Die Collier’s-Ausgabe von 30. September 1944 veröffentlicht einen Artikel von Ernest Hemingway, wie auch einen von seiner Ehefrau Martha Gellhorn.

Sechs Artikel schreibt Ernest Hemingway für das US-Wochenmagazin Collier’s aus dem Zweiten Weltkrieg. Der damals schon berühmte Autor berichtet aus London, von der Landung in der Normandie, aus Paris, von der Front in der Schnee-Eifel. Die Reportagen werden zwischen Juli und November 1944 in der viel gelesenen Zeitschrift veröffentlicht. Cabled from Paris steht über dem Text, die Artikel werden über Funk dem Magazin durchgegeben.

Collier’s, im Jahr 1888 von Peter Fenelon Collier gegründet, ist eine linksliberale Wochenzeitschrift, mit einem guten investigativen Journalismus und Beiträgen von zahlreichen Edelfedern. Auch die Cartoons und Illustrationen gehören mit zum Besten in der damaligen Zeit. Mitte der 1940er Jahre erreicht das Wochenmagazin in den USA eine Auflage von 2,8 Millionen Exemplaren.

Anfang 1944 bietet sich Ernest dem Magazin als Kriegsreporter in Europa an. Sein Verhalten gründet einen Tiefpunkt in der Ehe mit Martha Gellhorn. Die dritte Mrs. Hemingway, eine renommierte Journalistin, hat schon für Collier’s aus dem Spanischen Bürgerkrieg berichtet. Und sie ist nicht bereit, nach der Eheschließung beruflich kürzer zu treten.

Are you a war correspondent or wife in my bed?, faucht Ernest 1943 seine Ehefrau an, als Martha ihm ihre Pläne offenbart. Sie möchte aus Europa über den Zweiten Weltkrieg berichten. Ob seine Frau eine Kriegskorrespondentin oder die Frau in seinem Bett sei, die Antwort bekommt er von der resoluten Martha postwendend. Denn die ehrgeizige Journalistin wird sich gegen seinen Willen aufmachen von ihrem sonnigen Refugium Finca Vigía auf Kuba nach Europa.

Collier's Magazine

Einträchtig steht das Ehepaar Ernest Hemingway und Martha Gellhorn im Impressum von Collier’s untereinander. Doch in Wirklichkeit scheppert es.

Was dann kommt, gleicht einer Seifenoper. Der erzürnte Ernest lässt sich in seiner Wut zu einem hundsgemeinen Winkelzug hinreißen. Auch er geht für Collier’s nach Europa, er schreibt für dasselbe Magazin und will so seine Ehefrau vor den Augen der Leser in den Schatten stellen. Und so kommt es, dass Ernest aus dem Zweiten Weltkrieg berichtet, um seiner Gattin eins auszuwischen.

Battle for Paris nennt Ernest eine Reportage, sie beginnt auf Seite 11 in der Ausgabe vom 30. September 1944. Man erwartet einiges. „Hier ist die erste Depesche des Collier’s-Korrespondenten, der selbst lange in der Stadt des Lichts lebte“, wird der Bericht angekündigt.

Während dieser Zeit wurde ich von den Kämpfern der Résistance als „Herr Hauptmann“ angesprochen. Das ist im Alter von fünfundvierzig Jahren ein sehr niedriger Rang, und so sprachen sie mich in Gegenwart von Fremden gewöhnlich mit „Herr Oberst“ an. Denn sie waren ein wenig aufgebracht und beunruhigt über meinen sehr niedrigen Rang. Und einer von ihnen, dessen Aufgabe es seit einem Jahr war, sich Minen zu schnappen und deutsche Munitionslastwagen und Stabswagen in die Luft zu jagen, fragte mich vertraulich: „Mein Hauptmann, wie kommt es, dass Sie trotz Ihres Alters, Ihrer zweifellos langen Dienstzeit und Ihrer offensichtlichen Verwundungen (verursacht in London durch den Aufprall mit einem stehenden Lastwagen mit Wassertank) immer noch nur Hauptmann sind?“ „Junger Mann“, antwortete ich ihm, „ich konnte im Rang nicht aufsteigen, weil ich weder lesen noch schreiben kann.“

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Battle for Paris überschreibt Hemingway seine Reportage.

Es könnte lustig sein, wenn alles nicht so ernst wäre. Als Ungedienter, Ernest ist 1918 durch die Musterung gefallen, plagt ihn mal wieder sein Komplex eines nicht vorhandenen Offiziersrangs. Wenn es nur das wäre! Weil Ernests Gedanken vornehmlich um ihn kreisen, beißt sich Battle for Paris an Äußerlichkeiten fest. Diese selbstverliebte Geschwätzigkeit des Autors stösst mehr als einmal sauer auf. Doch Hemingway in seiner Eigensucht sieht nur sich selbst, dieser Krieg, der die Welt aus dem Fundament reißt, erscheint wie ein Ausflug zum Baseball-Match gegen die Mannschaft aus der Nachbarstadt.

Welch ein Unterschied zu seinen Reportagen aus dem Spanischen Bürgerkrieg! Sechs Jahre zuvor hat er leidenschaftliche Berichte aus Spanien geliefert, detailgenau und anschaulich, die Sprache ist engagiert und packend. Im Spanischen Bürgerkrieg erreicht der Journalist Hemingway wohl den Höhepunkt seiner Kreativität. Doch nun – im Zweiten Weltkrieg – plätschern seine Reports an der Oberfläche, dieser begnadete Stilist und Beobachter bleibt störrisch, er geht nicht in die Tiefe.

Ganz anders Martha Gellhorn, die derweil in Europa auf eigenen Spuren wandelt. In der Collier’s-Ausgabe vom 30. September 1944 kommt es unfreiwillig zu einem Showdown. In diesem Heft wird ein langer Artikel von Ernest, als auch eine dreiseitige Reportage von Martha veröffentlicht. Hemingway gegen Hemingway. Er erzählt seine munteren Anekdötchen aus Paris, seine Ehefrau berichtet in Treasure City über den verzweifelten Kampf um Florenz.

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Martha Gellhorn, die dritte Mrs. Hemingway, beschreibt die Kämpfe in Florenz.

Um die Ponte Vecchio zu erreichen, muss man über einen Hügel von Trümmern steigen, ohne die weißen Bänder aus dem Auge zu verlieren, die die nicht geräumten Minen markieren. Und über allem schwebt der nur zu gut bekannte süße, fette Geruch der Toten. Die Deutschen sprengten die zwei Brücken zu beiden Seiten, verschonten die Ponte Vecchio mehr oder weniger, jagten jedoch sämtliche Häuser an den Ufern des Arno in die Luft, um die Zugänge zu blockieren. Auf diese Weise zerstörten die Deutschen auf einen Schlag ein Drittel der mittelalterlichen Architektur von Florenz und zertrümmerten eine der ältesten und größten Schönheiten der Welt für immer. Nachdem man die Ponte Vecchio überquert hat, biegt man rechts ab zu den Uffizien. Die Gemälde wurden entfernt, bevor der Krieg nach Florenz kam. Im Innenhof der Uffizien, wo sich früher Menschen mit Reiseführern tummelten, hasten jetzt Gestalten umher mit leeren Flaschen und Eimern, die Wasser aus riesigen Wannen aus Zelttuch holen. Das gesamte Trinkwasser muss mit Lastwagen zu den Verteilungsstellen in der Stadt gebracht und dann von Hand nach Hause getragen werden.

Im Duell Mr. Hemingway gegen Mrs. Hemingway geht der Sieg mit Längen an Martha Gellhorn. Die Rivalität zwischen beiden Partnern bringt ans Licht, dass Ernest sich als Autor in einer Schaffenskrise befindet. Die 1940er Jahre sind eine Dekade, in der er wenig veröffentlicht, selbst sein Roman Wem die Stunde schlägt, ein Melodram aus dem Spanischen Bürgerkrieg, bleibt 1940 handwerkliche Durchschnittsware. Das nächste Buch kommt erst ein Jahrzehnt später – Across the River and into the Trees im Jahr 1950 – ein solides Werk, allerdings kein Aufbäumen.

Die beiden Kurzgeschichten Schnee auf dem Kilimandscharo aus dem Jahr 1936 und Alter Mann an der Brücke von 1938 markieren den vorläufigen Gipfel seiner Schaffenskraft. Da ist er noch der alte Hemingway, der genaue Beobachter und der treffsichere Schreiber, weit weg von den für ihn so typischen Manierismen. Da ist kein Satz zu viel und kein Wort daneben. Erst im Jahr 1952 sollte ihm die kreative Rückkehr gelingen.

Doch Battle for Paris, die Reportage von der Befreiung der französischen Hauptstadt, fällt ab. Erschreckend ab. Ernest Hemingway hat die Lust und Liebe am Schreiben verloren. Ein Elend. Krise. Krieg. Sogar in der Ehe.

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