Ernest Hemingway mit einer Flasche Pisco, einem Geschenk der peruanischen Zeitungsjournalisten Manuel Jesús Orbegozo (links), Jorge Donayre (rechts) und Mario Saavedra. Foto: Mario Saavedra.

Im April und Mai 1956 weilt Ernest Hemingway mit Miss Mary und ein paar Freunden in Peru, am Pazifik im Norden, fast an der Grenze zu Ecuador. In dem kleinen Fischerdorf Cabo Blanco werden über fünf Wochen die Meeresszenen für den Hollywood-Film Der alte Mann und das Meer gedreht. Der berühmte Schriftsteller, seit zwei Jahren mit den Meriten des Nobelpreises geehrt, logiert im feinen Cabo Blanco Fishing Club.

Auf der Klubterrasse fangen Manuel Jesús Orbegozo und Jorge Donayre Belaúnde, den die Kollegen El Cumpa nennen, Ernest Hemingway ab. Sie haben sich in aller Früh aus Talara in den Fishing Club aufgemacht, wo sie nun zusammen mit Mario Saavedra auf den Nobelpreisträger treffen. Mit einem Geschenk wollen die drei peruanischen Journalisten dem Schriftsteller für seine Offenheit und die Kollegialität danken und ihm Glück für seine Angeltouren wünschen. 

Bei dieser Gelegenheit schenken die Reporter aus Lima dem Amerikaner eine Flasche Pisco Vargas, die El Cumpa in Talara gekauft hat. Oh, Piscou!, freut sich ein vergnügter Ernest Hemingway. Auf das Etikett hat Manuel Jesús Orbegozo einen populären Vers des peruanischen Dichters Domingo Martínez Luján geschrieben:

Mientras lloren las uvas,
yo beberé sus lagrimas.

Solange die Trauben weinen, 
werde ich ihre Tränen trinken. 

In die Ecke des Etiketts hat Jorge Donayre einen Schwertfisch gemalt und als Widmung ein wenig großspurig ergänzt: A Ernest Hemingway, de sus novatos colegas y admiradores peruanos. Für Ernest Hemingway, von seinen Neulings-Kollegen und peruanischen Bewunderern. Und alle drei haben darunter ihre Unterschrift gesetzt.

Der Schriftsteller, etwas überrascht am frühen Morgen, nimmt die Flasche mit dem Traubenschnaps in seine Hand, dreht sie und betrachtet neugierig die Widmung. Und anschließend meint er zu den Journalisten gewandt: Ich werde Eure Tränen trinken und die Flasche aufheben. 

Ausgelassen gibt Ernest Hemingway dem Reporter Mario Saavedra einen freundschaftlichen Boxhieb auf den Brustkorb und lässt sich mit Pisco und den Redakteuren ablichten. Dann steckt er die Schnapsflasche in den Bastkorb mit den Vorräten und macht sich auf in Richtung Hafen zu den Booten.

Nach einer erfolglosen Ausfahrt an diesem Tag und Ärger mit einem Gaffer-Boot hat der Schriftsteller sich im Klubhaus wieder halbwegs beruhigt am Abend und erinnert die Journalisten an ihr Pisco-Geschenk. Männer, meint der US-Amerikaner amüsiert, eure Tränen habe ich schon getrunken, und Ernest Hemingway lacht laut. Die Peruaner staunen nicht schlecht, eine ganze Flasche Pisco in nur wenigen Stunden. Und wer weiß, was sonst noch.

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