Die Erinnerung an Ernest Hemingway bleibt wach in Cabo Blanco
Photo by W. Stock

Unten im Dorf scheint die Uhr irgendwie still zu stehen. Cabo Blanco geht unaufgeregt seinem Alltag nach, doch viel zu gehen und zu tun, gibt es am peruanischen Pazifik nicht. Touristen verirren sich nur ab und an, an windigen Tagen kommen die jugendlichen Surfer, doch meist bleiben die Fischer und die kleinen Händler in Cabo Blanco unter sich.

Die jungen Leute aus dem Ort haben sich aufgemacht nach Talara oder Piura oder gar nach Lima, wo es mehr Arbeit und eine bessere Bezahlung für sie gibt. Und so bestimmen die Rentner das Bild der Ortschaft, ältere Herrschaften, die in ihren Schaukelstühlen auf der Veranda ihrer kleinen Häuser den Vormittag vor sich hin wippen und den Nachmittag gleich mit.

Den Stolz der Peruaner auf ihr Dorf, diese natürliche und schlichte Würde, auch dies bemerkt man schnell in Cabo Blanco. Jeder im Ort – vom Halbwüchsigen bis zum Greis – wird dir zweierlei erzählen: Erstens, dass es in Cabo Blanco Tage gab, wo man vor der Küste den größten Fisch auf diesem Planeten fangen konnte. Und zweitens, dass der größte Schriftsteller aller Zeiten fünf Wochen seines Lebens voller Glück in Cabo Blanco verbracht hat.

Ernest Hemingway hat seine Tage am peruanischen Pazifik über die Maßen genossen. Nach seiner Rückkehr nach Kuba widmet er in einem Artikel für die Zeitschrift LOOK vom 4. September 1956 seinem Gastland Peru eine lange Passage, die sich wie eine typische Liebeserklärung à la Hemingway liest. In Peru, wohin wir gegangen waren, um zu versuchen, für den Film einen großen Fisch aufzunehmen, war es ganz anders. Wir haben 32 Tage gefischt, von der ersten Stunde des Morgens bis zur Dämmerung, bis es schwierig wurde, zu filmen. Das Meer schien wie ein riesiger Berg mit Schnee auf dem Gipfel. Wir konnten vom Kamm der Welle hinüber schauen aufs Land, dort wo der sandige Wind die Hügel an der Küste umschlang.

Solch ein wunderbares literarisches Denkmal bekommen nicht viele Plätze auf dieser Welt als Geschenk, schon gar nicht von einem Nobelpreisträger. Seine Lobpreisung wird dem bärtigen Amerikaner von den Bewohnern Cabo Blancos nicht vergessen. Denn wenn man in diesen Tagen durch die winzige Ortschaft schlendert, kaum mehr als 500 Menschen leben heute in dem Dorf, dann merkt man an jeder Ecke und bei jedem Gespräch: Ernest Hemingway lebt! Der Mann ist im Jahr 1961 vielleicht gestorben, aber tot ist er noch lange nicht.

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Man stolpert in dem kleinen Cabo Blanco des öfteren über einen bärtigen Gringo. Auch nach sechzig Jahren noch. Photo by W. Stock

Im Gegenteil, er ist quicklebendig, lebendiger als so mancher Zeitgenosse, weil er unauslöschlich in den Herzen und in den Gedanken der Menschen weiterlebt, die ihn einst kennenlernen durften. Und deren Zuneigung und Erinnerung selbst von der nächsten Generation weitergetragen wird.

Auch über sechs Jahrzehnte nach seinem Besuch finden sich in dem kleinen Cabo Blanco noch unzählige Spuren des Nobelpreisträgers. Die Erinnerung an Ernest Hemingway bleibt. Man meint, der Schriftsteller sei nicht gegangen, er hat es auf der Party am letzten Abend im Cabo Blanco Fishing Club ja auch angekündigt. Mitten auf der Strandpromenade stolpert man über eine Büste von Ernesto, künstlerisch nichts weltbewegendes, ein mickriger Kopf aus grauem Stein.

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Er ist da geblieben. Nicht nur als Statue an der Strandpromenade von Cabo Blanco. Photo by W. Stock

Und zu allem Ärger steht keine fünf Meter davon entfernt, das Konterfei von Alfred Glassell jun., dem Rivalen von einst. Ernest Hemingway und Alfred Glassell, beide schon lange in den ewigen Jagdgründen, vereint im kräftigen Wind vor dem wilden Pazifik in Cabo Blanco.

Wenn dies keine amüsante Fußnote dieser Geschichte ist. So erlebt man sie, die Peruaner, Arglist scheint ihnen fremd, manchmal kommen sie einem ein bisschen geschichtsverloren und oberflächlich vor, aber es sind prächtige Menschen, gesellig und offen, kreuzehrlich und vertrauensselig. Kein Wunder, dass Ernest Hemingway sich hier wohlgefühlt hat.

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