
Auf dem Kongress der US-Autoren hält Ernest Hemingway einen flammenden Appell. Er wird soviel Temperament in seinen Vortrag legen, wie zuvor nie. Am 4. Juni 1937 spricht der gefeierte Schriftsteller bei der linken League of American Writers in New York. Die Kollegen in der Carnegie Hall hängen an den Lippen des Kriegsreporters, der bis Anfang Mai noch in Spanien die Kämpfe zwischen loyalen Regierungstruppen und den faschistischen Putschisten beobachtet hat.
Die Rede, sie ist sieben Minuten lang, fängt grandios an: Das Problem eines Schriftstellers ändert sich niemals. Er selbst verändert sich, aber sein Problem bleibt dasselbe. Es geht immer darum, wie man wahrhaftig schreibt. Und nachdem wir das Wahre gefunden haben, es so umzusetzen, dass es zu einem Anliegen des Lesers wird.
Der Autor, der in Key West lebt, möchte seine Kollegen für den Freiheitskampf im fernen Europa sensibilisieren. Auf der Konferenz wird deshalb auch ein Ausschnitt aus dem Film The Spanish Earth gezeigt, den Joris Ivens in Spanien gedreht hat und zu dem Ernest das Drehbuch geschrieben hat. Hemingways neue Geliebte Martha Gellhorn wird auf dem Kongress ebenfalls eine Rede halten, sie hat mit ihm die iberische Halbinsel bereist.
Seit Juli 1936 verteidigen Regierungstruppen die Republik gegen die rechten Putschisten um den General Franco. Die zwei Spanien bekämpfen einander mit grauenhafter Brutalität. Am Anfang noch unentschlossen, er hat Freunde in beiden Lagern, stellt sich Hemingway dann doch bedingungslos auf die Seite der Republik. Er ist angewidert von der Erbarmungslosigkeit der faschistischen Truppen.
Wir müssen uns darüber im Klaren sein, verkündet er, dass diese kriegerische Mordlust der Persönlichkeit eines Tyrannen entspringt, der mächtigen Gewaltherrschaft des Faschismus. Es gibt nur einen Weg, einen Tyrannen auszuschalten, und das ist, ihn zu besiegen. Und die faschistische Tyrannei wird in diesen Tagen in Spanien bekämpft.
Gegen den Faschismus zu sein, bedeutet für den Schriftsteller sogleich, gegen den Krieg zu sein. Faschismus und Krieg sind zwei Seiten einer Münze. The totalitarian fascist states believe in the totalitarian war. Der totalitäre Staat glaubt an den totalitären Krieg. Hemingway schreibt dies im Sommer 1937, er bekommt in Spanien eine Vorahnung davon, was da als Schicksal auf die Zivilisation zukommt. Er selbst ist seit seiner schlimmen Verletzung im Ersten Weltkrieg bei Fossalta im Veneto mit dem Säbelrasseln eigentlich durch.

Am 22. Juni 1937 wird die linke Zeitschrift New Masses die Rede Ernest Hemingways unter der Überschrift Fascism is a Lie abdrucken.
Wenn Ernest Hemingway gegen den Faschismus wettert, dann führt er nicht soziale oder politische Gründe an. Er packt den Gegner bei den Grundsätzen. Diktatoren kennen keine Ehrlichkeit und keine Wahrhaftigkeit. Im Gegenteil: Der Faschismus ist einfältig, wie ein Regierungssystem, in dem die Dümmsten und Gemeinsten das Sagen haben. Ihnen kann man nur mit Aufrichtigkeit und Geschlossenheit begegnen. In diesem Krieg (…) merkt man, wenn man die Menschen kämpfen und sterben sieht, dass es Schlimmeres gibt als den Krieg. Feigheit ist schlimmer, Verrat ist schlimmer und bequemer Egoismus ist schlimmer.
Ein guter Schriftsteller, so Ernest Hemingway, kann kein Faschist sein. Gute Literatur und Faschismus sind auf einer höheren Ebene unvereinbar. Das Schreiben geht einher mit Mühsal, Suchen und Zwiespalt. Aber da die Diktatoren Angst vor Ungewissheit und Zweifel haben, können ihre Tyrannen immer nur dieselben Stereotypen anbieten. Der Faschismus nutzt die Unsicherheit der Menschen aus und verspricht ihnen politisch und sozial ein heiles Leben. Doch bei solchen Täuschungen kann kulturell nur Sterilität herauskommen.
Der Faschismus baut auf Lügen auf, die von Tyrannen erzählt werden. For fascism is a lie told by bullies. A writer who will not lie cannot live or work under fascism. Because fascism is a lie, it is condemned to literary sterility. Ein Schriftsteller jedoch, der nicht mitlügen will, kann nicht im Faschismus leben und arbeiten. Die Kunst kann in der Despotie nicht atmen. Die Kultur wird verfallen und bloß Schablonen und Kitsch abliefern. Es gibt nur eine Regierungsform, die keine guten Schriftsteller hervorbringen kann, und dieses System ist der Faschismus.
In Kapitel 6 seines Romans über den Spanischen Bürgerkrieg zeigt Ernesto wie er denkt. In Wem die Stunde schlägt entspinnt sich ein Dialog zwischen dem Amerikaner Robert Jordan und der Partisanin Maria. Die schöne Freiheitskämpferin will wissen