Die Geliebte, die Ernest Hemingway Angst macht. Jane Mason mit dem kubanischen Skipper Carlos Gutiérrez an Bord der Anita, im Jahr 1933

Jane Mason lebt auf der Überholspur des Lebens. Partys, Liebschaften, der Champagner. Doch irgendetwas stimmt nicht mit der Geliebten von Ernest Hemingway. Vielleicht ist sie krank, sie selbst will es jedenfalls nicht wahrhaben und auch ihre Umgebung lässt sie es nicht merken. Selbst Ernest Hemingway braucht seine Zeit, bis er erkennt, was los ist. Auch Grant Mason bleiben die Gemütsschwankungen seiner Ehefrau nicht verborgen, er macht sich Sorgen. Jane ist oft angestrengt und angespannt, sie wirkt getrieben von ihren Stimmungen, oft scheint sie wie abwesend.

Jane Masons Dasein spielt sich ab – von ganz jungen Jahren an – wie in einem Prinzessinnenpalast, sie wird verwöhnt und auf einem daunenweichen Thron getragen. Trotz allen Glamours schwant ihr nun in Havanna, dass sie mit zu viel Karacho unterwegs ist auf der Straße des Lebens. Doch die junge Frau glaubt, die Schwermut würde verschwinden, wenn sie nur noch mehr Gas gibt. Ein Arzt diagnostiziert ernste Anzeichen einer manischen Depression.

Auf Kuba schaukelt die Beziehung von Ernest Hemingway und Jane Mason Anfang der 1930er Jahre im Modus von on und off hin und her. Wilde Leidenschaft wechselt ab mit Phasen von entsetzlicher Gleichgültigkeit. Man verkracht sich, trennt sich, dann fällt man sich wieder in die Arme und übereinander her. Das Paar lebt die Extreme aus, ein solides Fundament kann nicht gefunden werden, vielleicht wird es auch gar nicht gesucht. Der Nervenkitzel des Verbotenen dient als zusätzliches Aphrodisiakum, denn nach wie vor sieht die Geliebte Jane auch Ernests Ehefrau Pauline, in Havanna oder auf dem Boot.

Jane Mason entpuppt sich als Femme fatale wie sie im Buche steht. Denn auch ihren Geliebten Ernest hintergeht sie. Während einer Safari in Ostafrika im Jahr 1935 fängt sie ein Liebesverhältnis mit Richard Cooper an, mit einem schneidigen britischen Offizier, der eine riesige Kaffeeplantage in Tansania besitzt, auf der im Jahr zuvor auch Ernest Hemingway gewesen ist. Als Cooper im folgenden Jahr nach Amerika kommt, machen er und Jane dort weiter, wo sie in Afrika aufgehört haben. Jane hält den Seiten-Seitensprung vor Hemingway erst gar nicht diskret.

Die Affäre von Jane mit Richard Cooper bringt emotional das Fass zum Überlaufen. Ernest Hemingway fühlt sich nicht wohl, die Frau ist ihm unheimlich, tief im Inneren macht seine Geliebte ihm Angst. Dieses Gewirr aus Ehen, Affären und Nebenaffären – langsam wird es selbst Ernest Hemingway zu bunt. Im Jahr 1936 geht die Beziehung, nach vier Jahren, endgültig zu Bruch.

So ganz verschwindet Jane nicht aus dem Blickfeld von Ernest Hemingway. Jane lässt sich im Jahr 1939 von Grant Mason scheiden, schließt zwei weitere Ehen, beide von kurzer Dauer, und heiratet im November 1955 nach ihrer dritten Scheidung Arnold Gingrich, den Gründungsherausgeber des Monatsmagazins Esquire. Auch er ein alter Bekannter von Ernest Hemingway. Arnold Gingrich und Jane Kendall lassen sich in Ridgewood, in New Jersey, nieder.

Nun fordert ihr maßloser Lebensstil seinen Tribut, der Gesundheitszustand der attraktiven Frau lässt rapide nach. Im Jahr 1964, im Alter von nur 55 Jahren, erleidet Jane Gingrich einen starken Schlaganfall, der zu teilweisem Sprachverlust führt, sie bleibt in beiden Beinen gelähmt. Jane kann nicht mehr selbstständig gehen und Krankenschwestern müssen sich rund um die Uhr um sie kümmern. Ihre umwerfende Schönheit, auf die sie sich immer hat verlassen können, ist mit einem Mal zerplatzt.

Jane Kendall Gingrich stirbt nach einem langen Leidensweg am 28. Dezember 1981, im Alter von 72 Jahren, in Ridgewood. Ihre Grabinschrift kann sie noch selber aussuchen. Die Granittafel des Gemeinschaftsgrabes ähnelt einem aufgeschlagenen Buch, das Epitaph zu Jane besetzt die linke Seite, ihr Ehemann Arnold Gingrich, der fünf Jahre zuvor verstorben ist, die rechte Seite. Auf der Grabplatte von der Geliebten des Ernest Hemingway steht der Spottvers: Talents too many, not enough of any. So viele Talente, aber in keinem gut genug.

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