Gut 3.000 Kilometer Luftlinie entfernt, in seiner Wahlheimat Kuba, werden die Filmarbeiten am peruanischen Pazifik aufmerksam verfolgt. Der Nobelpreisträger Ernest Hemingway und der kubanische Sportfischer Elián Argüelles halten sich mit einigen Kameraleuten vor der Küste Cabo Blancos in Peru auf, um einen tausend Pfund schweren Marlin vor die Kamera zu bekommen, berichtet der Diario Nacional aus Havanna. Mehrere Kameramänner filmen die Fangversuche der beiden Männer in peruanischen Gewässern. Hemingway und Argüelles haben bereits je zwei Schwertfische gefangen. Die Kamera lief, als Hemingway seinen zweiten Marlin am Haken hatte. Aber der Fisch widersetzte sich stark und verteidigte sein Leben. Wahrscheinlich werden jene Aufnahmen, die man von seinem Überlebenskampf filmte, auch in dem Spielfilm verwendet werden.
Ernest Hemingway wirkt von der Anspannung der letzten Wochen erschöpft, das trockene Klima mit seinen sengenden Sonnenstrahlen bereitet ihm an Armen und Beinen nun Schmerzen, die Pigmentflecken auf seiner Gesichtshaut haben sich entzündet. Zudem piesackt ihn ein unverfrorenes Bataillon aus Schmeißfliegen, Mosquitos und Zancudos, die jeden Abend unerbittlich sein winziges Hotelzimmer in Beschlag nehmen und nervtötend umher surren oder schmerzhaft zustechen. Sein Wohlbefinden wird in Cabo Blanco auf eine harte Probe gestellt.
Doch im Fishing Club und an Bord der Miss Texas lässt der Nobelpreisträger sich nicht groß etwas anmerken und er beklagt sich auch nicht. Bei einer der letzten Ausfahrten nimmt Ernest Hemingway den peruanischen Bootskapitän Jesús Ruiz More kumpelhaft zur Seite. Am liebsten würde ich noch sechs Tage länger bleiben, Jesús, bedeutet der Schriftsteller dem untersetzten Bootsmann aus Cabo Blanco. Vámonos, Don Ernesto, entgegnet Jesús Ruiz, nur zu, da draußen springen so viele Marline im Wasser, die nur auf uns warten.
In den Artikeln, die er nach seiner Abreise aus Nordperu auf der Finca Vigía verfasst, zieht der amerikanische Autor ein inspirierendes Resümee seiner Expedition nach Cabo Blanco. Wir alle hatten gute Tage, weil es dort rau und stürmisch war. Diese anregende Heimeligkeit entspricht nicht ganz der Wahrheit, denn in Wirklichkeit hat ihm das schroffe Klima der Nordküste heftig zugesetzt. In Peru fegt der Wind Tag und Nacht, wird der US-Autor im September 1956 in der Zeitschrift LOOK berichten, der Wüstensand vor der Küste bläst in dein Hotelzimmer und die Türen knallen zu von der Bö.
Ganz verborgen bleibt der Aufenthalt des Nobelpreisträgers in der Einöde des peruanischen Nordens der Öffentlichkeit nicht. Zahlreiche Menschen pilgern nach Cabo Blanco, warten im Klubhaus auf ihn, möchten mit ihm fotografiert werden oder bitten um eine Widmung. Er trägt den Aufmarsch mit Fassung.
Im Cabo Blanco Fishing Club möchte Ernest Hemingway sich ein paar Schnappschüsse der vergangenen Tage anschauen. Modeste von Unruh, die deutsche Fotografin, die auf der Miss Texas imposante Bilder von der Marlin-Jagd geschossen hat, stellt ihm Abzüge zur Verfügung. Sie hat dem Schriftsteller von Lima aus ein Päckchen mit frisch entwickelten Fotos übersandt. Der Schriftsteller kann sich an keine anderen Fotoaufnahmen erinnern, die so nahe und realistisch seine Angelleidenschaft im Bild festgehalten haben. Wie sollte es auch anders sein, denn so gut wie nie erlaubt der Mann aus Chicago einem Fotografen, ihn auf seinen Angeltouren zu begleiten.
Modeste von Unruh hat diese seltene Gunst des Schicksals genutzt. Als Fotografin an Bord der Miss Texas hat sie den bärtigen Amerikaner auf engstem Raum einen ganzen Tag für sich alleine, sie muss ihn mit keinem anderen Journalisten teilen. Einfach Glück oder höhere Fügung, will man meinen, eine solche Gelegenheit kommt nicht oft vor im Leben eines Fotoreporters, vielleicht nur einmal, wenn überhaupt. Die junge Hamburgerin zusammen mit dem bekanntesten Schriftsteller seiner Tage auf einem kleinen Boot im Pazifik. Es hört sich fast an wie im Märchen. (Anfang von Kapitel 21 der Neuerscheinung Cabo Blanco – Mit Ernest Hemingway in Peru. Eine weitere Leseprobe: hier klicken).
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