Der Weg der großen Namen an der Litz in Schruns. Und Ernest Hemingway startet in der Pole Position.
Foto: W. Stock, Juni 2019

In den Wintermonaten im österreichischen Schruns findet der junge Journalist Ernest Hemingway, zu Ende 1924 noch ohne richtigen Buchverleger, genug Muße, um an seinen Erzählungen und an einigen seiner Kurzgeschichten zu feilen. Schruns war ein guter Platz zum Arbeiten. Ich kann mich nicht erinnern, welche Short Stories ich dort schrieb. Aber es waren mehrere, die alle gut ausfielen.

Der junge Journalist erhält während des Urlaubs im Montafon die ersten Absagen von Verlagen. Ernest ist niedergeschlagen und fällt in eine Depression. Seine Frau Hadley versucht, ihn wieder aufzurichten. Hadley glaubt an mich und das ist mehr als genug, um den Schmerz der Absagen zu überbrücken. Das Schreiben der Stories ist schon schwer genug gewesen, aber noch schwerer war, dass sie abgelehnt wurden. 

Doch Ernest ist kein Mann, der so schnell aufgibt. Sehr geehrter Interessent, bedauerlicherweise müssen wir Ihnen mitteilen, dass Ihre Einsendung nicht unseren verlegerischen Anforderungen entspricht. Der junge Kerl aus Chicago verfügt über ein gesundes Selbstbewusstsein und er weiß, er besitzt Talent und nun ist Beharrlichkeit gefragt. Well fuck ‚em! Ich bedaure, dass Ihr Absagebrief nicht ‚meinen‘ verlegerischen Anforderungen entspricht!

Hadley tröstet ihren Mann und spricht ihm Mut zu. Seine Stories seien einzigartig, eines Tages werde sich schon ein Verleger finden, der die Geschichten druckt, und sie würden ein großartiger Erfolg werden. Und in den Buchhandlungen würde sein Portrait hängen, Ernest mit einem Lächeln und mit einer Pfeife im Mund.

Als die Hemingways im nächsten Winter 1925/1926 wiederum in Schruns urlauben, hat sich Ernests verlegerische Situation aufgehellt. Der bekannte New Yorker Verlag Scribner’s will sein Erstlingswerk veröffentlichen. In Schruns legt der Amerikaner nun letzte Hand an das Manuskript, er hat mit dem Roman über eine Spanien-Reise Ende Juli 1925 in Valencia begonnen und ihn im September in Paris fertiggestellt. Im Winter hat er das Manuskript nach Schruns mitgenommen, um Kürzungen vorzunehmen und ihm den letzten Schliff zu verpassen.

Der Vertrag mit dem Buchverlag ist mittlerweile unter Dach und Fach und im April 1926 endlich lässt er das Manuskript seinem Lektor Max Perkins in New York zukommen. Das Werk erscheint in den USA bei Scribner’s dann im Oktober 1926 unter dem Titel The Sun Also Rises, ein Jahr später wird der Londoner Verlag Jonathan Cape die Erzählung unter dem Titel Fiesta publizieren. 

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Ernest Hemingway bleibt der wohl berühmteste Gast des Montafon. Eine Plakette an der Litz erinnert an die beiden Besuche des Nobelpreisträgers. Foto: W. Stock, Juni 2019

Über die beiden Winter in Schruns wird Ernest Hemingway gesondert in einem anderen Werk ausführlich berichten. Im letzten Kapitel von Paris – Ein Fest fürs Leben hat der Schriftsteller die beglückenden Tage im Montafon liebevoll festgehalten. Paris hat kein Ende, nennt er das Kapitel, und wenn man sich in den Text fallen lässt, dann spürt man das unbefangene Glück, das Ernest Hemingway und Hadley und der kleine John im Montafon erfahren.

Ernest Hemingways Schrunser Notizen aus den beiden Wintern 1924/1925 und 1925/1926 in Vorarlberg werden neben anderen Erinnerungsstücken in zwei kleinen Überseekoffern im Pariser Ritz deponiert. Erst nach dem Zweiten Weltkrieg entdeckt man die Koffer mit den Notizen in den weitläufigen Kellergewölben des Nobelhotels und die wertvolle Ware wird zu Hemingway nach Kuba transportiert.

Ab Herbst 1957 beginnt Ernest dann auf der Finca Vigía an den Pariser Skizzen, wie er das Manuskript zunächst nennt. Der alte Hemingway, immer mehr von Krankheiten und Siechtum gezeichnet, beginnt mit der Niederschrift von Paris – Ein Fest fürs Leben, ein Werk, das im Original als A Moveable Feast lange nicht so poetisch klingt wie die deutsche Fassung.

Nach der Übersiedlung von Kuba in die USA im Jahr 1959 schreibt der Nobelpreisträger in Ketchum weiter daran bis zu seinem Tod. Das Thema beschäftigt ihn vor dem Abgang, das Werk wird allerdings erst posthum im Jahr 1964 veröffentlicht. Paris – Ein Fest fürs Leben ist von einem alternden Mann geschrieben, der die eigene Endlichkeit vor Augen sieht, die Erzählung liest sich wie eine wehmütige Erinnerung an die schönen Tage.

Es ist aber auch, wenn man zwischen den Zeilen liest, eine Art Lebensbeichte des Ernest Hemingway. Eine Liebeserklärung an Paris, an die wilden Jahre, an seine Anfänge als Autor, auch an das Montafon und an Schruns, sicherlich, aber in allererster Linie eine Liebeserklärung an seine damalige Ehefrau Hadley. An jene Ehefrau, für die er wohl das tiefste Gefühl empfunden hat.

Als Kopfzeile des letzten Kapitels setzt Ernest Hemingway Paris hat kein Ende. Wenn man will, kann man Paris auch durch den Begriff Liebe ersetzen. Die Liebe hat kein Ende? Es wäre zu schön. Die Liebe zur wundervollen Hadley jedenfalls hat ein Ende in Schruns, ein schmerzlicher Fehltritt von ihm, der Ernest bis zu seiner letzten Stunde umtreiben sollte.

Paris – Ein Fest fürs Leben spannt einen weiten Bogen von Hemingways heiler Welt in Schruns bis zu seinen letzten Tagen in den Bergen Idahos. Doch – wie so oft in seinem Leben – das Fiasko und der Triumph liegen nahe beieinander. Als Ernest Hemingway Schruns zum zweiten Mal verlässt, da hat er eine große Liebe verloren und einen renommierten Verleger gewonnen. Er bleibt fortan auf der Suche nach neuer Liebe, während die Weltkarriere ihren Lauf nimmt.

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