Auf den Fersen von Ernest Hemingway

Autor: Wolfgang Stock Seite 4 von 63

Ernest Hemingway und sein Seelenhirte Padre Andrés

Im Baskenland geht für viele der Blick übers Meer. Das Glück muss in der Ferne gesucht werden. So auch bei dem Priester Andrés Untzaín aus Mundaka. Skulptur in Bermeo. Foto: W. Stock, 2024.

Zum Freundeskreis des Schriftstellers auf Kuba gehört der baskische Priester Andrés Untzaín. Wegen seines schwarzen Priestergewandes ruft Ernest ihn liebevoll Don Black. Don Black stammt aus Mundaka, einem Küstenflecken 40 Kilometer nordöstlich von Bilbao. Es ist eines der ältesten Dörfer Spaniens, hier wird Andrés Untzaín im August 1895 geboren.

Nach seiner Priesterweihe übernimmt er die Kirchengemeinde von Kanala, das auf der anderen Seite des Rio de Mundaka liegt. Kanala, damals schrieb man es auf Spanisch als Canala, ist ein hübsches Fleckchen am Meeresarm der rauen baskischen Küste mit Blick auf den Naturschutzpark Reserva de la Biosfera de Urdaibai.

Bei Ausbruch des Bürgerkrieges 1936 steht der Pastor fest auf republikanischer Seite, er wird Militär-Kaplan des baskischen Saseta-Bataillons. El cura rojo – der rote Priester – so nennen ihn die Franco-Getreuen in der Region abfällig. Als die Putschisten im August 1937 das Baskenland einnehmen, flieht Padre Andrés zunächst nach Frankreich. Die Rache der Franquisten macht auch vor Kirchenautoritäten nicht halt. Viele Pfarrer und Nonnen werden erschossen oder ins Gefängnis geworfen.

Ende 1937 erreicht Andrés Untzaín Havanna, wo eine Schwester von ihm lebt. Auf Kuba wird der rote Priester von der dortigen Amtskirche mit Argwohn betrachtet und so setzt man ihn auf eine bitterarme und entlegene Kirchengemeinde, jene von Catalina de Guines und Melena del Sur. Im Jahr 1942 wird er Presbyter und leitet die Pfarrgemeinde von Guara, 40 Kilometer südlich der Hauptstadt. Bei seinen Schäfchen ist der Pastor, von kräftiger und großer Gestalt, überaus beliebt.

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Ein Freundestrio: Ernest Hemingway mit den Basken Juan Duñabeitia (links) und Padre Andrés Untzaín (mit Glas) auf Finca Vigía, Kuba 1947.

Der Kirchenmann bleibt ein baskischer Nationalist durch und durch. Als der Exil-Präsident des Baskenlandes José Antonio de Aguirre der Insel Kuba einen Besuch abstattet, mischt Padre Andrés an vorderster Front mit. Die Daheimgebliebenen spüren währenddessen die Unterdrückung in der Diktatur von General Franco. Ihre Sprache wird verboten, ebenso wie alle baskischen Symbole und die regionalen Parteien.

Padre Andrés Untzaín ist ein Priester, wie man ihn sich wünscht. Umgänglich, leise, offen, er mag den Wein und gutes Essen. Ein Gottesmann, ganz von dieser Welt. Oft besucht er den Frontón des Jai Alai, ohne Soutane, mit einer Zigarre im Mund, in der Hand einen Jaibol, einen Likör mit Wasser, Soda oder einen bloßen Refresco. Und der Priester schaut andauernd nervös auf seinen Wettschein.

Jeden Mittwochnachmittag kommt Don Black zur Finca Vigía. Mit den anderen baskischen Freunden –  den Brüdern Patxi und Julián Ibarluzea, Félix Areitio, bekannt unter dem Spitznamen Ermua, Paco Garay, Juan Duñabeitia – geht es feucht und fröhlich zu. Man isst reichlich, trinkt mehr als üblich, springt in den Pool, schwelgt in Erinnerungen und der Krieg gegen General Franco wird dann irgendwie doch noch gewonnen.

Ein wenig kommt Don Black die Rolle des Seelenhirten von Ernest Hemingway zu, manchmal auch die eines Beichtvaters. Der Schriftsteller ist kein gottesgläubiger Mensch, er ist vielmehr einer von jener Sorte Atheist, der andauernd von Gott redet. Kommt er neu in eine Großstadt, dann ist die Besichtigung der Kathedrale eine Selbstverständlichkeit.

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Padre Andrés Untzaín zu Besuch bei Ernest auf der Finca Vigía beim Fachsimpeln über das Pelota-Spiel.

Ernest Hemingway geht die Selbstgewissheit des Katholizismus ab, er bleibt zeitlebens ein Suchender. Jemand, der spürt, dass über den Gesetzen der Natur eine höhere Macht steht. Er möchte diese Autorität begreifen, sie entschlüsseln und in Kontakt mit ihr treten. Mit seinem Freund Andrés Untzaín kann der Schriftsteller über die Ideenwelt des Ignatius von Loyola philosophieren, die Ideenwelt der Jesuiten stößt bei beiden auf Interesse.

In seinem letzten Lebensjahr schreibt Ernest Hemingway in einem Brief an Malcolm Cowley über seine Freundschaft mit dem Priester. Auf Kuba sei Andrés Untzaín einer seiner drei besten Freunde gewesen. Deshalb habe er auch ein Dach für seine Kirchengemeinde gestiftet. Don Andrés, der Gemeindepfarrer auf Kuba, pflegte den Leuten zu sagen, dass er mein geistlicher Lehrer sei. Aber bei mir ist nichts zu gewinnen, außer beim Rennen.

Mit den Jahren auf Kuba mehren sich beim Pater die Probleme mit der Gesundheit. Er geht 1954 zurück in sein baskisches Heimatdorf. Als Pensionär, im Casino von Mundaka, überrascht ihn beim Kartenspiel ein Herzinfarkt. Andrés Untzaín stirbt im Oktober 1955 und wird seiner Heimaterde übergeben.

Als Hemingway im August 1959 in Bilbao weilt, macht er einen Abstecher nach Mundaka. Dort trifft der Nobelpreisträger

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Ernest Hemingway taucht ab in San Sebastián

Eine Bucht, wie vom Künstler gemalt. Die Bahía de la Concha vor San Sebastián. Foto: W. Stock, April 2024.

Der Amerikaner aus Chicago besitzt seit jeher ein Faible für das Meer und für die Städte am Meer. Sein Leben lang zieht es ihn hin zu seinem geliebten blauen Wasser. Einer seiner Lieblingsplätze am Meer liegt im Golf von Biskaya. Ein altes Foto aus dem Jahr 1927 zeigt Ernest Hemingway mit seiner zweiten Ehefrau Pauline in San Sebastián, am Strandabschnitt dieser Muschel-Playa. Er mag die Bahía de la Concha sehr, wie er in seinem Erstling Fiesta verrät.

Als ich aufwachte, war es halb fünf. Ich nahm meinen Badeanzug, wickelte ihn und einen Kamm in ein Handtuch, verließ das Hotel und ging die Straße zur Concha hinunter. Die Flut war etwa zur Hälfte hinaus. Der Strand war glatt und fest, der Sand gelb. Das ganze letzte Kapitel von Fiesta findet in San Sebastián statt.

Jake Barnes, der Protagonist und das Alter Ego Hemingways, kommt in die baskische Küstenmetropole und atmet durch. Nach dem siebentägigen Encierro in Pamplona genießt er an der Küste die Ruhe. Ganz im Einklang mit der Natur. Er schwimmt, er erkundet die Stadt. Alleine. Er taucht ab in diese mondäne Melange aus Spanien und Frankreich. Ihm tut sein Aufatmen gut nach dem krawalligen Wirbel der Sanfermines. Jake besucht die Parte Vieja der Stadt, den Puerto um die Landspitze herum und das Casino. Die Nachmittage verbringt er am liebsten im Café de la Marina.

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Ernest Hemingway und seine Ehefrau Pauline Pfeiffer im September 1927 am Strand von San Sebastián. Credit Line: Ernest Hemingway Collection. John F. Kennedy Presidential Library and Museum, Boston.

Es ist in San Sebastián, wo Ernest Hemingway im Jahr 1927 das Pelota-Spiel kennenlernt. Der US-Amerikaner wird zu einem begeisterten Anhänger dieses schnellen baskischen Ballspiels und oft findet man ihn in San Sebastián im Frontón Jai Alai, das allerdings im Jahr 1932 seine Pforten schließen musste.

Am Meer lässt sich exzellent speisen, das gute Essen gehört seit eh und je zur baskischen Identität. Das gastronomische Niveau liegt hoch im Norden Spaniens. Gegrillter Lachs mit Sauce béarnaise ist eine von Hemingways Lieblingsspeisen. Im Restaurant Azaldegui, das es heute nicht mehr gibt, hat der Schriftsteller die Regionalküche von San Sebastián, das heute auf Baskisch Donostia heißt, in vollen Zügen genossen.

Im Jahr 1953 trifft Ernesto im Café de la Marina seinen alten Freund Juanito Quintana aus Pamplona, der in der Calle de San Bartolomé eine Ferienwohnung besitzt. Ich ging unter den Bäumen um den Hafen herum zum Casino und dann eine der kühlen Straßen hinauf zum Café Marinas. Im Café spielte ein Orchester, und ich setzte mich draußen davor, genoss die frische Kühle an diesem heißen Tag und trank ein Glas Zitronensaft mit geschabtem Eis und dann einen Whisky mit viel Soda. Ich blieb lange vor dem Marinas sitzen und las und beobachtete die Leute und hörte der Musik zu.

Das Café de la Marina in der Calle Garibai 2 ist heute eine Eisdiele. Auch die Hotels, in denen Hemingway in den 1920er Jahren abstieg, gibt es nicht mehr. Das Hotel Biarritz und das Hotel Suizo sind nicht mehr da. Im Sommer 1959 steigt der Nobelpreisträger im Hotel María Cristina ab. Dieser Luxusbau, im Paseo República de Argentina 4, existiert noch heute. Ob es noch ein Gedenken an Ernest Hemingway gebe, frage ich an der Rezeption. Die Dame schüttelt den Kopf. Er ist Gast bei Ihnen gewesen, bohre ich weiter. Nein, nein, es gibt nichts.

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Innen ist das Hotel María Cristina ein kleiner Palast. Nach außen blickt die Luxusherberge auf das Kantabrische Meer und den Rio Urumea. Foto: W. Stock, April 2024.

Die Region agiert als Schauplatz des letzten Kapitels von Fiesta. Im Werk schwärmt er von der Bahía de Txingudi, der Bucht am französischen Ufer der Bidasoa-Mündung, die Grenzlinie zwischen Frankreich und Spanien. Selbst an einem heißen Tag hat San Sebastián immer etwas Frühmorgendliches. Das Laub an den Bäumen scheint nie ganz vertrocknet. Die Straßen wirken wie frisch besprengt. In manchen Straßen ist es auch an den heißesten Tagen immer kühl und schattig. 

San Sebastián strahlt etwas aus, wie alle Städte am Meer. Eine Offenheit nach draußen, mit vielen Veränderungen, die über den Ozean kommen. Eine Buntheit, die Lust aufs Leben macht. Zugleich allerdings verflüchtigen sich im regen Treiben die Erinnerungen und die Gebräuche. Im Gegensatz zur Provinz besteht eine größere Gefahr, dass man ein wenig nachlässig umgeht mit seiner Tradition.

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Das Wunder am Jakobsweg: Ernest Hemingway und das Piano von Burguete

Hemingway
Burguete
Im schlichten Hostal Burguete hat Ernest Hemingway auf seinem Weg zum Rio Irati mehrmals übernachtet. Und während seines Besuches in dem Pyrenäendorf Burguete trägt sich Magisches zu. Foto: W. Stock, 2024.

Im Juli 1923 machen sich Hemingways Romanfiguren Jake Barnes und Bill Gorton mit dem Bus auf ins ländliche Hinterland von Pamplona, um im Bergbach Irati viele Bachforellen zu angeln. Das Ziel der beiden Freunde: der baskische Marktflecken Burguete. In seinem Erstling Fiesta aus dem Jahr 1926 erzählt der Amerikaner ausführlich über den Ausflug seiner Protagonisten in die Pyrenäen.

Die grüne Ebene dehnte sich. Sie war von Zäunen durchschnitten, und das Weiß der Straße schimmerte zwischen den Stämmen der Doppelreihe von Bäumen, die nach Norden hin die Ebene kreuzte. Als wir ans Ende der Anhöhe kamen, sahen wir die roten Dächer und weißen Häuser von Burguete vor uns in der Ebene aufgereiht und in der Ferne an der Flanke des ersten dunklen Bergs das graue, mit Metall verkleidete Dach des Klosters von Roncesvalles.

Die beiden Freunde finden Unterschlupf im Hotel Burguete, wo Hemingway 1924, 1925 und 1931 absteigt. Es ist einfaches Landgasthaus, heute heißt es Hostal Burguete. Welches Zimmer Hemingway zugewiesen bekommt, lässt sich nicht mehr zweifelsfrei nachvollziehen, zumal das Hotel in den 1930er Jahren aufgestockt worden ist. Es könnte die Kammer mit der Nummer 8 sein, heute ist es die Numero 23. Da Hemingway der einzige Gast gewesen ist, müsste es das beste Zimmer in der oberen Etage, mit Ausblick auf den Pyrenäenkamm gewesen sein.

Aus diesem Raum fällt der Blick auf das weiter nördlich gelegene Dorf Roncesvalles, dessen Augustinerkloster aus dem Jahr 1132 – die Real Colegiata de Santa María – den Pilgern des Camino de Santiago als Rast- und Übernachtungsstation dient. Der Marsch über die Pyrenäenpässe wird von den Jakobspilgern gerne genutzt, um die Küstenroute mit den vielen Flussüberquerungen zu vermeiden. In Roncesvalles laufen gleich drei Wanderstrecken des Jakobswegs zusammen, von hier sind es noch 700 Kilometer bis zur Grabeskirche des Apostels Jakobus in Santiago de Compostela. Gerne machen die Pilger auch im Hostal Burguete Rast, das 12 Doppelzimmer zur Übernachtung anbietet. 

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Bunte Landkarten zeigen im Hostal Burguete die Pilgerstrecke von Roncesvalles nach Pamplona, für die man zwei Tage braucht. Foto: W. Stock, 2024.

Marieta, die damalige Besitzerin des Hotel Burguete, beschreibt Hemingway in seinem Roman Fiesta durchaus mit einem feinen Schuss Spott. Heute wird das Hostal in der Calle San Nicolás 71 von Marietas Urenkel Iñaki Urdiduz geleitet. In Hemingways altem Zimmer hängt ein Portrait von ihm. Im Erdgeschoss gibt es ein Klavier, an das sich Bill setzt und spielt, so beschreibt es Ernest in Fiesta.

Wir wuschen uns, zogen Pullover an und gingen nach unten in den Speiseraum. Der hatte einen Steinfußboden, eine niedrige Decke und eichenvertäfelte Wände. Die Fensterläden standen alle offen, und es war so kalt, dass man seinen Atem sehen konnte. (…) In einer Ecke hinter den Holztischen stand ein Klavier, und Bill ging hin und begann zu spielen. „Ich muss mich warm halten“, sagte er.

Fiesta ist in weiten Teilen autobiografisch, wenn auch leicht verfremdet. Jedenfalls ist Ernest Hemingway wirklich in Burguete gewesen ist, allerdings mit Hadley. Wahrscheinlich ist es seine Ehefrau, die das Klavier gespielt hat, sie beherrscht das Instrument seit Jugendtagen. Das Klavier steht noch heute da, im Frühstücksraum mit der dunklen Holztäfelungen. Wenn man die Tastenklappe öffnet, kann man eine Gravur entdecken:

E. Hemingway
25 – 7 – 1923

Höchstselbst habe der Schriftsteller sich mit seinem Namen auf dem Korpus des Klaviers verewigt, sagt Iñaki. Mit einem spitzen Messer, selbst eingeritzt. Bei seinem ersten Besuch im Jahr 1923. Danach sei er nochmals drei weitere Male nach Burguete gekommen und habe im Hostal übernachtet.

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Ein wenig scheint der Radiergummi über die letzte Silbe beim Namen Hemingway am Klavier im Hostal Burguete gefahren zu sein.

Doch würde ein Amerikaner das Datum so schreiben? Wohl eher 7 – 25 – 1923. Und dann kommen weitere Zweifel. Ernest erster Besuch in Burguete ist für das Jahr 1924 belegt, mit seiner Ehefrau Hadley und zwei Freunden, dem Journalisten-Kollegen Bill Bird und dem Verleger Robert McAlmon.

Auch kommt einem das Piano aus dem Hostal Burguete wie ein richtiges Wunderding daher. Denn am 25. Juli 1923 ist Ernest Hemingway nachweislich in Paris gewesen. Irgendwie erscheint diese Gravur als ein Werk der Metaphysik. Als der US-Autor Robert F. Burgess das Hostal im Jahr 1997 besucht und die Gravur stolz gezeigt bekommt, reibt er sich verwundert die Augen.

E. Heminway
25 – 7 – 1923

steht da. Da konnte jemand Hemingways Name nicht richtig schreiben, sagt Robert zu Iñaki. Der Name Hemingway ist in der Tat

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Das ‚Gran Hotel La Perla‘ in Pamplona und Ernest Hemingway

Hotel La Perla Pamplona
In der nordöstlichen Ecke der Plaza del Castillo von Pamplona liegt das Gran Hotel La Perla. Foto: W. Stock, April 2024.

Ein Lebemann wie Ernest Hemingway ist dafür bekannt, in den besten Hotels abzusteigen. Das Ritz in Paris, das Pera Palace in Konstantinopel oder das Gritti in Venedig. In Pamplona soll seine Wahl auf das Hotel La Perla gefallen sein. Wie könnte es anders auch sein. Majestätisch thront der rechteckige Hotelkomplex auf dem zentralen Platz der Stadt, der Plaza del Castillo.

Das Gran Hotel La Perla verfügt über 44 Zimmer, alle mit kleinem Balkon zur Calle Estafeta oder zum Hauptplatz. Einige Zimmer sind historischen Persönlichkeiten gewidmet, die in ihnen gewohnt haben, wie die Suite, die nach Ernest Hemingway benannt ist. Oder Zimmer, die Orson Welles, die Matadores Manolete und Cayetano Ordóñez, den Maler Ignacio Zuloaga und das Filmgenie Charles Chaplin als Gäste gesehen haben.

Im Jahr 1881 beginnt die Geschichte des La Perla. Es ist das einzige Fünf-Sterne-Hotel in Pamplona. Die privilegierte Lage im Herzen der Stadt macht es zu einem königlichen Wohnzimmer. Elegant steht das Gran Hotel Perla da, in der nordöstlichen Ecke der Plaza del Castillo, klassisch und in zeitloser Architektur. Optisch in klarer Farbe und in der Haltung selbstbewusst.

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Das Hotel ist nicht besondern groß und imposant, doch geht der Laufweg der Bullen während der Sanfermines an einer Seite des Hotels vorbei. Foto: W. Stock, April 2024.

Bei den ersten Besuchen reicht das Geld bei den Hemingways nicht für das Luxushotel, erst in späten Jahren soll der dann berühmte Schriftsteller im La Perla das Zimmer mit der Nummer 217 bewohnt haben. Heute trägt nach Renovierungen dieser Raum die Nummer 201. Der Blick vom Balkon geht auf die Calle Estafeta, wo er während der Sanfermines jeden Morgen den Bullenauftrieb beobachten konnte.

Das Hotel La Perla steht nicht am Anfang seiner Aufenthalte in Pamplona. Beim ersten Besuch im Juli 1923 steigen Ernest und Hadley in einer billigen Pension im vierten Stock der Calle Eslava ab, Nummer 5, das Geld sitzt bei dem weitgehend unbekannten Journalisten nicht locker. Ein Jahr später kann das Ehepaar sich das Hotel Quintana leisten – eine Unterkunft der guten Mittelklasse.

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Das Gran Hotel La Perla macht nicht viel Aufsehen über seine fünf Sterne. Es ist einfach da, an dem großen Platz in Pamplona. Foto: W. Stock, April 2024.

Auch das Hotel Quintana befindet sich an der Plaza del Castillo. In Hemingways Roman Fiesta heißt die Herberge Hotel Montoya, es gehört Juanito Quintana. Der Hotelbesitzer wird zu einem guten Freund, in seiner Erzählung nennt der Schriftsteller ihn Señor Montoya. In diesem Hotel kommt er auch die nächsten Jahre unter, zu den Sanfermines von 1924, 1925, 1926, 1927, 1929 und im Jahr 1931. Die ehemaligen Hotelzimmer befinden sich über einer Bierklause, von außen sieht alles aus wie damals.

Es ist Juanito Quintana, der den Amerikaner in die Zirkel einführt. Ernest lernt Cayetano Ordóñez kennen, el Niño de la Palma, einen der besten Matadores seiner Zeit. Mit ihm und seinem Sohn Antonio Ordóñez entwickelt Hemingway eine enge Freundschaft. Der US-Autor und Quintana teilen die Begeisterung für den Stierkampf und sind beide politisch auf Linie der liberalen und linken Republik. Später, als es im Jahr 1936 zum Ausbruch des Bürgerkrieges kommt, wird

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Das Lieblingsgericht des Ernest Hemingway in Pamplona

Deftiges wie der Jamón Ibérico und Fritiertes mit den Galletas und all die variablen Croquetas kommen in Pamplona auf den Tisch. Foto: W. Stock, April 2024.

Jacob Barnes, Robert Cohn und die Freunde Bill, Mike und die verführerische Lady Brett Ashley bringen in Hemingways Debutroman Fiesta ihre Probleme und Traumata mit in das Baskenland. Gefühlschaos, Seitensprünge, Alkoholismus und Obsessionen. Man nennt sie die Verlorene Generation, wegen des Werte-Dammbruchs, verursacht durch den Ersten Weltkrieg. Alle Ideale sind im Pulverdampf der Schützengräben verglüht, neue Ideen, eine Sichtweise, neue Inspirationen werden verzweifelt herbeigesehnt.

Die Truppe wird geerdet in Pamplona. Nicht unbedingt die Protagonisten der Erzählung, jedoch ihr Verfasser. Die Zeit scheint wie angehalten in Pamplona. Man feiert, trinkt und isst, so wie man auch vor dreihundert Jahren gefeiert und gegessen hat. Da hetzt man dem Neuen und Unbekannten hinterher, und merkt dann irgendwann, es ist das Bewährte und Althergebrachte, das für den inneren Frieden sorgt. Die Stille der Natur, die alten Gebräuche, die angestammten Umgangsformen und die traditionellen Speisen.

Ernest ist von Paris verwöhnt, doch die baskische Gastronomie ist in Qualität und Vielfalt nochmals ein Stück näher der Natur. Und Ernest schwärmt von den Meeresschnecken, den Tintenfische, den Garnelen, von den Jungfisch-Aalen nach Bilbao-Art, von den Koteletts mit Paprika, von den Sardellen und dem gebratenen Lachs mit Sauce Béarnaise, vom Thunfisch und dem Steinbutt.

Kulinarisch hält Euzkadi, wie die Region heute heißt, nicht hinter dem Berg. Seine baskischen Lieblingsgerichte erwähnt er in Wem die Stunde schlägt und in Der gefährliche Sommer. Der Amerikaner mag die deftige baskische Küche. Ein estofado de toro, den cordero en chilindrón, ein paar magras de jamón con tomate, es ist kulinarisch seine Welt. Stiergulasch, Lamm in Paprikaschoten, mageren Schinken mit Tomaten. Dazu stets den guten Wein aus  Navarra.

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Das Ajoarriero Estilo Iruña mit pochiertem Ei ist für den schnellen Hunger vor einer weinseligen Fiesta. Foto: W. Stock, April 2024.

In der ehemaligen Casa Marceliano in der Calle Mercado sind heute Behördenbüros untergebracht. Das Restaurant musste im Jahr 1993 die Pforten schließen, nun arbeiten hier Beamte der Stadtverwaltung. Früher war dies eine klassische Taverne, direkt rechts neben der Kirche Iglesia de los Padres Dominicos. Der Amerikaner hat hier gerne zu Mittag gegessen.

Nachdem Hemingway während der Sanfermines von 1926 dieses Lokal entdeckt hat, wird es sein Favorit. Manchmal wird bis in die Morgenstunden gefeiert. Im Jahr 1953 schreibt er: In Pamplona hatten wir unsere geheimen Orte wie die ‚Casa Marceliano‘, wohin wir nach dem ‚encierro‘ zum Essen, Trinken und Singen gingen. Das Holz der Tische und Treppen ist so sauber und geschrubbt wie das Deck oder Teakholz einer Yacht, mit dem Unterschied, dass die Tische schrecklich mit Wein bekleckert sind.

Seit seinem ersten Besuch in der Casa Marceliano schwärmt der Amerikaner vom Bacalao al Ajoarriero, einem typischen Gericht aus Navarra. Es wird zu seinem Lieblingsgericht. Ein entsalzter, in Stücke zerkleinerter Kabeljau in einem Sud aus Tomaten, Paprika, Knoblauch, Zwiebeln, Olivenöl und Petersilie. Dazu pochierte Eier. Der Bacalao al Ajoarriero ist ein volkstümliches Eintopf-artiges Schnellgericht, ideal als kleine Mahlzeit in einer Gruppe von Freunden oder in Familie.

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Ein Himmelreich aus Vanille. Die Torrija im Café Iruña stellt so ziemlich jeden Nachtisch in den Schatten. Foto: W. Stock, April 2024.

Nun ist der herbe, fischige Geschmack nicht jedermanns Sache. Man muss danach die dominante Würze des Stockfisches gründlich löschen, mit rotem Hauswein aus Navarra beispielsweise, oder mit einer süßen Nachspeise aus der Region. Die Empfehlung kann hier lauten: Eine Torrija con helado de vainilla. Eine Tunkschnitte, ähnlich

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Im ‚Txoko‘ von Pamplona fühlt sich Ernest Hemingway wohl im Leben

Das Txoko auf der Plaza del Castillo von Pamplona. Foto: W. Stock, April 2024.

Von dieser Bar gibt es Dutzende Fotografien mit Ernest Hemingway, meist umrundet von Freunden und Bewunderern. Und man sieht einen glücklichen Schriftsteller aus Chicago, der auf der Terrasse der Bar Txoko von Pamplona sitzt und sich wohl fühlt im Leben. Diese Taverne befindet sich in der südlichen Ecke der Plaza del Castillo Nummer 20, dort wo die Calle Espoz y Mina auf den großen Platz einmündet.

Das Txoko steht unterhalb des ehemaligen Hotels Quintana, für den US-Amerikaner ist die Bar so etwas wie der vorgelagerte Speisesaal des Hotels gewesen. Auch Miss Mary verrät in ihren Memoiren How it was, dass im Txoko traditionell gefrühstückt wurde und es das Lieblingslokal von ihm gewesen sei. „Unser öffentliches Leben spielte sich in der Bar Choko ab, unter den Arkaden vor dem Hotel, das einmal Juanito Quintana gehört hatte.“

Im Spanischen heißt das Lokal Bar Choco, unter diesem Namen hat sie Ernest Hemingway in den Jahren 1953, 1956 und 1959 gekannt. Txoko auf Baskisch, die Basken sind stolz auf ihre Sprache. Zurecht, es ist ein kleines idiomatisches Juwel, von nur 700.000 Menschen im spanischen Norden gesprochen. Das Baskische ist in Europa die einzige isolierte Sprache, sie ist mit keiner anderen bekannten Sprachfamilie verbunden. Deshalb bleiben wir beim Txoko.

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Das Txoko, ein Favorit von Ernest Hemingway im baskischen Pamplona. Foto: W. Stock, April 2024.

Seit 1920 gibt es das Txoko. Berühmt sind die Picoteos, kleine Apetithäppchen, die anderswo Pintxos genannt werden. Croquetas, Calamar, Pollo con Salsitas, den Jamón Ibérico, Migas de Pastor, Calabacín, eine Zucchini mit Käse und Honig. Die Preise sind nicht zu teuer und nicht zu billig, wie jede gute Bar zieht sie die Menschen über alle Schichten und Geschichten an. Die Geschäftsleute, den Händler, den Touristen und auch die Pilger auf dem Jakobsweg.

Unter großen weißen Sonnenschirmen sitzen die Gäste und beobachten das Treiben auf der Plaza. Über dem Eingang prangt Café Bar Txoko, zwei breite Flügeltüren geben den Eingang zur Schänke frei. Auf der Karte tummeln sich, sagen wir, solides Mittelmaß. Das Txoko scheint eher eine Bar für den schnellen Cortado und den kleinen Tinto.

Ernest Hemingway ist noch präsent, wie kann es anders sein. Auch wenn diese Bar die Erinnerung an ihn langsam verblassen lässt. Viele Besucher kommen vorbei und bestellen das gleiche wie er. Sein Lieblingsgetränk sei der Vanilla Milkshake mit Cognac gewesen, meint der Wirt. Aha!

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Bocadillos und Picoteos gehören zu den Spezialitäten der Bar Txoko in Pamplona. Foto: W. Stock, 2024.

Im Jahr 1959, bei seinem letzten Besuch bei den Sanfermines, ist es für Ernesto, als erlebe er aufs Neue die 1920er Jahre: Das Land unverdorben vorzufinden und es noch einmal mit den Personen, die mich begleiteten, genießen zu können, machte mich so glücklich wie nie zuvor, und all die Menschenmassen und modernen Neuerungen in Pamplona waren bedeutungslos dagegen. 

Diese Reise zurück in die Jugend hat Ernest Hemingway in seinem Buch The Dangerous Summer – zu Deutsch: Gefährlicher Sommer – festgehalten. Er ist wieder da in Pamplona, sitzt auf der Terrasse des Txoko und ist

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Ernest Hemingway trägt Pamplona im Herzen – und umgekehrt

Alles dreht sich um den Stier in Pamplona. Und ein US-Schriftsteller spielt dabei eine tragende Rolle. Foto: W. Stock, April 2024.

Das Herz des Hemingway’schen Baskenlandes schlägt in Pamplona. Zwischen 1923 und 1959 hat er die Stadt zehnmal besucht, mit einer langen Pause von zwei Jahrzehnten nach dem verlorenen Bürgerkrieg. Ab 1953 ist der Schriftsteller dann wieder regelmäßig in Nordspanien. Der alljährliche Bullenauflauf der Sanfermines Mitte Juli bleibt ein heiliger Termin in seinem Kalender. Rund um die Plaza del Castillo spielt sich die Welt des Ernest Hemingway ab.

Pamplona – in der baskischen Sprache: Iruña ist die Hauptstadt der autonomen Region Navarra. Vieles hat sich in den letzten hundert Jahren zum Besseren verändert, anderes aus Hemingways Zeit ist leise verschwunden. Die Bar Torino, das Café Kutz, das Café Suizo, die Casa Marceliano in der Calle Mercado. Und das Hotel Quintana oder sein Lieblingsrestaurant Las Pocholas im Paseo Sarasate.

Das Café Iruña trotzt den Widrigkeiten der Zeitläufte. Besonders das Iruña ist ein Fixstern, wenn man seinen Hemingway-Weg in Pamplona ablaufen will. Es kann einen ziehen zur Calle Eslava Nummer 5, zu einer billigen Pension, wo er gewohnt hat als er es nicht so dicke hatte. Oder gleich zur Plaza de Toros, zu der in diesen Tagen ein Paseo Hemingway führt.

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In Pamplona werden die Tage, Stunden, Minuten und Sekunden bis zur Eröffnung des Spektakels im Juli herunter gezählt. Foto: W. Stock, April 2024.

Die Zeit scheint wie angehalten in Pamplona, auf eine merkwürdige Art und Weise retardiert. Die Basken sind ein eigenwilliges Volk, sehr auf Eigenständigkeit und Selbstbestimmung bedacht. Mit großem Stolz auf die eigene Sprache und Kultur. Als Volk, dessen Vorfahren überwiegend aus Fischern und Seefahrern entstammt, besitzen sie einen ausgeprägten Sinn für Unabhängigkeit und Störrigkeit. Charaktereigenschaften, die Ernest Hemingway nicht nur gefallen, sondern auch seinem eigenen Wertesystem entstammen.

Ernest Hemingway wirkt wie ein Magnet. Besonders die Amerikaner werden vernarrt in die Sanfermines. Berühmtheiten kommen. Orson Welles, Arthur Miller, Inge Morath, der Nobel-Kollege Derek Walcott. Und dieser New Yorker James A. Michener, der so schöne dicke Bücher schreiben kann. Tausende Besucher kommen im Juli nach Pamplona, viele aus Übersee. Manche in der Stadt jedoch sehen die Meriten des Amerikaners aus einem Vorort von Chicago kritisch.

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Paseo de Hemingway. Der Amerikaner bekommt in Pamplona seinen Flanierweg, der zur Stierkampf-Arena führt. Foto: W. Stock, April 2024.

Er sei dafür verantwortlich, aus dem Volksfest einen Bullen-Ballermann gemacht zu haben. Aus Jux hat man Ernest Hemingway im Juni 2023, zu seinem Hundertjährigen, den Prozess gemacht. Vor einem fiktiven Gericht, mit Ankläger, Verteidigung, Geschworenen und Richter. Sein Roman Fiesta sei dafür verantwortlich, dass Horden von Touristen einfallen und dem Volk das Volksfest vermiesen. Nein, nein, meint die Verteidigung, Hemingway habe Pamplona und seine Kultur in der Welt bekannt gemacht und die Wirtschaft angekurbelt. Das Votum der Jury fällt knapp aus. Ernesto wird freigesprochen.

Einig sind sich alle, eine bessere Werbefigur wie Hemingway kann es nicht geben. Zu Anfang des 20. Jahrhunderts ist Spanien Terra incognita gewesen, ein weitgehend unbekanntes Land am Rande Europas hinter den hohen Pyrenäen. Da muss erst ein US-Amerikaner kommen und schreiben über diesen Landstrich. Zum Glück kann er gut beobachten und tief einsteigen in die Kultur und Gepflogenheiten seines Gastlandes.

Solch ein Hemingway-Bummel durch Pamplona endet am besten an der Plaza de Toros, die im Jahr 1920 eingeweiht wurde. Am Ende der Gasse, die heute als Paseo de Hemingway seinen Namen trägt, thront eine Liebeserklärung in Stein. Vor dieser weltweit viertgrößten Stierkampf-Arena weiht

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Mittendrin und ein Teil davon – Ernest Hemingway im ‚Café Iruña‘ von Pamplona

Das Café Iruña in Pamplona, die gute Stube der Stadt. Foto: W. Stock, April 2024.

Wir tranken im ‚Iruña‘ unseren Kaffee, saßen in den bequemen Korbstühlen und schauten aus der Frische unter den Arkaden auf den großen Platz. Die Korbstühle sind, über hundert Jahren später, neu und immer noch bequem und die Plaza del Castillo nach wie vor noch gewaltig. Das Café Iruña in Pamplona spielt die heimliche Hauptrolle in Ernest Hemingways Erstling The Sun Also Rises. Denn dieses Café Iruña dient den Besuchern aus Übersee als Stützpunkt, von dem sie ausschwärmen in diese merkwürdige Sphären Nordspaniens.

Jacob Barnes und die Freunde kommen aus Paris, wir schreiben das Jahr 1923. Die quirlige Stadt an der Seine ist für einen Amerikaner eh schon die Vorhalle zum Paradies, doch das Baskenland mit einer rustikalen Archaik kann die Pariser Schüttelglas-Drolerie locker übertrumpfen. Nach nur ein paar Zugstunden werden die jungen Leute in einen isolierten Landstrich geworfen, in eine Terra incognita, die geheimnisvoll und sonderbar daher kommt.

So sieht unbekanntes Land aus. Jenseits der Pyrenäen pflegen die Bewohner mittelalterliche Riten und hetzen Bullen durch die engen Gassen der Altstadt. Stossgebete werden in einer knorrigen Sprache gen Himmel geschickt, und ganz normale Frauen und Männer tanzen wie außer Rand und Band zum Trommelwirbel, mit Kränzen aus Knoblauch um den Hals. Über die ganze Szenerie legt sich der Anflug eines ungewöhnlichen Zaubers.

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Die Zeit scheint wie gefroren im Café Iruña von Pamplona. Foto: W. Stock, April 2024.

Nach dem Essen gingen wir hinüber ins Iruña. Es war schon ziemlich voll, und als der Beginn des Stierkampfs nahte, wurde es noch voller, und die Tische wurden dichter zusammengeschoben. Ein dichtes Summen lag in der Luft, wie jeden Tag vor einem Stierkampf. Dieses Geräusch herrschte zu keiner anderen Zeit in dem Café, ganz gleich, wie voll es war. Das Summen hielt sich, und wir waren mittendrin und ein Teil davon.

Alles ist so ganz anders als in der bigotten Heimat. Und der Amerikaner Ernest Hemingway schreibt über all die Merkwürdigkeiten ein dickes Buch. Er verfasst einen Roman, der stilistisch ähnliches anrichtet wie die Jakobiner mit dem französischen Adel. The Sun Also Rises heißt das Werk, in Europa wird es übersetzt mit Fiesta. Die eigensinnige Verneigung des Mannes aus Chicago geht an das geerdete Pamplona. Und müsste man einen Baustein aus der Erzählung herausgreifen, die Wahl würde auf das Café Iruña fallen.

Am liebsten sitzt Hemingway draußen unter den Markisen des Iruña, bei einem Cognac und dem Kaffee. Und sein Blick schweift über die monumentale Plaza del Castillo von Pamplona. Mit einer Bibelstelle aus dem Prediger Salomo, Kapitel 1, Vers 5. beginnt Hemingway The Sun Also Rises. Das überrascht bei einem Atheisten wie ihm, es muss also etwas bedeuten. Oritur sol et occidit et ad locum suum revertitur ibique renascens. Die Sonne geht auf und geht unter und läuft an ihren Ort, dass sie wieder daselbst aufgehe. Eigentlich müsste The Sun Also Rises in der Übersetzung lauten: Die Sonne aber bleibt ewiglich. Darum geht es. Das „aber“ ist der Schlüssel.

Auch das Café Iruña, von Serafín Mata kurz vor den Sanfermines im Jahr 1888 eröffnet, besitzt diesen Hauch von Ewiglichkeit. Wie in einem Mikrokosmos vereint es Historie und Tradition des Baskenlandes. Von der Belle Époque bis heute scheint die Zeit wie gefroren. Marmortische, goldfarbene Säulen, Riesenspiegel, Emailleschilder, prächtige Leuchten im Jugendstil, die lang gestreckte Theke mit den Rollitos de Queso, den Patatas Bravas oder dem Jamón Ibérico. Im Café Iruña wird alles zusammen geführt. Das Alte und das Neue, die Stadt und das Land, Eleganz und Populäres, der Einheimische und der Fremde, der Millionär und der arme Schlucker.

Die Zeiten konnten dem Iruña wenig anhaben. Das Café hat Krieg und Despotie erlebt, Bombenschlachten und Terror – und doch steht

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Heinrich Heine könnte Ernest Hemingway gemeint haben…

„Wer mit den wenigsten und einfachsten Symbolen das meiste und bedeutendste ausspricht, der ist der größte Künstler.“ Heinrich Heine.

So ziemlich genau ein Jahrhundert liegt zwischen diesen beiden Literaten. Die Weisheiten jedoch, die Heinrich Heine (Düsseldorf, 1797 – Paris, 1856) über die Kunst festgehalten hat, sie trifft auf ihn selbst, aber ebenso auf Ernest Hemingway (1899 – 1961) zu. Die Sätze des bärtigen Amerikaners jedenfalls klingen frisch und unverbraucht. Allerdings auch arg karg und knapp. Es ist Gertrude Stein, seine Mentorin, die den Novizen aus Oak Park zu einer minimalistischen Erzählweise drängt.

Die Literaturwissenschaft lobt die Kürze und Klarheit seines Stils, besonders diese unterkühlte Genauigkeit in den Dialogen. Während andere zeitgenössische Autoren immer noch die gespreizte Stilistik der Klassiker pflegen, kommt Ernest Hemingway auf Anhieb zur Sache. Dieser lakonische Stil, die Aneinanderreihung kurzer Aussagesätze und die kraftvolle Sprache werden typisch für viele Schriftsteller der Lost Generation zwischen beiden Weltkriegen.

Wenn ich anfing, kompliziert zu schreiben oder wie einer, der etwas bekanntmachen oder vorführen will, erkannte ich, dass ich die Schnörkel oder Ornamente ausmerzen und wegwerfen und mit dem ersten wahren einfachen Aussagesatz anfangen konnte, den ich geschrieben hatte. Oben in diesem Zimmer fasste ich den Entschluss, über alles, worin ich mich auskannte, eine Geschichte zu schreiben. Darum habe ich mich beim Schreiben immer bemüht, und das war eine gute und harte Schule für mich. (Ernest Hemingway: Paris – Ein Fest fürs Leben).

Unter dem Einfluss von Gertrude Stein, Sherwood Anderson und dem britischen Romancier Ford Madox Ford perfektioniert der junge Amerikaner seinen journalistischen Romanstil. Ab Mitte der 1920er Jahre ist Ernest Hemingway nicht nur ein wirklich guter Erzähler mit eigenem Stil, sondern darüber hinaus auch ein sprachlicher Erneuerer.

Das alles geschieht in Paris, seine sparsame Art zu formulieren, hat der spätere Nobelpreisträger in der Stadt an der Seine erlernt. Für 25 Jahre übrigens das Exil von Heinrich Heine, bis an das Ende. Am 17. Februar 1856 stirbt Heinrich Heine in Paris im Alter von 58 Jahren. Er wird auf dem Cimetière de Montmartre beerdigt.

Es kann kein Zufall sein. Ein wenig ähneln sich manche Daten. Die literaturhistorischen Unterschiede bleiben. Heinrich Heine kommt aus der Romantik, er ist mehr Dichter, bewegt sich in Richtung Aufklärung. Literarisch bereitet er dem Vormärz den Weg. Hemingway hat mit der Politik wenig am Hut und kommt aus der bodenständigen Tradition eines Mark Twains. Es gelingt ihm, die angelsächsische Literatur von den Manierismen der Charles Dickens-Schule zu befreien. 

Was bleibt: Beide sind baumstarke

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Als Ernest Hemingway einmal mit der deutschen Bahn reiste

Ernest Hemingway Reportagen
Dateline: Toronto. Die gesammelten Berichte des jungen Reporters Ernest Hemingway für die kanadische Zeitung Toronto Star.

Nach gut drei Urlaubswochen im Schwarzwald begeben sich Ernest Hemingway und Ehefrau Hadley im August 1922 nach Frankfurt. Der junge Reporter aus den USA macht große Augen in Deutschland. Und bedient fleißig alle Klischees. Die Schraube dreht er bis zum Anschlag. Man sollte dabei nicht alles für bare Münze nehmen. Wir sahen Mütter, die ihren rosigwangigen Kindern Bier aus großen Halbliterkrügen zu trinken gaben. Solches schreibt er am 1. September 1922 im Toronto Star.

In der ersten Klasse fahren die beiden Amerikaner mit der Bahn in Richtung Mainz. Es ist der erste Besuch des jungen Mannes aus Chicago in Deutschland, Ernest fremdelt merklich mit Germany. Das ganze Land ächzt unter der Last des verlorenen Ersten Weltkrieges. Nichts klappt reibungslos, man verwaltet den Mangel und ist froh, wenn es einigermassen läuft. 

Auf dem Bahnsteig des Frankfurter Hauptbahnhofs erblickt Hemingway das ganze Elend. Die Bahn verliert Geld mit jeder Fahrt, und deshalb sieht man ein Minimum an Wagen und ein Maximum an Passagieren. Die Reisenden stehen in den Korridoren wie die Stifte in einer Box. Am Gleis wartet der Express nach Amsterdam, voll wie man sich nur vorstellen kann, aber irgendwie, auf den Fluren und Gängen, kommen alle Passagiere unter.

Der US-Amerikaner deutet die Ursache der Misere an. Die Reparationszahlungen machen es unmöglich to recover into a properous nation. Derart geknebelt sei eine Erholung zu einer Nation mit Wohlstand nicht möglich. Dazu kommen dann noch die Inflation, die sozialen Unruhen und die politischen Turbulenzen. Die Zugfahrt nutzt der junge Korrespondent für ein paar Charakterstudien. 

Ihm fällt einiges auf im Zusammenleben der Deutschen. Am meisten, dass viele Männer ihre Frauen schlecht behandeln. Der deutsche Mann entert als Erster das Zugabteil oder nimmt der Frau direkt einen Sitzplatz weg. Die Ehefrauen lassen die Herabsetzung mehr oder weniger über sich ergehen und schweigen. Ganz anders würde eine Französin in seiner Wahlheimat Paris reagieren, nämlich mit lautstarkem Protest.

Der deutsche Mann drängelt sich gerne vor, auf Kosten seiner Frau. Hubby Dines First, Wifie Gets Crumbs! Gemahl speist als erster, Frauchen kriegt die Krümel! So überschreibt Ernest Hemingway eine Reportage über Essgewohnheiten in der Bahn für den Toronto Daily Star, die am 30. September 1922 in der kanadischen Tageszeitung veröffentlicht wird.

Ernest beobachtet einen Mann, der zur Mittagszeit alleine in den Speisewagen geht. Anderthalb Stunden später kommt er, mit Bierfahne, zurück ins Abteil. In der Hand ein angeknabbertes Käsebrötchen für die Gemahlin, die sich gierig über das kleine Stück Brot hermacht. Die Familie hat gespeist, lautet Hemingways trockenes Fazit.

Doch dem US-Amerikaner ist klar, als Ausländer einer Siegermacht sollte er nicht all zu laut auftreten oder gar einen Streit anfangen. Düstere Gedanken schießen ihm durch den Kopf. Ein Land, das einen Walther Rathenau – den liberalen Reichsaußenminister, der im Juni 1922 von Rechtsradikalen ermordet wurde – tötet, würde nicht zögern, auch ihn ins Jenseits zu befördern.

Kein Wunder, dass Hemingway nicht so recht warm wird mit seinem Gastland. Über das deutsche Idyll macht er sich lustig:

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