Gleich explodiert jemand: Miss Mary beißt sich auf die Zunge und Ernest schaut arg muffelig. Die Hemingways auf Rückreise aus Peru, Miami International Airport, am 22. Mai 1956

Die entspannte Heiterkeit und Eleganz scheinen ganz aus dem Gesicht der aparten Frau entschwunden. Mary Welsh, sie hat den strapaziösen Flug von Talara nach Miami in den Knochen, wirkt angesäuert und genervt. Ernest Hemingways Ehefrau beißt sich auf die Lippen und straft ihr Gegenüber mit einem eisigen Blick. 

Vielleicht stellt der Zollbeamte irgendwelche dämliche Fragen, oder – noch schlimmer – womöglich weiß der gute Mann gar nicht, welch eine Berühmtheit da vor ihm steht. Der Nobelpreisträger blickt über seinem grauen Bart erschöpft in die Welt, seine Augen schauen ganz matt und glanzlos ins Leere, die Mundwinkel fallen nach unten.

Die Stimmung des Ehepaares ist ziemlich mies, die wunderbaren Wochen in Cabo Blanco am Pazifik sind vorüber. Das Kapitel Cabo Blanco ist für die Hemingways beendet, jetzt fliegt der gefeierte Autor zurück in den Alltag. Ernest Hemingway hat die Tage im April und Mai 1956 genossen auf dem großen Meer, fernab vom Trubel und Gewusel, der Rückzug in die Abgeschiedenheit hat ihm gutgetan.

Die kommode Kargheit des Cabo Blanco Fishing Clubs haben so ganz seinem lässig-luxuriösen Lebensstil entsprochen und die Angeltage auf dem Ozean, den schwarzen Marlin im Visier, haben ihn noch einmal zur Höchstleistung angetrieben. Jedoch, mit dem Ende seines peruanischen Abenteuers haben sich nun Abgeschlagenheit und innere Leere in ihm breitgemacht. Ernest Hemingway, zurück aus Peru, bringt Erzählungen mit über Riesen-Marline, mit einem Gewicht von über tausend Pfund.

Kaum in den USA fällt Ernest Hemingway zurück in sein altes Muster. Er gibt weiterhin seine Aufschneidereien und Flunkereien in schönsten Farben zum Besten. Selbst wenn er genau weiß, dass die Wirklichkeit ein wenig anders aussieht. Achtzehn Marline hat Ernest Hemingway in Cabo Blanco vor sein Auge bekommen, einige hat er am Angelhaken gehabt, andere hat der Schriftsteller springen gesehen. Mehr als ein Marlin von 750 Pfund ist in Cabo Blanco für ihn nicht drin gewesen. 

Doch ihm genügen die 750 Pfund nicht. Dieses Maulheldentum zeigt, wie hoch er die Latte für sich selbst legt. Im Schreiben wie im Leben. Das andauernde Geflunker dient dazu, sich immerfort als strahlenden Sieger zu produzieren, solange es nur eben geht. Im Grunde macht er sich selbst etwas vor, im Grunde lügt er sich selbst an.

Die Schwindeleien, reine Fassade, wollen eine Verunsicherung verdecken. Denn die Wirklichkeit tief in ihm drin, die sieht alles andere als heldenhaft und siegesgewiss aus. Da finden sich Zweifel, Unsicherheit und Zwiespalt. Wenn du am Meer bist, kannst du nicht lügen, hat er einmal gesagt. Wie wahr, am Meer kann nicht mehr gelogen werden.

Denn du befindest dich am Ursprung und am Ausklang des Lebens, an der allmächtigen Kraft jener beiden Pole, die das Dasein des Menschen bestimmen. Vor dem Meer, das dich ausgespuckt hat und irgendwann wieder verschlucken wird, steht der armselige Mensch alleine da, nackt, ohne Schminke, ohne Brille und Krawatte, und dann hat die Aufschneiderei, so oder so, ein Ende.

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