Gregorio Fuentes wird am 11. Juli 1897 in Arrecife auf Lanzarote geboren, auf den Kanarischen Inseln. Er wächst in der kanarischen Gemeinde von Casablanca auf, sein Berufsweg als Seemann ist vorherbestimmt. Es ist der Broterwerb seines Vaters, die Familie ist nicht gerade begütert. In der Mehrzahl mittellose Seeleute, hält man sich mehr schlecht als recht über Wasser. Die Eltern denken ans Auswandern, man hofft auf die Güte des Schicksals.
Die Familie spart für ein Ticket nach Kuba. Die Eintrittskarte in das Glück, so glaubt man ringsherum. Als Gregorio Fuentes 1903, im Alter von fünf Jahren, mit seinem Vater ein Schiff besteigt, auf dem sein Vater arbeitet, kann er nicht ahnen, dass er als Waise von Bord gehen wird. Ein kleiner Bursche von sechs Jahren erreicht Havanna, ohne den Vater. Gregorio ist alleine in einer fremden Welt.
Doch Kuba meint es gut mit dem jungen Einwanderer. Verwandte nehmen sich seiner an, er besucht die Grundschule und ergreift den Beruf eines Fischers. Von Anfang an arbeitet Gregorio hart für sein kleines Glück. Nach einigen Jahren hat er so viel angespart, dass er seine Familie in Spanien besuchen kann. Bei diesem Aufenthalt in der Heimat lernt er seine Cousine Dolores kennen, die er heiratet und die sieben Jahrzehnte die Frau an seiner Seite bleiben wird.
Seinen Glückstag erlebt er im April 1939. Er lernt einen hochgewachsenen Schriftsteller aus Key West näher kennen. Ernest Hemingway ist mit seinem Boot Pilar von Florida aus im Golfstrom fischen, Kapitän ist Carlos Gutiérrez, Gregorio und José sind seine Helfer. Schon 1931 ist der Kubaner dem US-Amerikaner kurz über den Weg gelaufen, bei den Ausfahrten zu den Dry Tortugas, man kennt sich in dem Gewerbe. Ernest ist angetan von dem hageren Skipper, von seinen Kenntnissen des Meeres und wie er das Boot ordentlich und sauber hält.
Später wird dann Gregorio der Kapitän der Pilar. Weit mehr, er wird zu einem Freund Hemingways und zum Weggefährten des Autors. Zugleich ist er der Experte für alles, was mit dem Meer zu tun hat. Papa, rufen die Bewohner von Cojímar den stattlichen Gringo, der nun auf der Finca Vigía, nahe von Havanna, wohnt. Schnell wird Ernesto zu einer Vaterfigur für den Fischer, obwohl der Kubaner zwei Jahre älter ist.
Es wird ein abenteuerliches Leben, der Alltag von Papa und Gregorio. Fischefangen im Golf von Mexiko, die Malin-Jagd am Pazifik von Peru, sich gegen die Wirbelstürme im Herbst behaupten, Ausschau halten nach U-Booten der Nazis in den Gewässern der Karibik während des Zweiten Weltkriegs. Ernest und Gregorio, sie bilden eine Einheit. Der arme Waisenjunge aus Lanzarote und der gefeierte Schriftsteller aus Chicago.
Und der Nobelpreisträger setzt seinem kubanischen Freund literarische Denkmale. Unsterblich wird Gregorio durch die Figur des Antonio in der Erzählung Inseln im Strom. Und in dem fabelhaften Zeitschriften-Artikel The Great Blue River lässt Ernest seinen Gregorio, als ein kapitaler Fisch an der Leine zappelt, in dessen breitem kubanischen Akzent brüllen: Feesh, Papa, feesh.
Es ist wie eine Blutsbrüderschaft, zwei ganz unterschiedliche Lebenswelten finden zueinander. Hier der prominente Autor, auf allen Kontinenten gefeiert, mit Millionen auf dem Konto. Dort der Fischer aus Cojímar, ein einfacher Mann aus dem Volk, der um sein Auskommen kämpfen muss. Doch zwischen beiden so grundverschiedenen Personen entwickelt sich eine Verbindung auf Augenhöhe, auf dem Meer zumindest.
Für den ruhelosen US-Amerikaner sind es glückliche Stunden, auf der Pilar im Golf von Mexiko, zusammen mit Gregorio. Doch der Glücksstern sollte nach zwei Jahrzehnten verglühen. Ernest Hemingway kehrt zurück in seine Heimat, krank und verzweifelt, das Ende vor Augen. Fernab vom Meer erschießt er sich mit einem Doppelläufer an einem Sonntagmorgen, am 2. Juli 1961 in Ketchum, in den Bergen Idahos.
In seinem Testament bestimmt der Nobelpreisträger seinen Freund Gregorio als Erben der Pilar. Kaufwillige aus der halben Welt klopfen an Gregorios Haustür in der Anhöhe von Cojímar. Wer jedoch geglaubt hat, dass dieser einfache Fischer den Schatz seines bärtigen Freundes aus den Händen gibt, der hat sich geschnitten. Die Pilar ist mehr als ein Boot. Loyalität und Freundschaft sind Gregorio mehr wert als viele Zehntausende Dollar.
Nur bei einem kann er nicht nein sagen. Fidel Castro sucht ihn zuhause auf. Der Máximo Lider möchte die Pilar in der Finca Vigía sehen, die zu einem Museum umgebaut wird. Im Gegenzug schenkt ihm die kubanische Regierung die Hill Noe, ein kleines Boot von sieben Metern, mit dem Gregorio weiterhin die Gewässer des Golfs befahren und seinem Beruf als Fischer nachgehen kann.
Die treuen Bewohner von Cojímar vergessen ihren Ernesto nicht. Am Hafen kann man in einem offenen Rundbau die lebensgroße Büste des Autors aus Amerika noch heute bestaunen. Es ist eine in Stein gemeißelte Danksagung an den bärtigen Freund, ohne große Worte und wie selbstverständlich. Gregorio Fuentes stirbt nach einem großen und langen Leben am 13. Januar 2002 in Cojímar. Die Glücksgöttin hat 104 Jahre ihre Hand über den Waisenjungen aus Lanzarote gehalten. Er, im Juli 1897 geboren und im Januar 2002 gestorben, ist einer der wenigen Menschen, die in drei Jahrhunderten gelebt haben.
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