Auf den Fersen von Ernest Hemingway

Im Montafon begeht Ernest Hemingway den schwersten Fehler seines Lebens

Im idyllischen Schruns, in den österreichischen Alpen, verpasst der Hallodri Ernest Hemingway seiner Ehe mit der patenten Hadley den Todesstoss.
Foto: W. Stock, Juni 2019

Die Jahre von 1922 bis 1925 werden zu einer erlebnisreichen Zeit für Ernest Hemingway. Er lebt in Paris, wo er in den avantgardistischen Künstlerkreisen als schreiberisches Talent auf sich aufmerksam macht. Er ist arm, aber glücklich und voller Träume. Die Liebe zu seiner Ehefrau Hadley erfüllt ihn, ebenso die Geburt des ersten Sohnes John. Und zu den Glücksmomenten gehören auch die beiden langen Winterurlaube im Montafon. Doch er selbst wird es sein, der dieses wunderbare Glück zerstört, bei seinem zweiten Aufenthalt in Schruns, er wird die Torheit bis an sein Lebensende bereuen.

Dem ersten Aufenthalt im Vorarlberg schließt sich im darauf folgenden Winter ein zweiter an. Am 11. Dezember 1925 nehmen die Hemingways vom Gare de l’Est den Nachtzug nach Österreich und fahren wiederum ins Montafon. Die dreiköpfige Familie Hemingway kommt zurück nach Schruns und quartiert sich abermals im Hotel Taube ein. Das Glück scheint aufs Neue perfekt.

Das Tal war weit und offen, sodass man viel Sonne hatte, schreibt Ernest Hemingway in Paris – Ein Fest fürs Leben. Man trifft sich in Schruns wieder als gute Freunde und sieht in vertraute Gesichter. Es werden zunächst unbeschwerte Tage für die kleine Familie, doch über dem Glück des jungen Ehepaares ziehen an Weihnachten 1925 dunkle Wolken auf. Ihr Name lautet Pauline.

Am 24. Dezember kommt die gertenschlanke Pauline Pfeiffer nach Schruns, eine gute Freundin von Hadley, die alle Fife rufen. Die 30-jährige Millionärstochter aus Piggott in Arkansas, auch sie lebt in Paris, ist eine lebenshungrige, lockere Frau, die keinem Abenteuer aus dem Weg geht. Fife wirft die Köder aus und lockt den armen Ernest, er braucht nur zuzubeißen. Dass ihr Opfer der Ehemann ihrer guten Freundin ist, scheint der flotten Pauline egal zu sein. 

Zunächst merkt die brave Hadley nichts. Sowohl im Hotel Taube als auch im Posthotel Rössle in Gaschurn weilen alle drei – nicht im selben Zimmer, so doch unter einem gemeinsamen Dach. Und es gibt den einen oder anderen, der behauptet, der von Gefühlswallungen übermannte Ernest Hemingway habe des abends gar beide Zimmer, das der Ehefrau und auch jenes der Geliebten, aufgesucht. Hadley merkt immer noch nichts.

In den nächsten Tagen gestaltet Ernest Hemingway die Dreiecksbeziehung mehr und mehr unverfroren, er ist von dem sich abzeichnenden Erfolg als Schriftsteller so aufgepumpt, dass er nun auch seine Eskapaden jenseits des Ehegelübdes als normal ansieht. Mit Fife weilt er im Madlenerhaus und vergnügt sich in der Berghütte, während Hadley unten im Tal mit dem zweijährigen Sohn Bumby spazieren geht.

Wie ein wankelmütiger Esel wird Ernest Hemingway zwischen beiden Frauen emotional hin und her gerissen. Er mag es, umgarnt zu werden, doch zugleich fühlt er sich nicht wohl, wie er in Paris hat kein Ende, in den letzten Monaten seines Lebens, eingesteht. Der Ehemann hat zwei anziehende weibliche Wesen um sich, wenn er mit seiner Arbeit fertig ist. Man lügt und hasst es, es zerstört einen, und von Tag zu Tag wird es gefährlicher, aber man lebt von einem Tag zum anderen wie im Krieg.

Wunderbare Tage verbringt Ernest Hemingway mit Frau und Sohn in Schruns und weiter oben in Gaschurn, wo man gut Ski fahren kann. Wenn nur dieses Testosteron nicht wäre. Die Ferien im Montafon werden die letzten schöne Tage des Ehepaares, es wird ihr letzter gemeinsamer Urlaub. Denn Ernest hat keine Skrupel, seine Ehe und seine große Liebe zu Hadley ohne großes Federlesen abzuhaken.

Ernest Hemingway hat zum ersten Mal eine Liebe gegen die nächste eingetauscht, ohne Trauerzeit und ohne Karenz. So einfach, als würde man das Namensschild an der Haustürklingel ersetzen. Diese Flatterhaftigkeit sollte zu einem Muster in seinem Leben werden. Am 1. April 1926 fahren Ernest und Hadley dann mit Bumby zurück nach Paris. Zu diesem Zeitpunkt weiß seine Ehefrau Bescheid, sie hat die Wahrheit von Virginia Pfeiffer, der Schwester von Pauline, erfahren.

Man weiß natürlich nichts Genaues, außer dass Ernest Hemingway seine Ehefrau rotzfrech hintergangen hat und dann noch nicht einmal den Mut gefunden hat, es ihr gegenüber offen einzuräumen. Hadley erfährt es über drei Ecken, es ist für die kreuzbrave Frau entwürdigend und die Tränen fließen wie das Wasser der Litz im Frühjahr. Der Macho-Mann Ernest Hemingway hat seine Ehe mit der liebenswerten Hadley, seiner großen Liebe, wie ein Hornochse voll in den Sand gesetzt.

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Ernest Hemingway fremdelt kein bißchen mit dem Vorarlberg

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Manuel Jesús Orbegozo himmelt Ernest Hemingway an

  1. Katharina Wiedmann

    das Alles wusste ich noch nicht von Hemingway. Es regt dazu an, die Gegend zu besuchen.

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