Auf den Fersen von Ernest Hemingway

Kategorie: Bücher Seite 2 von 4

Leserstimmen und Pressebesprechungen zu ‚Cabo Blanco – Mit Ernest Hemingway in Peru‘

Wolfgang Stock: Cabo Blanco – Mit Ernest Hemingway in Peru. BoD über amazon.de

Immer Vollgas
Dieses Buch ist ein Schatz! War schon auf Cuba und habe dort eine Tour zu seinem Namen gemacht, echt beeindruckend. In Florida waren wir schon öfter, auch bei seinem Haus und seinen Stammkneipen. Der Autor hat hier sehr viel Arbeit und Recherche leisten müssen, um uns Lesern das Leben von Ernest Hemingway noch mal so nahe bringen zu könne.
Jetzt sehe ich ihn mit ein bisschen anderen Augen. Er war für mich persönlich ein ewig getriebener und so musste er auch einiges gehörig übertreiben, sonst wäre er sich selber nicht gerecht geworden. Er lebte in meinen Augen ein Leben von drei Leuten und fasste dafür alles auf seine Lebenszeit ein. Die Fotos zeigen auch ein paar Einblicke, die wahrscheinlich noch nicht so viele Leute gesehen haben. Ein tolles Werk, Herr Stock, Respekt.
MK262 auf Loveliy Books

Ernest Hemingway, der bereits zu Lebzeiten für reichlich Kontroversen gesorgt hat, beschäftigt auch heute noch die Gemüter. Selbst wenn heute vollkommen andere gesellschaftliche Maßstäbe gelten als zu seinen Zeiten, kann nichts darüber hinwegtäuschen, dass er eine äußerst zwiespältige Persönlichkeit gewesen sein muss. Wolfgang Stock, der es sich zur Aufgabe gemacht hat, dem Menschen Hemingway nachzuspüren, gelingt es, basierend auf zahlreichen äußerst detailreichen Recherchen, das Bild eines innerlich zerrissenen, aber trotzdem immer geradlinigen Mannes nachzuzeichnen, der über ein Charisma verfügt hat wie kaum ein anderer.
Fazit: Eine interessante Begegnung mit Ernest Hemingway, die diesem außergewöhnlichen Menschen und Schriftsteller ein literarisches Denkmal setzt.
Das Echo vom Alpenrand, 27. September 2021

Wunderbare Biografie
Der fast 60-jährige Ernest Hemingway reist 1956 für einige Wochen mit seiner Frau Mary zu den Dreharbeiten des Films „Der alte Mann und das Meer“ nach Cabo Blanco in Peru. Dort, im legendären Cabo Blanco Fishing Club, tummelt sich die Prominenz. Hemingway genießt die Zeit im Fishing Club und die Jagd nach dem riesigen Schwarzmarlin. 

Muss man zu dieser Reise eine ganze Biographie von 340 Seiten geschrieben werden? Ja! Der Autor, Wolfgang Stock, beschreibt die Ereignisse, den Ort und die Personen so lebhaft, dass ich das Buch regelrecht verschlungen habe. Der Schreibstil ist lebendig und die Sprache ist in der Gegenwart. So hat man das Gefühl direkt vor Ort mit Hemingway zu sein und die Zeit im Fishing Club hautnah miterleben zu können. Ich konnte das Meer riechen, die Hitze spüren, auf dem Fischerboot mitfahren und sogar (obwohl ich nicht fische und das auch nicht gut finde) nachempfinden, warum Hemingway das Fischen so geliebt hat.

Ich habe viel über Hemingway gelesen und auch sein Anwesen auf Kuba besucht. Seine Zeit in Cabo Blanco war mir aber völlig unbekannt. Der Autor hat sehr intensiv recherchiert und sich auf den komplexen Charakter Hemingways eingelassen. Historische Hintergründe, wie der Cabo Blanco Fishing Club, werden ebenfalls sehr lebendig geschildert. Ich habe so viel gelernt und mich dabei sehr unterhalten gefühlt. Ergänzt wird die Biographie mit eindrucksvollen schwarz-weiß Fotos aus der Zeit und einem Glossar am Ende des Buchs.

Fazit: eine wundervolle und spannende Biographie vom Hemingways Reise nach Peru. Ich kann das Buch wärmstens empfehlen. Ein Highlight!
Nordseemädchen, auf hugendubel.de

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Radio-Tipp: Die Lange Nacht über Ernest Hemingway

Von einsamen Kämpfen und stillen Niederlagen
Die Lange Nacht über Ernest Hemingway
Von Tom Noga
Regie: Tom Noga

An Ernest Hemingway (1899 -1961) scheiden sich die Geister. Für die einen ist er ein Aufschneider, der sich als Kriegsheld inszenierte (der er nicht war) und sich gerne mit seinen Jagdtrophäen abbilden ließ, mit riesigen Schwertfischen etwa, die ihn um das Zweifache überragen. Andere fasziniert gerade seine Männlichkeit, die Kompromisslosigkeit, mit der er sich in jedes Abenteuer stürzte, und sei es noch so aussichtslos.

Die einen kritisieren seine Romane als flach, eindimensional und sprachlich bescheiden. Anderen gefällt gerade dies: seine unprätentiöse, packende Sprache, seine Direktheit, der Reichtum an Bildern, die seine Romane und Kurzgeschichten wie Filme wirken lassen. Fest steht: Ernest Hemingway hat die englischsprachige Literatur vom Schwulst des viktorianischen Zeitalters befreit.

Als Autor ist er aus dem Elfenbeinturm der Kunst ausgebrochen. Ein Super-Macho, ein amerikanischer Held, der dorthin ging, wo es weh tat: in den Boxring, in den Krieg, auf Safari, zum Hochseefischen. Und der dann darüber schrieb. Seine Protagonisten sind

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Ernest Hemingway auf ‚The Blacklist/Die Schwarze Liste‘

Das Kunstwerk The Blacklist/Die Schwarze Liste von Arnold Dreyblatt erinnert seit dem 6. Mai 2021 am Münchner Königsplatz an die Bücherverbrennung. Foto: W. Stock, Mai 2021.

Auf dem Königsplatz in München fanden am 6. und am 10. Mai 1933 öffentliche Bücherverbrennungen  statt. Unter dem Gejohle völkisch-nationalistischer Studenten wurden im Rahmen einer Bücherverbrennung in vielen deutschen Städten die Werke kritischer Autoren in die lodernden Flammen geworfen und die Namen der Verfemten laut verlesen. Die Bücherverbrennungen bildeten den Auftakt zur systematischen Entfernung unliebsamer Literatur aus Bibliotheken, Buchhandlungen und dem Literaturbetrieb.

Bücher wurden von den Nationalsozialisten nicht nur verboten, sondern eben auch verbrannt. Zuerst brannten Bücher, dann die Menschen. Es muss immer und immer wieder an dieses dunkle Kapitel deutschen Geistesleben erinnert werden. Auf dem Königsplatz in München findet sich dazu nun ein würdiges Mahnmal. Der Künstler Arnold Dreyblatt übernahm für seinen Entwurf die wohl umfangreichste und bekannteste Schwarze Liste.

Der Bibliothekar und Nationalsozialist Wolfgang Herrmann hatte sie im Frühjahr 1933 im eigenen Auftrag erstellt, als Anleitung zur Säuberung von öffentlichen Büchereien. Im Frühjahr 1933 wandte sich die Deutsche Studentenschaft an Herrmann mit der Bitte, seine Liste mit der Literatur wider den undeutschen Geist als Grundlage der Bücherverbrennung benutzen zu dürfen. 

The Blacklist/Die Schwarze Liste befindet sich zentral in der halbrunden Fläche vor der Treppe der Staatlichen Antikensammlungen mit etruskischer und römischer Kunst. Die begehbare Kreisform hat einen Durchmesser von acht Metern, die Textspirale aus circa 9.600 Buchstaben ist gut lesbar in die Bodenplatte eingelassen. Alle verbotenen Bücher fließen nahtlos ineinander.

„Diese Textfragmente kollidieren und aktualisieren für uns heute neue Bedeutungen in einer spiralförmigen Komposition, die auch an die Rauchsäulen in den historischen Abbildungen der Bücherverbrennungen von 1933 erinnert“, meint der geborene New Yorker Arnold Dreyblatt, der seit 2009 als Professor für Medienkunst an der Muthesius Kunsthochschule in Kiel lehrt.

Als Textspirale, ohne Interpunktion, werden als fortlaufender Text 310 Buchtitel von verbotenen Autoren aufgelistet. Erich Maria Remarque, John Reed, Ludwig Renn, Gustav Regler, Joachim Ringelnatz, Joseph Roth, Walther Rathenau – es ist nur der Buchstabe R, und nur eine Auswahl. Unter den 310 Büchern befindet sich auch: In einem anderen Land. Ein Roman von Ernest Hemingway, in Deutschland im Jahr 1930 verlegt.

Dieses Bild hat ein leeres Alt-Attribut. Der Dateiname ist InEinemAnderenLand-1-1024x768.jpg

Ernest Hemingways In einem anderen Land auf der Schwarzen Liste. Die Nazis haben den Roman verstanden: gegen den Krieg und für die Liebe. Foto: W. Stock, Mai 2021.

In einem anderen Land – eine weitere Übersetzung lautet In einem andern Land – ist der zweite große Roman des US-Amerikaners, er erscheint 1929 bei Scribner’s in New York unter dem Titel A Farewell to Arms. In diesem Anti-Kriegsroman, der schon alle Eigenschaften einer großen Hemingway-Erzählung besitzt, lässt

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Frei sein, wie ein kleiner Vogel

Auf der ‚Miss Texas‘: Ein barfüßiger Ernest Hemingway bereitet sich für den Angelstuhl und die Jagd auf den schwarzen Marlin vor. Cabo Blanco, im April 1956.

Am dritten Tag kommen die Filmleute aus Hollywood abermals mit auf den Pazifik. Aufnahmeleiter Allen Miner, die Kameramänner und Tontechniker Joe Barry, John Dany, William Classen und Stuart Higgs verteilen sich wiederum auf die Miss Texas und die Pescadores Dos. Aller guten Dinge sind drei, merkt Ernest Hemingway am Morgen voller Zuversicht in die Runde an.

Die Männer wollen sich auf der Jagd nach dem Schwarzmarlin, ebenso wie bei den Dreharbeiten, nicht ablenken lassen und deshalb hat der Schriftsteller auch an diesem Tag die Anordnung erlassen, dass keine Presse mit an Bord darf. Dabei wäre genau dies so sehr sein Wunsch gewesen, doch Manuel Jesús Orbegozo von der Tageszeitung La Crónica erhält nicht die Erlaubnis, mit auf Ernest Hemingways Boot zu kommen, auf die Miss Texas.

Der Mann aus der Hochlandregion von La Libertad jedoch lässt sich so schnell nicht abwimmeln, er ist ein gewiefter Reporter, der den Knaller seines Berufslebens nicht vermasseln will. Und so versucht der Journalist, es wenigstens auf das Schiff von Mrs. Hemingway zu schaffen, die an diesem Tag mit drei Filmleuten hinausfährt.

Am frühen Morgen des 18. April 1956 schleicht sich Manuel Jesús Orbegozo zur Landungsbrücke im Hafen. Dort schnappt er sich von der Tochter eines Fischers kurzerhand zwei Kühltaschen mit Vorräten und klettert frech an Bord der Pescadores Dos, so als sei er Teil des Teams. Auf dem Boot versteckt der La Crónica-Reporter sich dann in der winzigen Toilette. Eine halbe Stunde nach Auslaufen kommt Orbegozo aus dem WC und der urplötzliche Auftritt des blinden Passagiers löst auf dem kleinen Schiff sogleich eine gehörige Unruhe aus.

Kleinlaut erklärt der Journalist, zu Mary Welsh gewandt, dass er nichts Böses im Schilde führe. „Was würden Sie machen, gnädige Frau, wenn Ihr Vorgesetzter Ihnen die Anweisung gibt, einen Tag mit Ernest Hemingway auf dem Meer zu verbringen?“, versucht der Zeitungsmann ein paar Mitleidspunkte zu machen.

Miss Mary zeigt sich gnädig gestimmt. Ernest Hemingways Ehefrau, an Deck mit einem breiten sombrero aus Catacaos gegen die gleißende Sonne geschützt, erkennt Manuel Jesús Orbegozo als einen der Redakteure vom Flughafen. Mary Welsh hat selber lange als Journalistin gearbeitet, sie kennt den Druck, und so darf der Reporter zumindest an diesem Tag an Bord verbleiben.

Gegen 10 Uhr 30 gibt Ernest Hemingway von der Miss Texas aus ein Zeichen, dass endlich ein Fisch angebissen hat. Die Pescadores Dos nähert sich Hemingways Boot und die Kameramänner Joe Barry, William Classen und Stu Higgs bringen ihre schweren Handapparate in Stellung. Doch Fehlalarm. Als Gregorio Fuentes die Angelschnur zieht, kommt lediglich ein Tintenfisch zum Vorschein. Eine Stunde später gibt es erneut blinden Alarm. Und von Neuem ist die Enttäuschung riesengroß.

Der Journalist Manuel Jesús Orbegozo auf der Pescadores Dos nutzt die Gelegenheit, einige Sätze mit Mrs. Hemingway auf Englisch zu wechseln. Wie sich das Paar kennengelernt habe, fragt der Reporter neugierig. In London, bekommt er zur Antwort, als Ernest und ich Korrespondenten im Krieg gewesen sind. Es sei Liebe auf den ersten Blick gewesen. Aber, fügt Mary schnell an, weil sie ahnt, welche Nachfrage jetzt kommen wird, ich habe einen Mann geheiratet, den ich liebe, und nicht einen Schriftsteller, den ich bewundere.

„Schön ist das Meer hier“, meint Mary Welsh ausgelassen zu Orbegozo. Und Miss Mary, einmal in Fahrt, plaudert munter drauf los aus dem Alltag des Ehepaares. Sie erzählt von London, von Kuba und der Finca Vigía, von Afrika, von den beiden Unfällen, die Ernest um Haaresbreite das Leben gekostet hätten. Die Folgeerscheinungen der Flugzeugunglücke, so sagt sie, machen ihrem Ehemann noch immer zu schaffen.

Der Nobelpreis? Mary Welsh wirkt bei diesem Stichwort leicht verschnupft. Ernest, meint sie spitz, ist stets so großzügig. Von den 36.000 Dollar hat er unserem Chauffeur Juan und den anderen Bediensteten auf der Finca Vigía zehn Monatsgehälter als Gratifikation gezahlt. Und mir wollte er ein Jagdgewehr in Paris kaufen, nun ja, aber dann hat er mir einen Scheck über zweitausend Dollar ausgestellt. (Anfang von Kapitel 13 der Neuerscheinung Cabo Blanco – Mit Ernest Hemingway in Peru. Eine weitere Leseprobe: hier klicken)

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Mit der Hand den Himmel berühren

An der Bar des ‚Fishing Clubs‘ plaudert Ernest Hemingway, ein Glas Whiskey in der Hand, über Gott und die Welt. In der Hauptsache über seine Welt. Cabo Blanco, im April 1956.

Nach dem Abendessen kommt für Ernest Hemingway die Zeit, in der er sich mit Freunden an die kleine Bartheke des Cabo Blanco Fishing Clubs zurückzieht. Der berühmte Schriftsteller, diesmal sind die drei Reporter aus Lima dabei, trinkt fröhlich in die Nacht hinein und plaudert über alles, was einem Mann so auf der Seele liegt. Mario Saavedra, der Redakteur des braven El Comercio, versucht, beim Saufgelage an der Bar einigermaßen mitzuhalten. Gegen Ernesto jedoch scheint in dieser Disziplin kein Ankommen. Nach dem dritten Whiskey sieht der schlanke Peruaner zischende Sternchen und schlingert auf den Beinen, während der bärtige Amerikaner neben der Theke steht wie ein Eichenbaum.

Der junge Redakteur aus Lima hört dem Nobelpreisträger aufmerksam zu. Denn er möchte herausfinden, nicht nur für seine Leser, sondern auch für sich, was einen erstklassigen Schreiber ausmacht. Wisst ihr, sagt Ernest Hemingway, ich glaube nicht an eine Zauberkraft des Schreibens oder so ein Zeugs. Entweder hast du es drin in dir oder du hast es nicht. Einmal war ich in Madrid da drin so voll – und der Autor schlägt zweimal kräftig mit geballter Faust auf seinen Brustkorb -, da schrieb ich The Killers und zwei andere Kurzgeschichten an nur einem Tag.

Die Runde an der Bar fabuliert über den Journalismus. Als Erster erhält Manuel Jesús Orbegozo, der Redakteur von La Crónica, einen stilistischen Ratschlag: Schreib keinen Absatz mit mehr als 25 Wörtern, meint der Schriftsteller. Das sei der beste Tipp, den er in der Redaktion des Kansas City Star als Anfänger bekommen habe. Und Ernest Hemingway erzählt von seinen ersten Schritten als Journalist.

Wie er direkt nach der Oak Park High School im Jahr 1917 als Achtzehnjähriger auf Vermittlung eines Onkels eine Laufbahn als Lokalreporter bei der Tageszeitung in Kansas City begonnen hat, wo er dann sechs Monate geblieben ist. Kurze Sätze, Leute, kurze Sätze. Nur in der Genauigkeit liegt die Wahrheit. Geht achtsam mit der Sprache um, verkneift euch all die Schlenker und Abstecher.

Beim Kansas City Star hat man den Novizen am ersten Arbeitstag ein Style Book in die Hand gedrückt. Dies sei kein Stil-Buch gewesen, sondern ein bedrucktes Blatt Papier, auf dem die eisernen Regeln gestanden haben, wie man bei der Tageszeitung die Texte zu formulieren hat. Im ersten Abschnitt ist zu lesen: Schreibe ein kräftiges Englisch! Dann: Sei positiv, nicht negativ! Und: Lasse alles Überflüssige weg! Das war keine schlechte Schule, erklärt der Nobelpreisträger, es sei eine ausgezeichnete Anleitung gewesen, um sich einen guten Schreibstil anzueignen.

Sprachliche Knappheit, das ist wie eine blutige Revolution, sagt er zu den peruanischen Journalisten, denn das Unnütze muss abgesäbelt werden. Schreibt Sätze, als ob man sie Euch auf den Arsch tätowieren würde. Die Redakteure in Cabo Blanco schauen sich ungläubig an bei diesem deftigen Vergleich. Dann, ergänzt Hemingway, werden die Sätze kurz und kommen auf den Punkt.

Die einfachen Regeln, die dem unerfahrenen Reporter beim Kansas City Star eingebläut werden, dienen fortan als Grundierung von Hemingways Texten. Im Dezember 1921 siedelt Ernest mit Ehefrau Hadley nach Paris über, für sechs Jahre. Hier kommt der US-Amerikaner mit französischen Literaten in Berührung, die bei ihm einen tiefen Eindruck hinterlassen. Vor allem fasziniert ihn Charles Baudelaires Les Fleurs du Mal und Marcel Prousts mit seinem Großroman À la recherche du temps perdu. Die filigrane Kunstfertigkeit der französischen Prosa und Lyrik bestärkt ihn in der Wichtigkeit des le mot juste, des richtigen und treffenden Wortes.

In dem literarischen Salon von Gertrude Stein in der Rue de Fleurus 27 und unter dem Einfluss besonders von Sherwood Anderson und des britischen Romanciers Ford Madox Ford perfektioniert der wissbegierige Kerl aus den Vereinigten Staaten seinen journalistischen Romanstil. Vor allen Dingen vervollkommnet er in Paris den hochraffinierten Effekt seiner Handwerkskunst: Ernest Hemingways Wörter und Sätze klingen eingängig und nahezu harmlos, die tiefere Bedeutung hinter dem Geschriebenen erweist sich jedoch als komplex und vielschichtig. (Anfang von Kapitel 12 der Neuerscheinung Cabo Blanco – Mit Ernest Hemingway in Peru. Eine weitere Leseprobe: hier klicken)

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Para el frio, gegen die Kälte

Der peruanische Maat Máximo Jacinto Fiestas präpariert für Ernest Hemingway den Köder. Cabo Blanco, im April 1956.

Hola Chico, begrüßt ein bestens gelaunter Ernest Hemingway den Kapitän der Miss Texas. Und Jesús Ruiz More aus Cabo Blanco antwortet: Buenos dias, Don Ernesto. Der capitán de barco sagt Don Ernesto, denn er traut sich nicht, ihn nur mit Ernesto anzusprechen, da ist zu viel Respekt. Ernest Hemingway mag diese Titulierung, wie er durchweg angetan ist von der spanischen Sprache mit ihren höflichen Anreden. So wie bei Don und Doña, eine Annäherung mit feinen Nuancen und zarten Unterschieden. Mein verehrter Herr Ernest, solch eine stilvolle Respektbekundung wie Don Ernesto lässt sich in anderen Sprachen nicht so recht abbilden.

Der Nobelpreisträger platzt vor Zuversicht an diesem Morgen. Heute werden wir unseren Marlin fangen, sagt der Schriftsteller selbstbewusst, koste es, was es wolle. Sicher, Don Ernesto, erwidert der Kapitän Ruiz More, ganz sicher werden wir ihn heute fangen. Jesús Ruiz More ist ein untersetzter, dicklicher Mann mit einem weißen Hemd und einer viel zu weiten Hose. Mitten in seinem Gesicht klebt die breiteste Ray Ban-Sonnenbrille von ganz Peru. Sein lautes Lachen ist weithin zu hören, die Fröhlichkeit des Peruaners wirkt ansteckend auf seine Umgebung. Während die meisten Männer auf der Miss Texas eine Baumwollkappe als Schutz vor den beißenden Sonnenstrahlen tragen, erkennt man Jesús Ruiz More auf Anhieb an seiner überdimensionierten Kapitänsmütze.

Como están ustedes?, begrüßt der aufgekratzte Nobelpreisträger die Crew in gutem Spanisch. Wie geht es Euch? Die gesamte peruanische Bordmannschaft erhält vom berühmten Schriftsteller einen Handshake oder zumindest einen aufmunternden Klaps auf die Schulter. Die Besatzung der Miss Texas besteht neben dem Kapitän Jesús Ruiz More aus den beiden Einheimischen Máximo Jacinto Fiestas und Miguel Custodio, einem Fischer mit ausgeleiertem Strohhut.

An Ernest Hemingways zweitem Tag in Cabo Blanco, der Kalender zeigt den 17. April 1956, legt die Miss Texas morgens um neun Uhr im Hafen ab. Die robusten Boote des Fishing Clubs erweisen sich als schnell und bringen die Truppe flott hinaus auf hohe See. Der Nobelpreisträger ist von der Schroffheit des Pazifiks überrascht, frische Winde und zahlreiche Wasserverwirbelungen sorgen für erheblichen Wellengang und unruhiges Fahrwasser. Der Große Ozean vor Cabo Blanco hat so nichts gemein mit dem Meer, das er auf der Pilar vor Kuba gewöhnt ist. Im warmen Golfstrom bleibt das Wasser meist ruhig und die Ausfahrten sind beschaulich.

Während Ernest Hemingway und seine Freunde auf der Miss Texas hinaus fahren, weilt Mary Welsh auf der Pescadores Dos, einem Klubboot, das unter dem Kommando des einheimischen Schiffsführers Rufino Tume steht. Die Pescadores Dos ist ein neues Motorboot des Cabo Blanco Fishing Clubs, es wird weniger für das Sportangeln genutzt, sondern dient mehr dem Sightseeing und für Exkursionen zur Beobachtung von Walen oder Delphinen. Die Pescadores Dos besitzt eine geräumige Kabine mit sechs Bullaugen, eine Kombüse, draußen einen breiten Sonnenschutz, der das Heck vollständig abdeckt. Der lange Vordermast, den man ohne Anstrengung auf halbe Höhe hochklettern kann, ermöglicht eine meilenweite Sicht über das Wasser. Die ganz Verwegenen hangeln sich auf der modernen Yacht bis an die Spitze des Mastbaumes.

Die Miss Texas und die Pescadores Dos fahren stets gemeinsam aufs offene Meer, meist in einem Abstand von wenigen hundert Metern und die Kapitäne beider Yachten sind bemüht, einander in Sichtweite zu halten. Denn das Filmmaterial soll abstimmt werden, auch wenn es aus unterschiedlicher Perspektive aufgenommen wird. Allzu weit fahren die zwei Fischerboote nicht hinaus, selbst unter normalen Wetterbedingungen und bei stillem Seegang bewegt man sich nicht mehr als zwanzig Meilen von der Küste weg.

Rufino Tume aus Cabo Blanco ist ein ausgelassener und immer zu einem Scherz aufgelegter Zeitgenosse, der sich in jungen Jahren zum Bootskapitän emporgearbeitet hat. Der 25-jährige Peruaner genießt die Ausfahrt mit Miss Mary und kann nur Positives berichten. Eine höfliche Person, urteilt Rufino Tume über die Ehefrau des Schriftstellers, sie hat sich überaus freundlich um die Crew gekümmert und um den Proviant. „Manchmal hat sie für uns in der Kombüse gekocht.“  (Anfang von Kapitel 11 der Neuerscheinung Cabo Blanco – Mit Ernest Hemingway in Peru. Eine weitere Leseprobe: hier klicken)

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Ich werde Eure Tränen trinken

Ernest Hemingway schärft an Bord der ‚Miss Texas‘ seinen Blick für die Jagd nach dem schwarzen Marlin. Cabo Blanco, im April 1956.

An seinem zweiten Tag in Cabo Blanco erwacht Ernest Hemingway nach einer kurzen Nacht mit dem ersten Morgenlicht. Im Gemeinschaftsraum des Fishing Clubs trifft er auf Gregorio Fuentes, den kubanischen Kapitän seiner Yacht Pilar, der wie eh und je als Allererster auf den Beinen steht. Noch vor dem Frühstück zündet sich der hagere Skipper aus Cojímar eine lange Gloria Cubana an. Der Autor, der dem Rauchen wegen seiner empfindlichen Geschmacksnerven nichts abgewinnen kann, schaut dem Tagesauftakt seines Freundes amüsiert zu.

Nachdem auch Miss Mary aufgestanden ist, frühstückt das Ehepaar gut und kräftig, jeder zwei Spiegeleier, Toast mit Butter, dazu viel schwarzer Kaffee. Ohne Zucker, darauf achtet Mary, denn ihr Ehemann plagt sich seit Jahren mit einem leichten, aber hartnäckigen Diabetes herum. Der Schriftsteller wirft während des Frühstücks einen Blick in die Tageszeitungen, die im abgelegenen Klub nur vom Vortag ausliegen. Zuerst schnappt der Amerikaner sich El Comercio aus Lima und überfliegt die Seiten. Aus Miami werden ab und an mit der Panagra die New York Times und der Miami Herald mitgebracht.

Mittlerweile hat sich Ernest Hemingway im Cabo Blanco Fishing Club umsehen können. Ihm gefällt das entlegene Klubhotel, das durch und durch auf die Großfisch-Jagd ausgerichtet ist. Sicherlich fehlt der in den USA gewohnte Luxus, doch der Nobelpreisträger steht nicht auf stilistische Schaumschlägerei, sondern zieht – wie auf Finca Vigía – die karibische Ungezwungenheit vor. Von Prunk und Protz ist im Klubhaus am peruanischen Meer in der Tat wenig zu spüren. Das einzig Luxuriöse im Fishing Club sei die Bar gewesen, witzelt Mario Saavedra über das riesige Anwesen, und die ausgezeichnete Küche sollte man ebenfalls nicht vergessen.

Im Gemeinschaftsraum des Cabo Blanco Fishing Clubs betrachtet der Schriftsteller nach dem Frühstück die Stecktafel mit den Angelrekorden. Thousand Pound Club, der Klub der 1.000 Pfünder, steht dort als Überschrift in Englisch. Hinter einer dünnen Glasscheibe werden mit gesteckten weißen Lettern auf der schwarzen Pinnwand die Namen und die Rekorde chronologisch nach Jahren vermerkt. 1.000 Pfund Gewicht – so hoch liegt die Hürde des Ruhms. Auf dieser Tafel lässt sich die Liste jener Angler nachlesen, denen es in der Geschichte des Fishing Clubs gelungen ist, einen Marlin von mindestens 1.000 Pfund Gewicht zu fangen.

Unter dem Datum 4. April 1952 wird die erste Notiz auf der Siegertabelle geführt. Zu diesem Zeitpunkt ist die Unternehmung auf dem Papier durch Enrique Pardo Heeren frisch begründet. Einen Monat zuvor, im März 1952, ist die Cabo Blanco Fishing Club S. A. als Aktiengesellschaft im Registro Mercantil de Lima, im peruanischen Handelsregister, eingetragen worden, mit einem Grundkapital von 100.000 Dollar. Firmenzweck: Dedicarse a fomentar la pesca amateur en todos sus aspectos. Tätigkeit zur Förderung des Amateur-Angelns in all seinen Ausprägungen.

Anfangs musste man die Sportangler in einem Hotel in Talara oder bei der International Petroleum unterbringen und jeden Tag die 45 Kilometer nach Cabo Blanco hin und her transportieren. Ab Januar 1953 existierte dann eine provisorische Unterkunft am jetzigen Standort, ein bescheidener Behelfsbau mit fünf Zimmern und zehn Betten. Erst als das glanzvolle Klubhaus im März 1954 fertiggestellt wird, können alle Sportangler unmittelbar sich in Cabo Blanco aufhalten.

Es ist der Texaner Alfred C. Glassell, der auf der Rekordtafel ganz oben steht, 1.025 libras. 1.025 Pfund. Gefangen am 4. April 1952. Auch Kip Farrington findet man auf der schwarzen Tafel, ebenso wie Enrique Pardo Heeren, Ted Bates oder den legendären H. L. Woodward. Pro Jahr werden etwa zwei Dutzend Rekordfänge verbucht. Die zahlreichen Männer und die vier Frauen auf der Liste des Thousand Pound Clubs zählen in Cabo Blanco als die Besten der Besten. Von der Leitung des Fishing Clubs erhalten diese Champions einen Anstecker in 14-karätigem Perugold mit der Gravur 1.000 LB – Black Marlin Club, mit einem silbernen Marlin vor goldenem Hintergrund.

Das angebrochene Jahr 1956 verzeichnet bereits 33 erlegte Marline und fügt die stolzen Bezwinger zur Liste des Thousand Pound Clubs hinzu. Ernest Hemingway steht neben der Stecktafel, begutachtet sie neugierig, sein Blick geht die Rekordzahlen rauf und runter. Und prompt wird der Ehrgeiz dieses Naturburschen geweckt, die Messlatte ist gelegt für ihn. Sein Wunsch ist, ebenfalls auf dieser Tafel verewigt zu werden.  (Anfang von Kapitel 10 der Neuerscheinung Cabo Blanco – Mit Ernest Hemingway in Peru. Eine weitere Leseprobe: hier klicken)

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Novedad: Cabo Blanco – Mit Ernest Hemingway in Peru

El 15 de abril de 1956, Ernest Hemingway y su esposa Mary Welsh parten desde su residencia cubana cerca de La Habana en un viaje de varias semanas a Cabo Blanco. En este pueblecito pesquero peruano van a rodarse algunas escenas de la película El viejo y el mar, basada en su novela homónima.

Casi todos los días, el barbudo norteamericano sale con unos amigos a pescar al Pacífico. ¿Por qué Ernest Hemingway está tan obsesionado por atrapar un marlín negro en la costa peruana? Este animal más grande que el ser humano puede doblegar con su propia fuerza.

La vida de Ernest Hemingway está documentada hasta el último de sus rincones, pero se sabe muy poco sobre los 36 días que el escritor pasó en el Perú. Sesenta años después de la visita del premio Nobel, Wolfgang Stock sigue el rastro de la expedición. Además de hallar numerosos indicios, como documentos y fotografías, el periodista alemán entrevistó a octogenarios que todavía recuerdan a Ernesto con tanta viveza como si lo hubieran visto ayer.

Wolfgang Stock desempolvó algunos archivos, contactó con escritores, buscó información en artículos de periódicos y revistas, fotografías y otras fuentes. También visitó con el ojo clínico de un investigador los lugares por los que pasó el escritor en el Perú, en Cuba, en Estados Unidos y en Europa.

Cabo Blanco – Mit Ernest Hemingway in Peru reconstruye el viaje de un simpático aventurero, con sus sueños y sus esperanzas. Pero también retrata la imagen de un hombre envejecido y cada vez más vencido por sus miedos y contradicciones.

Viajando por un Perú fascinante de la mano de Ernest Hemingway, acompañado de los pescadores locales y los reporteros insistentes, tal vez sea posible acercarse un poco a la fascinación y al secreto de este rey de la literatura moderna.

Wolfgang Stock
Cabo Blanco
Mit Ernest Hemingway in Peru
364 páginas, BoD
12,99 € (tapa blanda), 6,99 € (libro electrónico)
ISBN: 9783751972567
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New: Cabo Blanco – Mit Ernest Hemingway in Peru

On April 15, 1956, Ernest Hemingway and his wife Mary set off from their home near Havana on a five-week trip to Cabo Blanco. The offshore filming for the Hollywood motion picture The Old Man and the Sea was to take place near this Peruvian fishing village. Almost every day Hemingway went out marlin fishing on the Pacific with friends.

Why was the author so eager to catch a marlin off the coast of Peru? Perhaps because this is the largest animal that humans can conquer with their own strength.

Ernest Hemingway’s life has been examined in great detail. Very little, though, is known about those days in Cabo Blanco. More than 60 years after the Nobel Prize winner’s visit to Peru, the German journalist Wolfgang Stock retraced Hemingway’s steps.

Stock searched through dusty archives, tracked down old newspaper articles and photos, but also found witnesses who remember Ernesto as vividly as if they had just met.

Determined to discover every detail of Hemingway’s stay in Cabo Blanco, Stock travelled to Peru, Cuba, the USA and around Europe. The result, in clear and concise language, is an account of Ernest Hemingway’s weeks in Cabo Blanco as well as a retrospective assessment of his frame of mind.

Hemingway was, at this time, still the big-hearted adventurer with hopes and dreams, but also a man no longer in the prime of life and increasingly crushed by fears and contradictions. In Cabo Blanco – Mit Ernest Hemingway in Peru we see him through the eyes of both local fishermen and savvy reporters and are given the chance to decode the fascination and the secrets of this literary giant just a little more.

Wolfgang Stock
Cabo Blanco
Mit Ernest Hemingway in Peru
364 pages, BoD
12,99 € (Paperback), 6,99 € (E-Book)
ISBN: 9783751972567
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