Acapulco, 1992 Photo by W. Stock

Die Bucht Puerto Marqués bei Acapulco. Photo by W. Stock, 1992.

Ernest Hemingway in Acapulco. Doch merkwürdigerweise ohne eine literarische oder persönliche Spur zu hinterlassen. Kein Denkmal, das ihn zeigt, kein Hotel, das mit ihm angibt, keine Straße, die sich nach ihm nennt, nichts, nada, gar nichts, noch nicht einmal eine klitzekleine Gedenktafel.

Auch in dieser Hinsicht dürfte Acapulco einmalig sein. Aber vielleicht liegt die Ignoranz auch daran, dass diese Pazifikstadt seine Berühmtheiten und Notabeln in Tausenden zählt. Doch zunächst, was macht diese lebenslustige Stadt am Meer für jemanden wie Ernest Hemingway so anziehend? Warum fühlen sich auch Intellektuelle hier wohl?

Das Wetter, na klar, die Hitze und Glut, und besonders dieser erhaben blaue Himmel. Denn an Mexikos Pazifikküste herrscht ewiger Sommer. Herbst und Winter sind unbekannte Phänomene. Der Frühling findet an einem Märznachmittag statt, und dann ist Hochsommer bis hinein ins nächste Jahr.

Diese wuchtige Schwüle der Tropen drückt auf die ganze Stadt, ihre Bewohner und dann auch auf die Besucher. Dieser Ort besitzt aphrodisierende Wirkung, weshalb auch immer, es ist so, und so lässt sich manch einer zu ziemlichen Verrücktheiten verführen.

Going loco down in Acapulco, so sollten die Four Tops später singen, man wird verrückt in Acapulco, wird in der Hitze des Tages ganz narrisch und in der Schwüle der Nacht erst recht. Man zweifelt an seinen Sinnen oder, vielleicht umgekehrt, man kommt erst hier so richtig zu Sinnen. Your search for paradise will come to an end, when you realize what a fool you’ve been.

Acapulco, das der Kenner kurz Aca nennt, ist der Gegenentwurf zum fruchtlosen Räsonieren, zur erdrückenden Vernunft, zum drögen Eierköpfigen. Es ist jene erfrischende Körperlichkeit, jene so selbstverständliche Natürlichkeit des Lebens, die Acapulco ausstrahlt. Und wenn ich das Leben sage, dann meine ich das Leben, das richtige Leben, nicht nine to six oder das Getriebensein vom Alltag.

Man muss nur den Mut aufbringen, sich in diese Körperlichkeit fallen zu lassen. Und wenn man dies tut oder auch länger in Acapulco lebt, dann muss man verdammt aufpassen, denn schnell wird man übermütig und draufgängerisch in diesen Gefilden.

Vielleicht ist es gerade dieser Kontrapunkt zum Intellekt, der an Acapulco so fasziniert. Aber möglicherweise ist es ja auch so, dass diese heilsame Einfachheit und diese erotisierende Körperlichkeit zu Tage tritt, weil sie im Kern des Menschen innewohnt, ein Kern, der sich freilegt und zu atmen beginnt, wenn man die Schale des Geistigen sprengt.

Hier mag ein Grund dafür liegen, weshalb Aca auch so viele Schreiber und Denker wie ein Magnet anzog. Einer von ihnen war Ernest Hemingway. Spuren sind von ihm nicht mehr zu finden in Acapulco. Aber Zeugen, prominente zudem.

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