Er hat zwei Flugzeugunglücke und mehrere Autounfälle überlebt. Eine Mörsergranate, die im Ersten Weltkrieg einen Meter neben ihm explodiert ist, hat ihm wenig anhaben können. Er hat die Amöbenruhr, einen Milzriss und zig Gehirnerschütterungen überstanden. Und auch die Depression, der Alkohol und Diabetes haben ihn nicht kleingekriegt. Doch sein Ende musste er selbst in die Hand nehmen.
Über die Ursache seines Suizids gibt es viele Fehleinschätzungen. Er habe sich umgebracht, weil er als Schriftsteller gescheitert sei, erzählt der Kollege Jorge Luis Borges aus Buenos Aires einen ziemlichen Blödsinn. Er habe nicht mehr schreiben können, mutmaßen andere, dies kommt der Sache näher. Er sei in Wirklichkeit tieftraurig gewesen, weil er sein geliebtes Kuba habe verlassen müssen. Diese Aussage ist nicht falsch, jedoch trifft sie die Ursache nicht im Kern.
Die Wahrheit ist, auch bei einem Jahrhundert-Mann wie ihm, viel profaner. Ernest Hemingway ist körperlich am Ende gewesen, ein Wrack. Der Gemütszustand des Schriftstellers hat sich Ende 1960 rapide verschlechtert, am 30. November wird er nach Rochester in Minnesota geflogen, in das St. Mary’s Hospital. In dem Krankenhaus erhält er wochenlang Elektroschock-Therapien, insgesamt elf an der Zahl. Die Elektroschocks quetschen den letzten Schimmer Lebensmut aus seinem Körper.
Erst am 22. Januar 1961, nach 53 Tagen in Behandlung, wird er aus der Klinik entlassen. Da wiegt er nur noch 83 Kilo, bei einer Größe von 1,83 Meter, sein Gewicht zuvor hat bei 110 Kilo gelegen. Wieder zu Hause in Ketchum taumelt er wie ein Halbtoter durch den Tag, nur noch selten verlässt er das Haus und geht hinunter ins Dorf. Stundenlang sitzt der Schriftsteller auf der langen Couch im Wohnzimmer und starrt, ohne ein Wort zu sagen, vor sich hin.
Am 25. April 1961 wird der geschwächte Nobelpreisträger abermals nach Rochester geflogen. Im St. Mary’s Hospital kommt er diesmal in die geschlossene Psychiatrie. In den ersten fünf Tagen erhält der Schriftsteller vier Elektroschock-Behandlungen. Die Tortur in der Mayo-Klinik verschlimmert seinen Zustand.
Ernest Hemingway will nur