Gleich explodiert jemand: Miss Mary beißt sich auf die Zunge und Ernest schaut arg muffelig. Die Hemingways sind auf Rückreise aus Peru. ‚Miami International Airport‘, am 22. Mai 1956.

Heiterkeit und Eleganz sind ganz aus dem Gesicht der aparten Frau entschwunden. Mary Welsh, sie hat den strapaziösen Flug von Talara nach Miami in den Knochen, wirkt angesäuert. Ernests Ehefrau beißt sich auf die Lippen und straft ihr Gegenüber mit einem eisigen Blick. In der Hand, nebst Zigarette, hält Mrs. Hemingways die Flugtickets. Im Vordergrund erkennt man schemenhaft eine Person, möglicherweise am Check-in oder am Zoll. Vielleicht stellt dieser Mensch irgendeine dämliche Frage, oder – noch schlimmer – womöglich weiß der gute Mann gar nicht, welch eine Berühmtheit da vor ihm steht.

Der Nobelpreisträger wirkt erschöpft und apathisch, über seinem grauen Bart schauen die Augen matt und glanzlos ins Leere, die Mundwinkel fallen nach unten. Das Ehepaar kommt zurück aus Peru und die beiden Hemingways schlagen sich auf dem Miami International Airport mit irgendwelchen blöden Einreiseformalitäten herum. Der Schriftsteller trägt ein dunkles sommerliches Sakko, darunter ein graues T-Shirt, auf seine blaue Krawatte hat er diesmal verzichtet. Auf seinem Kopf sitzt die weiße Jockey-Kappe, mit seiner großen rundlichen Intellektuellen-Brille und der Barttracht müsste man den prominenten Autor eigentlich auf Anhieb erkennen.

Die Stimmung des Ehepaares ist mies, die wunderbaren Wochen am peruanischen Pazifik sind vorüber. Miami (FLA) May 22. Novelist Ernest Hemingway, accompanied by his wife, Mary, pauses for customs inspection in Miami Airport after arrival from Peru, where he spent a month in pursuit of giant black Marlin. Hemingway continued on to Cuba to supervise shooting of a movie based on his book ‚The Old Man and the Sea‘.

Diese Nachricht wird die US-amerikanische Agentur Associated Press samt einem Wirephoto um die Welt schicken, unter der Überschrift OLD MAN BACK FROM THE SEA. Ernest und Mary, bei der Zollkontrolle in Miami, sind aus Peru auf der Heimfahrt nach Kuba. DER ALTE MANN IST ZURÜCK VOM MEER. Das Kapitel Cabo Blanco ist für die Hemingways beendet. Der Nobelpreisträger wollte lernen von diesem fremden Ozean, er wollte in sich hineinsehen, er wollte sich verjüngen am Meer, doch jetzt fliegt er zurück in den Alltag.

Zwischen ignoranten Zollbeamten und aufdringlichen Journalisten im Airport von Miami fühlt der Schriftsteller Ernüchterung und Missmut in sich hochsteigen. Ernest Hemingway hat die Tage genossen auf dem Pazifik, der Rückzug in die Abgeschiedenheit seiner Welt hat ihm gutgetan. Mit dem Ende seines peruanischen Abenteuers haben sich nun Abgeschlagenheit und innere Leere in ihm breitgemacht, bei der Einreise in die USA wird er zurückgeworfen in eine Tretmühle von Trott und Trübsinn.

Dem Reporter der Nachrichtenagentur drückt der Nobelpreisträger im Flughafen ein Foto von sich mit dem baumelnden Riesenmarlin in die Hand und flunkert allerlei Seemannsgarn dazu. Prompt veröffentlicht die AP-News am nächsten Tag ein Wirephoto inklusive des Hemingway‘schen Anglerlateins: Miami, FLA May 23 — HEMINGWAY WITH „MEDIUM-SIZED“ FISH. Ernest Hemingway, returning from a month’s fishing in Peru brought along this picture as proof of his piscatorial prowess. „This is one of the medium-sized ones I caught,“ he said, while waiting here to change planes for his home in Cuba. It was a 14-foot black marlin and weighed over a thousand pounds.

Ernest Hemingway, zurück aus Peru, bringt das Foto eines 14-Food-Schwarzmarlins mit, das Gewicht betrage über tausend Pfund. Als Beleg seiner piscatorial prowess. Als des Anglers Heldenmut. Piscatorial Prowess. Ziemlich schräg. Die gespreizte Wortwahl und das Setzen der Anführungszeichen deuten darauf hin, dass der Zeitungsleser am Frühstückstisch nicht alles für bare Münze nehmen sollte.

Kaum in den USA zurück, da fällt Ernest Hemingway in sein altes Muster, er spielt wieder dieses Theater vor Publikum. Ein Mann wie er lernt nichts dazu, mit 55 ist die Gefahr groß, zum Schwindler zu werden. Er, der doch so feine Antennen besitzt, merkt nicht, wie die überzogene Heldenverehrung in den Medien zum Schwank abdriftet. Der alternde Ernest jedoch kann nicht aus seiner Haut. Er gibt weiterhin seine Aufschneidereien und Flunkereien in schönsten Farben zum Besten. (Anfang von Kapitel 26 der Neuerscheinung Cabo Blanco – Mit Ernest Hemingway in Peru. Eine weitere Leseprobe: hier klicken).

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