben, wie Schwimmer, die ihre trockene Kleidung hochhalten. Und plötzlich bewegte sich das Denkmal.“

Das Denkmal bewegt sich tatsächlich. Ernest Hemingway geht mit seiner Frau Mary von Tisch zu Tisch und begrüßt die Gäste. Und weil der Autor in seinen Werken hier und da die kubanische Biermarke Hatuey erwähnt, zeigt sich die Brauerei überaus großherzig und der Gerstensaft fließt wie im Schlaraffenland, alles im Dienste der noblen Sache. Hatuey ist eine populäre Biermarke auf Kuba, der Name geht zurück auf einen Indio-Häuptling.

Dieser Hatuey vom Stamm der Taíno ist im 16. Jahrhundert einer der Ersten gewesen, der sich gegen die spanischen Conquistadores aufgelehnt hat. Auf dem Scheiterhaufen, so geht die Legende, habe er die von einem katholischen Priester angebotene Taufe abgelehnt, weil er nicht in den Himmel kommen wolle, er habe keine Lust, dort den Spaniern zu begegnen.

Der bärtige Schriftsteller aus Chicago hält eine kleine Rede über seine Wahlheimat Kuba, que tanto amo, wie er sagt, über das Land, das er so sehr liebt. Gerührt drückt Ernest Hemingway seinem Freund Fernando Campoamor in diesen Mittagsstunden dann seine noble Medaille in die Hand. Er soll sie in den Schrein der Virgen del Cobre, einer Wallfahrtskirche im Osten der Insel, legen.

In diesem Augenblick gehen bei Fernando Campoamor die Gefühle durch und er ruft dem Schriftsteller auf Englisch zu: „Hemingway, Cuba loves you like a mother.“ Es ist in der Tat so etwas wie Mutterliebe, Don Ernesto mag die Kubaner aus vollem Herzen und die Kubaner mögen Don Ernesto ebenso. Der US-Schriftsteller fremdelt kein bisschen mit der fremden Kultur.

Im Gegenteil, seine Heimat findet er in der Fremde, er mag die kubanische Lebenslust und diese unbefangene Freude, der man auf der Insel an jeder Ecke begegnet. Diese Ungezwungenheit, die Vergnügtheit und diese Lässigkeit im Alltag, all das findet Ernest Hemingway auf Kuba und sonst nirgends in der Welt. An diesem Ort und in diesem Land ist er glücklich wie ein Kind.

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