Auf den Fersen von Ernest Hemingway

Schlagwort: Bücher

Ernest Hemingway – der wahre Popstar unter den Autoren

Ernest Hemingway – Painting by Raúl Villarreal (1964-2019), Gainesville, Florida.

Der Mann ist ein Popstar gewesen, lange vor Yellow Press, vor den Influencern und vor Instagram. Dieser Schriftsteller konnte die Klaviatur der Medien perfekt spielen. Die berühmtesten Fotografen seiner Zeit – von Robert Capa über Alfred Eisenstaedt bis zu Yousuf Karsh – haben ihn abgelichtet. Seine weiten Reisen und das heimische Privatleben finden ausführlich auch in den Spalten der Zeitungen und Zeitschriften statt.

Dass der Spanische Bürgerkrieg zum ersten Medienkrieg überhaupt wurde, ist zu einem großen Teil ihm zu verdanken. Großartig seine Depeschen aus dem belagerten Madrid an die Leserschaft in der Heimat. Allein seine Reportage über den pfiffigen Chauffeur Hipolito, der Ernest Hemingway wohlbehalten durch das Madrider Granatengewitter kutschiert, verdient fünf Sterne: Sie können natürlich Ihr Geld auf Franco setzen, wenn Sie wollen, oder auf Mussolini oder Hitler. Ich setze auf Hipolito.

Wie kein anderer Schriftsteller ist er in der Öffentlichkeit präsent gewesen. Fleißig hat er an seinem Image gefeilt. Er hat das Fenster zu seinem Haus geöffnet, ebenso wie das Fenster zu seiner Seele. Als Abenteurer, als Schürzenjäger, als Schnapsbruder – die ganze Welt durfte teilhaben an seinen Tollheiten. Ohne Schleier und ohne Nachbesserung. So wurde sichergestellt, dass aus dem Image von damals ein Denkmal von heute wurde.

Obwohl vom Naturell den Genüssen dieser Welt zugetan, ist Ernest Hemingway Zeit seines Lebens ein fleissiger und ehrgeiziger Schreiber gewesen. Seine Werke gehören mit zum Besten, was im 20. Jahrhundert zu Papier gebracht worden ist. Von Fiesta, seinem Erstling aus dem Jahr 1926, bis zu seiner letzten zu Lebzeiten veröffentlichten Erzählung Der alte Mann und das Meer von 1952 hat dieser amerikanische Autor die Moderne mitbegründet und wie kein anderer geprägt.

Er lebt sieben wunderbare Jahre in Paris, nach einem Intermezzo in Key West, dann die längste Zeit seines Lebens in einem tropischen Refugium im Süden von Havanna. Er ist in Chicago geboren, erfährt aber erst in der Fremde seine Bodenständigkeit. Die kubanischen Fischer und Händler kennen ihn persönlich, es ist ihr Ernesto, der die Türen zu seiner Finca Vigía offen lässt. Der Literaturprofessor in Princeton und die Feuilletonisten in Manhattan allerdings müssen auf ihn verzichten.

In der Altstadt von Havanna, in seinem Wohnort San Francisco de Paula oder in Cojímar am Meer ist der bärtige Autor bekannt wie ein bunter Hund. Leicht kann er Menschen für sich gewinnen, gerade einfache und normale Männer und Frauen. Wenn der hochgewachsene Ernest Hemingway auf der Insel irgendwo auftaucht, wird er rasch von einer Menschentraube umringt. Und man hört die Kubaner laut und heiter Papa, Papa rufen. 

Dieser Ernest Hemingway ist nie ein Parteigänger der gestrengen Kultur-Elite gewesen, eine Universität hat er nie von innen gesehen. Ihm fehle die intellektuelle Tiefenschärfe, so mancher Vorwurf. Er drehe sich nur um sich. Die Probleme der Arbeiterklasse, zum Beispiel, lasse ihn kalt. Doch gerade dieser Anti-Intellektualismus hat ihn in von Alaska bis Feuerland, von Australien bis nach Italien weit über literaturgeneigte Kreise hinaus populär gemacht.

Authentizität heißt das Zauberwort. Er hat keinem etwas vorgemacht. Sein Lebenswandel hat seinem Naturell entsprochen. Sein Leben – alles in echt und alles unverfälscht. Keine Show, keine Inszenierung und keine Überhöhung. Ein Alltag ohne Schminke und Retuschen. Was ist daran verwerflich? Ein kerniger Mann springt mitten ins Leben, ins herrliche Leben. Ein Leben mit allen Fehlern, Irrungen und Wirrungen. Es ist das Holz aus dem Popstars geschnitzt sind.

Auf der einen Seite mit Leistung überzeugen, auf der anderen Seite als Mensch trotz allen Ruhms nahbar bleiben. Und wenn man dann in die Fallen hinein tapst, die so ein kleiner Mensch schnell übersieht, es macht ihn sympathisch. Sicher, zu viele

Loading

Ernest Hemingway lässt niemanden kalt

Wolfgang Stock mit seiner Hemingway-Biografie Cabo Blanco auf Lesereise. Meerbusch, im Mai 2022. Foto: Christian von Zittwitz.

Wolfgang Stock im Gespräch mit Christian von Zittwitz über einen bärtigen Nobelpreisträger von 1954, über seine Hemingway-Biografie Cabo Blanco und über die Vermarktung seines Projektes.

Der ehemalige Cheflektor ECON Wirtschaft befindet sich mit seiner Hemingway-Biografie Cabo Blanco – Mit Ernest Hemingway in Peru auf Lesereise. Nach einer Veranstaltung in der Kaiserswerther Buchhandlung Lesezeit schaute der ehemalige BuchMarkt-Kolumnist in der Redaktion vorbei.

Kann man mit Ernest Hemingway noch jemand hinter dem Ofen hervorlocken?
In Düsseldorf haben wir die Lesezeit voll bekommen.

Was macht den Mann aus, dass man noch heute über ihn redet…
Das Leben des Nobelpreisträgers von 1954 ist so wahnsinnig bunt. Er steht für alles, was so ein Menschenleben ausmacht. Im positiven wie im negativen.

Wo fängt man da an…
Ich habe eine wenig bekannte Episode aus seinem Leben herausgegriffen, eine fünfwöchige Reise nach Peru zu den Dreharbeiten zu Der alte Mann und das Meer. Vor Ort habe ich lange recherchiert und mein Material mit Rück- und Seitenblicken zu einem Psychogramm angereichert. Auf jeder Seite möchte man eigentlich mit der Diskussion beginnen. Dieser seltsame Kerl lässt niemanden kalt.

Sie haben das Buch bei BoD verlegt. Ihre Erfahrungen nach einigen Monaten?
Books on Demand nähert sich immer mehr den Standards der Verlage an. Durch Neuerungen im Druck und die Verzahnung mit Libri merkt der Händler als auch der Kunde fast keinen Unterschied. Druckqualität, Lieferfristen, Remissionsrecht oder Rabatt ­– all das unterscheidet sich wenig von den etablierten Verlagen.

Was war für Sie das stärkste Argument fürs Selfpublishing?
Zeit. Während ich bei den Verlagen an die Programmzyklen gebunden bin, oft mit Wartezeiten von zwei Jahren, kann ich bei BoD von jetzt auf gleich loslegen. Gerade bei Biografien ist Timing wichtig. Jahrestage und Jubiläen gilt es im Auge zu halten.

Und das schwierigste beim Selfpublishing?
Marketing. Das unterscheidet sich nicht von herkömmlichen Verlagen. Das Buch muss zum Leser.

Was funktioniert beim Marketing?
Jeder muss da seine eigene Strategie finden. Ich betreibe das Portal Hemingwayswelt.de mit 3.000 Besuchern jeden Monat. Das ist die Grundlage, die öffentliche Sichtbarkeit, hier trommle ich praktisch jeden Tag. Ansonsten habe ich gute Erfahrungen mit Facebook gemacht.

Was bedeutet das konkret?
Als Autor sollte man versuchen, mit redaktionellen Beiträgen in die geeigneten FB-Gruppen hineinzugehen. Zum Thema Hemingway beispielsweise gibt es ein halbes Dutzend Gruppen und Foren, oft mit Tausenden Mitgliedern. Darüber hinaus gilt es thematisch verwandte FB-Gruppen auszumachen, bei Hemingway beispielsweise amerikanische Literatur, Kuba oder Sportfischen. Das ist eigentlich typisches Mirco-Marketing. Mit bescheidenen Mitteln dorthin gehen, wo die Zielgruppe zu finden ist.

Welche Rolle spielt der Buchhandel?
Ganz besonders freue ich mich über den Zuspruch der Buchhändlerinnen und Buchhändler. Die Empfehlung des Handels ist für mich wie ein Adelsschlag. Lesungen funktionieren beim Thema Hemingway wunderbar. Wobei ich keine Lesung im herkömmlichen Sinn abhalte, sondern einen packenden Vortrag mitbringe, inklusive seltener Fotos. Der Zuspruch ist groß.

Noch immer haftet Print on Demand das Image des ärmeren Bruders an…
Das Image des ärmeren Bruders hat das Selfpublishing mit Professionalisierungs-Schüben zum Glück überwunden. Selbst etablierte Verlage lassen die Backlist über BoD laufen. Und in den aktuellen BoD-Programmen gilt es so manche Perle zu entdecken.

Und wie entdeckt man solche Perlen?
Das Wichtigste ist

Loading

Ernest Hemingway verschlingt alles Gedruckte

In den Buchhandlungen, wie dem La Bohemia Bookstore von Havanna, kennt man Ernest Hemingway als guten Kunden. Credit Line: Ernest Hemingway Papers Collection, Museum Ernest Hemingway, Finca Vigia, San Francisco de Paula, Cuba.

Ernest Hemingway ist nicht nur ein fleißiger Schreiber, sondern auch ein Vielleser. Er kann an keiner Buchhandlung und an keinem Zeitschriftenladen vorbei gehen. Aufmerksam schaut der Amerikaner sich die Auslage an und nicht selten kauft der Autor auf ein Mal zwanzig oder mehr Bücher und Magazine, die er dann auf der Farm gründlich durcharbeitet.

Auf Finca Vigía hat der Schriftsteller zwei Dutzend Zeitschriften aus aller Welt abonniert, von Harper’s Bazaar über Field & Stream bis hin zu Cancha, einem mexikanischen Hahnenkampf-Blättchen. Oft kommt der Postbote von San Francisco de Paula zweimal am Tag auf der Farm vorbei und bringt die Post. Mit einem guten Trinkgeld geht er zurück zu seiner Poststation. 

Juan Pastor, der Chauffeur, fährt jeden Tag nach Havanna, um dort die aktuellen Zeitungen zu kaufen, immer die New York Times, aber auch lokale Blätter wie La Prensa Libre oder den kubanischen El País. Ernest Hemingway kann sich dann auf der Finca Vigía stundenlang aufs Sofa oder in sein Bett legen und ausführlich in der New York Times schmökern.

Wenn Ernest Hemingway nicht schreibt, dann

Loading

Ernest Hemingway erhält den Nobelpreis für Literatur

Per Telegramm erfährt Ernest Hemingway am 28. Oktober 1954 auf seiner kubanischen Farm von der Verleihung des Nobelpreises für Literatur an ihn. Credit Line: Ernest Hemingway Papers Collection, Museum Ernest Hemingway, Finca Vigia, San Francisco de Paula, Cuba

Am späten Vormittag des 28. Oktober 1954 trudelt auf Finca Vigía nahe von Havanna ein Telegramm aus Stockholm ein. Nachdem er die Nachricht gelesen hat, stampft Ernest Hemingway in Marys Schlafzimmer, wo seine Ehefrau noch schläft, der Abend ist lang geworden. Mein Kätzchen, mein Kätzchen, ruft der bärtige Schriftsteller aufgeregt, ich habe das Ding bekommen. Mary reibt sich den Schlaf aus den Augen. Du weißt doch, das schwedische Ding. Mary springt aus ihrem Bett, umarmt ihren Ehemann.

Unter dem Amtszeichen Telégrafo del Estado steht auf dem erdfarbenen Papier des Telegramms mit Datum Octubre 28 de 1954, 11:00 a.m. folgender Wortlaut des Generalsekretärs der schwedischen Wissenschaftsakademie Dr. Anders Österling: At its session today the Swedish Academy decided to award you the 1954 Nobel Prize for literature and I would accordingly request you to notify me if you accept the award. Er möge doch bitte kurz Bescheid geben, ob er die Auszeichnung annehme.

Der Nobelpreis für Literatur. Gibt es auf der Welt eine Trophäe, die dem Leben eines Schriftstellers größeren Glanz verleiht? Er sei ein Wegbereiter, so die Laudatio, er habe eine neue Erzähltechnik entwickelt. Für seine kraftvolle und stilbildende Beherrschung der modernen Erzählkunst, wie zuletzt in ‚Der alte Mann und das Meer‘, schreibt die schwedische Akademie später in der Begründung. 

Schon sein erstes richtiges Buch The Sun Also Rises schlägt im Jahr 1926 ein mit einem Donnerhall. Der frische Stil der Erzählung wird bejubelt, sachlich, lakonisch, durch persönliches Erleben des Autors verbrieft, ein bärenstarker Abenteurer tritt auf, der mit der scheinheiligen Ehrpusseligkeit der ergrauten Vätergeneration bricht. Eigentlich verharrt die angelsächsische Literatur jener Jahre auf Charles Dickens-Niveau, man hegt weiterhin diesen blumigen viktorianischen Schreibstil mit seinen weitschweifigen Verzierungen der Prosa. Sicherlich alles gut gemeint, jedoch erschreckend harmlos und vorgestrig.

Von den Lesern wird Ernest Hemingway mit seinen lebensnahen Themen und dem zeitgemäßen Schreibstil wie eine Lichtgestalt empfangen. Endlich einer, der die ermüdenden Luftblasen des Althergebrachten mit einem Knall zum Platzen bringt. Der Mann aus Chicago wird vor allem deshalb verehrt und geliebt, weil dieser Schriftsteller mit

Loading

Präsentiert von WordPress & Theme erstellt von Anders Norén