„Wer mit den wenigsten und einfachsten Symbolen das meiste und bedeutendste ausspricht, der ist der größte Künstler.“ Heinrich Heine.

So ziemlich genau ein Jahrhundert liegt zwischen diesen beiden Literaten. Die Weisheiten jedoch, die Heinrich Heine (Düsseldorf, 1797 – Paris, 1856) über die Kunst festgehalten hat, sie trifft auf ihn selbst, aber ebenso auf Ernest Hemingway (1899 – 1961) zu. Die Sätze des bärtigen Amerikaners jedenfalls klingen frisch und unverbraucht. Allerdings auch arg karg und knapp. Es ist Gertrude Stein, seine Mentorin, die den Novizen aus Oak Park zu einer minimalistischen Erzählweise drängt.

Die Literaturwissenschaft lobt die Kürze und Klarheit seines Stils, besonders diese unterkühlte Genauigkeit in den Dialogen. Während andere zeitgenössische Autoren immer noch die gespreizte Stilistik der Klassiker pflegen, kommt Ernest Hemingway auf Anhieb zur Sache. Dieser lakonische Stil, die Aneinanderreihung kurzer Aussagesätze und die kraftvolle Sprache werden typisch für viele Schriftsteller der Lost Generation zwischen beiden Weltkriegen.

Wenn ich anfing, kompliziert zu schreiben oder wie einer, der etwas bekanntmachen oder vorführen will, erkannte ich, dass ich die Schnörkel oder Ornamente ausmerzen und wegwerfen und mit dem ersten wahren einfachen Aussagesatz anfangen konnte, den ich geschrieben hatte. Oben in diesem Zimmer fasste ich den Entschluss, über alles, worin ich mich auskannte, eine Geschichte zu schreiben. Darum habe ich mich beim Schreiben immer bemüht, und das war eine gute und harte Schule für mich. (Ernest Hemingway: Paris – Ein Fest fürs Leben).

Unter dem Einfluss von Gertrude Stein, Sherwood Anderson und dem britischen Romancier Ford Madox Ford perfektioniert der junge Amerikaner seinen journalistischen Romanstil. Ab Mitte der 1920er Jahre ist Ernest Hemingway nicht nur ein wirklich guter Erzähler mit eigenem Stil, sondern darüber hinaus auch ein sprachlicher Erneuerer.

Das alles geschieht in Paris, seine sparsame Art zu formulieren, hat der spätere Nobelpreisträger in der Stadt an der Seine erlernt. Für 25 Jahre übrigens das Exil von Heinrich Heine, bis an das Ende. Am 17. Februar 1856 stirbt Heinrich Heine in Paris im Alter von 58 Jahren. Er wird auf dem Cimetière de Montmartre beerdigt.

Es kann kein Zufall sein. Ein wenig ähneln sich manche Daten. Die literaturhistorischen Unterschiede bleiben. Heinrich Heine kommt aus der Romantik, er ist mehr Dichter, bewegt sich in Richtung Aufklärung. Literarisch bereitet er dem Vormärz den Weg. Hemingway hat mit der Politik wenig am Hut und kommt aus der bodenständigen Tradition eines Mark Twains. Es gelingt ihm, die angelsächsische Literatur von den Manierismen der Charles Dickens-Schule zu befreien. 

Was bleibt: Beide sind baumstarke Stilbildner. Sie beeinflussen Generationen. Weltweit hat Heinrich Heine Spuren hinterlassen. Der Spanier Gustavo Adolfo Bécquer verehrt die Gedichte des deutschen Poeten, in Deutschland bewundern die Kollegen Theodor Fontane und Thomas Mann den Lyriker aus Düsseldorf. Bert Brecht und Kurt Tucholsky sind ohne Heinrich Heine nicht denkbar.  

Ernest Hemingway – heute ein moderner Klassiker – ist damals ein stilistischer Revolutionär gewesen. Sein Debütroman The Sun Also Rises – auf Deutsch: Fiesta – fällt im Jahr 1926 in die Welt der Belletristik ein wie einst die Vandalen ins Römische Reich. Heinrich Heine und Ernest Hemingway stehen für neue Epochen. In unterschiedlichen Jahrhunderten. Und für ein besonderes Verständnis von Lesekultur: In der Sprache einfach und volkstümlich. In der Wirkung bahnbrechend und bis heute beständig. 

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