Draußen weht der Pazifik einen heißen Wind gegen die Ruine. Auf der Terrasse sind alle Geländer abmontiert und die Pflasterung aufgebrochen. Inmitten der Veranda befindet sich ein ovaler Swimmingpool, ungefähr auf der Höhe der Zimmer mit der Nummer 4 und 5, genau vor jenen Räumen, in denen die Hemingways einst gewohnt haben.
Das Zimmer mit der Nummer 5, dort wo im Jahr 1956 Ernest Hemingway 36 Nächte geschlafen hat, liegt an der Frontseite am Ende eines schmalen Ganges. Ich finde Hemingways Zimmer komplett leergeräumt vor, selbst der Knauf der Eingangstüre wurde gestohlen. Der Bodenbelag ist entfernt worden, die ganze Kammer riecht stechend nach Morast.
Der rechteckige Raum, sicher nicht größer als 12 Quadratmeter, kommt einem selbst unmöbliert winzig vor. Das kleine Zimmer wäre mit einem Bett, einem bescheidenen Schrank, einem Tisch mit Stuhl und einer Kommode im Nu vollgestellt. Selbst in unbeschädigtem Zustand ist dieses Zimmer kein Ausweis von Luxus gewesen, es ist der Pazifik, der diesem Anwesen seine Eigenart verleiht.
Aus den Tagen des Ernest Hemingway in Cabo Blanco ist lediglich die weiße Jugendstil-Lampe in der gusseisernen dunklen Fassung an der rechten Wand übrig geblieben und auch von der Decke hängt noch eine hübsche, in schwarzes Eisen gefasste Leuchte. Ansonsten ist das Zimmer vollkommen geleert, in dieser verwahrlosten Räumlichkeit hat seit Jahrzehnten keiner mehr gewohnt.
In dem klitzekleinen Baderaum hinter dem Zimmer kann man sich den Hünen Ernest Hemingway nur schwer vorstellen. Duscharmatur und Toilettenschüssel wurden herausgerissen, der zwergenhafte Raum ist wie eine Besenkammer vollgestellt mit Plunder, leeren Konservengläsern und zwei alten Fahrradreifen. Bei Miss Mary in Zimmer Nummer 4 sieht es auch nicht besser aus.
Seinen Höhepunkt hat Cabo Blanco in den 1950er Jahren erlebt. Nirgends auf dem großen weiten Planeten gab es in jener Zeit einen Ort, der beim Fischen der Großfische mithalten konnte. „Dieser Ort war einer der großartigsten Plätze des Jahrhunderts“, meint Alfred C. Glassell, als man ihn 90-jährig vor einigen Jahren interviewte. „Es gab vorher nicht Vergleichbares, und es wird auch nie mehr etwas Vergleichbares geben.“ Und das Urteil des Mannes, der mit eigener Hand den größten Fisch aller Zeiten aus dem Meer gezogen hat, ist eindeutig: „Of all the places I fished in the world, it was the best.“ Cabo Blanco war der beste Platz auf der Welt zum Fischen.
Der einst prestigeträchtige Black Marlin Boulevard im Norden Perus ist Geschichte. Eine großartige Episode im Leben einiger großartiger Menschen ging mit ihm zu Ende. So wie der alte Mann Santiago den Fisch fängt, ihn dann doch wieder verliert, so ist auch dieses kleine Fischerdorf Cabo Blanco nach großen Tagen zu kleiner Größe zurückgekehrt.
Es bleibt vor allem dem Rabauken Ernest Hemingway zu verdanken, dass die Fama dieses Ortes wach bleibt. Auch wenn es schmerzt, solch prächtige Orte beim Verfall zusehen zu müssen, so bleibt doch die Erinnerung. Aller Vergänglichkeit zum Trotz, diese Erinnerung kann einem keiner nehmen.
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