The Sun Also Rises gilt als bahnbrechendes Werk für die literarische Moderne.

Es ist der vielbeachtete  Erstling von Ernest Hemingway. The Sun Also Rises. Im Oktober 1926 bei Scribner’s in New York erstverlegt. Das Thema des Romans: Lebenshungrige amerikanische Expats im Paris der 1920er Jahre begeben sich 1925 ins baskische Pamplona zu den damals nur lokal bekannten Sanfermines, zu dem Stadtfest im Norden Spaniens.

Die Fiesta de San Fermín – in Erinnerung an Firminus, den katholischen Märtyrer – werden seit 1591 alljährlich für eine Woche im Juli gefeiert. Die zahlreichen volkstraditionellen Riten sehen  als Höhepunkt den Encierro, die tägliche Hetzjagd der Bullen durch die Altstadt von Pamplona. Es wird Ernest Hemingway sein, der durch seinen Roman das Spektakel weltbekannt machen sollte.

Mit The Sun Also Rises setzt die Moderne in der angelsächsischen Literatur eine kräftige Duftnote. Neues Thema, neuer Stil, neuer Autor. Und – über allem – eine zeitgemäße Sichtweise der Dinge. Die verlorene Generation verfügt über einen neuen Wortführer. Dem Buch stellt der Autor Ernest Hemingway merkwürdigerweise ein Bibelzitat voran.

The Sun Also Rises hat Ernest Hemingway sein Werk genannt, auf eine Bibelstelle anspielend. Oritur sol et occidit et ad locum suum revertitur ibique renascens. Im Alten Testament wird Kohelet – in der Lutherbibel unter Der Prediger Salomo – beschieden: Die Sonne geht auf und geht unter und läuft an ihren Ort, dass sie wieder daselbst aufgehe, so Kapitel 1, Vers 5. The Sun Also Rises. Der Atheist hat seinen Buchtitel. Die Sonne geht neuerlich auf.

Neben dem Vers aus dem Prediger Salomo hat Hemingway dem Buch ein Zitat seiner Mentorin Gertrude Stein vorangestellt, das bald zum Modespruch des Zeitgeistes werden sollte: „Ihr alle seid eine verlorene Generation.“ Auch diese Umschreibung zieht sich wie ein Leitfaden durch das ganze Buch. Das Motto von Gertrude Stein skizziert treffend die Leere und die Sinnsuche dieser Generation nach dem Zivilisationsbruch durch den Ersten Weltkrieg.

Die Arbeit an dem Roman beginnt Ernest Hemingway Ende Juli 1925 in Valencia, er schreibt das Manuskript im August in Madrid weiter, später in San Sebastian und im französischen Hendaye. Im September schließt der junge Amerikaner dann den ersten Entwurf in seinem Wohnort Paris ab. Im folgenden Winter legt er im österreichischen Skiort Schruns letzte Hand an, bevor er die Endfassung im April 1926 an seinen Lektor Maxwell Perkins bei Charles Scribner’s Sons in New York schickt.

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Eine italienische Ausgabe von Fiesta bei Mondadori mit einer Illustration von Pablo Picasso.

Literarisch ist Hemingways Roman ein revolutionärer Aufschlag Mitte der 1920er Jahre. Während viele Kollegen noch dem betulichen Charles Dickens-Schnickschnack nachhängen, schildert der ehrgeizige Novize aus Chicago die innere und äußere Zerrissenheit der Menschen und ihrer Zeit nach dem Ersten Weltkrieg. Seine spröde Prosa wirkt lebensnah und trifft den Nerv der ratlosen jungen Männer und Frauen.

Ein Jahr später wird der Roman in Großbritannien verlegt, überraschenderweise unter einem anderen Titel. Denn der feine Verlag Jonathan Cape aus London kann mit dem aus der Bibelzeile entlehnten Titel wenig anfangen. Im Gegenteil, man fürchtet Proteste, wenn das Buch hinter einem Bibelzitat läuft. Wo es doch in Hemingways Erstling kräftig zur Sache geht.

Und so tauft ihn der englische Verlag prompt in Fiesta um. Die meisten anderen Verlage in Europa – Deutschland, Spanien und Italien vorneweg – entscheiden sich ebenfalls für Fiesta anstatt des sperrigen The Sun Also Rises. Fiesta, spanisch für Fest oder Feier. Heute würde man Party sagen. Der neue Titel, auch wenn ihm die philosophische Tiefe des Originals verloren geht, trifft den Inhalt des Buches nahezu perfekt.

Denn in The Sun Also Rises aka Fiesta wird nichts ausgelassen, was zwischen Menschen so Menschliches passieren kann. Liebeleien, Seitensprünge, Promiskuität, Obsessionen, Alkoholexzesse. Mit all diesem zelebrierten Hedonismus bewegt man sich sicherlich nicht gen himmlische Gefilde. Hemingway selbst umschreibt seinen Roman als eine verdammt traurige Geschichte, in der aufgezeigt wird, wie Menschen zugrunde gehen.

Auch hier schon der hemingway’sche Zwiespalt, der für sein Werk so typisch ist. Auf der einen Seite das desillusionierte Lasterkarussell der Expats, das sich um Saufen, Stierkampf, Krieg und Tod dreht. Auf der anderen Seite die Verherrlichung der Natur, die lieblichen Bäche in den Ausläufern der Pyrenäen, wo der Protagonist angelt und Erdverbundenheit sucht.

Im Mittelpunkt steht die Fiesta de San Fermín, an der jeden Juli durch die engen Gassen der Altstadt von Pamplona die wilden Stiere hinter den Menschen herjagen. Als Krönung des Spektakels werden die Bullen anschließend auf der Plaza de Toros von den Toreros blutig abgeschlachtet. Dieses morbide Vergnügen – als Fiesta zelebriert – passt irgendwie zu den Besuchern aus Paris und zu der obskuren Zeit. 

Merkwürdigerweise, wie durch einen Zufall, setzten die unterschiedlichen Buchtitel die beiden Polen des Lebens. Die Fiesta geht zu Ende und das Blut des Schauspiels ist noch nicht trocken, da geht die Sonne wieder auf am nächsten Morgen, so wie sie seit Jahrtausenden aufgegangen ist. Und so mag die Titelabweichung von The Sun Also Rises zu Fiesta die zwei Handlungspole des Buchs beschreiben. Obendrein werden es die Pole im Leben des Ernest Hemingway sein. Möglicherweise hat der Mittzwanziger diese Dramatik schon damals gespürt. 

Ein Buch, zwei Titel. Keine Zweifel, ich mag den amerikanischen lieber. Denn gerade der thematische Kontrast erzeugt zusätzliche Spannung. Aber die Sonne bleibt ewiglich, so hätte ich den Titel übersetzt. Das Salomo-Predigerwort gibt der Erzählung obendrein Tiefsinn, der Titel Fiesta lässt diesen vermissen. Zudem: Ein solcher Einwort-Titel ist nicht Hemingway-like. Ernesto hat eher lange Titel bevorzugt, die im Vorfeld eine kleine Geschichte erzählen.

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