Ernest Hemingway
Martha Gellhorn
Sex
Martha Gellhorn, die dritte Mrs. Hemingway, und ihr Gatte Ernest 1940 im Sun Valley, Idaho. Credit Line: Ernest Hemingway Collection. John F. Kennedy Presidential Library and Museum, Boston.

Zu Weihnachten 1936 donnert eine hinreißende 28-jährige Amerikanerin aus Missouri in das Leben von Ernest Hemingway. Am späten Nachmittag betritt Martha Gellhorn in Begleitung ihrer Mutter und des Bruders das Sloppy Joe’s in Key West. Die junge Frau trägt ein schwarzes Kleid, das ihre langen goldblonden Haare noch goldener strahlen lässt. Die Schönheit, mit der Figur eines Models und mit einem mädchenhaften Gesicht, zieht die Blicke aller Männer in der Kneipe auf sich. 

An der Theke schnellt ein schnauzbärtiger Mittdreißiger, ohne zu überlegen, aus seinem Barhocker und nähert sich dem Tisch der Gellhorns. Ernest Hemingway, stellt er sich vor, Sie müssen den doppelten Daiquirí probieren. Mutter Gellhorn nickt flüchtig. Vier Papa Dobles, ruft der Autor dem schwarzen Barkeeper Al Skinner zu. 

Ein ungewöhnliches Pärchen hat sich da im Sloppy Joe’s gefunden. Hier die bildhübsche, ein wenig blassgesichtige und chic gekleidete Intellektuelle, dort der groß gewachsene sonnengebräunte Hallodri, dem das ungekämmte Haar wild über die Stirn ins Gesicht fällt und der seine Fischershorts mit einem Hanfstrick gebunden hat. Aus dem ungleichen Paar wird ein Liebespaar, im November 1940 heiraten beiden, es ist die dritte Ehe des prominenten Autors. Die Ehe hält nicht lange, die Scheidung erfolgt fünf Jahre später im Dezember 1945. 

Das Eheleben besteht aus vielen Hochs und noch mehr Tiefs. Denn Martha Gellhorn ist nicht bereit, für Ernest  ihre Eigenständigkeit aufzugeben. Sie ist eine famose Kriegsreporterin, sie hat ihren eigenen Kopf. Die erfolgreiche Journalistin ist so ganz anders als die mütterliche Hadley und die fürsorgliche Pauline. Sie mag ihre Freiheit, sie ist ehrgeizig und von einem eisernen Willen geprägt. Sie hat den Anspruch, es in ihrem Beruf zu etwas zu bringen, ohne sich selbst zu verbiegen. Martha ist eine kluge und zupackende Frau.

Auf der anderen Seite ihr Gatte. Bekanntlich ein Schürzenjäger und Womanizer. Denkt man. Wie der Sex mit Ernest gewesen sei, selbst darauf gibt Martha offenherzig Antwort. Such a ghastly lover — wham bam thank you ma’am, or maybe just wham bam. Ihr Urteil ist ein Tiefschlag für den allseits angehimmelten Hemingway. So ein grässlicher Liebhaber – ruck zuck, und vielen Dank, Madam, oder vielleicht nur ruck zuck.

Und Martha liefert die Begründung zu dem Desaster. Keine Erfahrung. Zwei jungfräuliche Ehefrauen vor mir, und ich habe meine Stimme nicht erhoben, ich habe mich nicht beschwert, weil ich glaubte, es sei meine Schuld, dass ich nicht komme. Der große Sex-Erzähler und Schriftsteller muss in der Tat Angst vor Frauen gehabt haben. Bemerkenswert…

In der Öffentlichkeit leuchtet das Renommee des Schriftstellers in hellsten Farben. Ein Mannskerl, der nichts anbrennen lässt. So sein Image. Sein Image. Er baut es auf von sich. Der Mann vom Michigan See hegt und pflegt sein kerniges Ansehen, wo er nur kann. Ernest Hemingway – die Verkörperung von Männlichkeit und Virilität. Doch wie sieht die Wirklichkeit aus? Ist das Feuer tatsächlich so heiß? Martha Gellhorn rückt alles ein wenig zurecht. Ihre Erkenntnis: Mit dem Mann stimmt etwas nicht in Bezug auf Frauen.

Nach der Lektüre von Hemingways Venedig-Roman Über den Fluss und in die Wälder, er beschreibt darin die Romanze eines alten Obersts mit einer blutjungen Adeligen, schreibt Martha an einen Freund: Ich fühle mich ganz krank, ich kann es dir nicht beschreiben. Krank wie Schüttelfrost. Ich habe doch beobachtet, wie er sein Bild anbetet, mit solcher Sorgfalt und solcher Ergebenheit und solcher Genauigkeit im Detail. (…) Ich weine um die acht Jahre, die ich damit verbracht habe, sein Bild mit zu verehren, und ich weine um alles andere, um das ich betrogen wurde, alles Zeitverschwendung gewesen.

Als ihre Liebe erloschen ist, räumt Martha Gellhorn mit dem Nimbus des Sexprotzes kräftig auf. Der erste Sex mit Ernest Hemingway sei schlecht gewesen und er sei in den nächsten Monaten nicht besser geworden. Voller Spott plaudert die attraktive Frau aus dem Intimleben mit dem späteren Nobelpreisträger. Ich habe in den Sex nur eingewilligt, nachdem alle Ausreden nichts gefruchtet haben und in der Hoffnung, dass es schnell vorbei sein würde.

In einem Brief an ihren Adoptivsohn Sandy aus dem Jahr 1969 geht Martha den Problemen ihres Ex-Gatten auf den Grund. Er hasste seine Mutter, und das mit Recht. Es war die reinste Hölle. Eine große, falsche, lügende Frau; alles an ihr war scheinheilig und unecht. Heute weiß ich, dass keine Frau jemals einen Mann heiraten sollte, der seine Mutter hasst (…) Tief in Ernest steckten wegen seiner Mutter, unauslöschliche Kindheitserinnerungen, die Misstrauen und Angst vor Frauen auslösten. Er hat darunter immer gelitten und auch die Frauen leiden lassen.

Die scharfsinnige Martha hat das Kapitel ihrer kurzen Ehe ein für alle Mal zugeschlagen und ihren Frieden geschlossen mit dem Schriftsteller. Solch eine Demut kann Ernest Hemingway nicht aufbringen. Bei ihm bleiben Groll und Zorn und er wird seiner ehemaligen Partnerin gekränkt hinterherrufen, sie sei gefühlskalt und zudem eine lausige Schreiberin, frei von literarischem Talent. Die glatte Unwahrheit spricht aus einem verbitterten Mann. Es ist ein Urteil, das ihn selbst entlarvt: In seiner Gereiztheit bestätigt der Schriftsteller die Richtigkeit von Marthas Beobachtungen.

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